Cro – trip

Review: Das vierte Cro-Album "trip" ist von vielen Ambivalenzen durchzogen – nicht nur im Sound. Das überzeugt Autor Jonas nur teilweise.

Cros „trip“ (kurz für „Trapped In Paradies“) ist ein in Ambivalenzen ausgedrücktes Stück Musik. Auf der einen Seite: Die 11 Disco-Funk-Versatzstücke von „Solo“. Auf der anderen: Der psychedelische Band-Sound der namensgebenden zweiten Albumhälfte. Hier: Die sauber und mit viel Tiefgang ausgeführten Produktionen. Da: Die flachen Textfragmente, die scheinbar nur ein Thema kennen. Und sowohl: Der Wille sich als fortschrittlich zu präsentierten. Als auch: Die rückschrittlichen Posen.

Musik

Das vierte Cro-Album ist gleich eines mit zwei Teilen: Die ersten elf Stücke bilden „Solo“, die letzten elf „trip“. Zusammen ergibt das dann das nach letzterem betitelte Doppelalbum. Wo gerade die „trip“-Songs ihren Sinn in fiebrigen Psychedelica-Sounds suchen und auch gerne auf die typischen Pop-Strukturen verzichten, so macht der gebürtige Stuttgarter sich und seinen Fans zu Beginn zunächst einiges sehr leicht. „Solo“ lässt sich mit seiner Disco-Ästhetik nämlich vorweg auf eine Inspirationsquelle herunterbrechen: Daft Punk. 

Die funky Basslines, die auf den Dancefloor ladenden Drums, die spacigen Synthesizer – all das ruft sehr eindeutig nach den French House-Pionieren. Über diesen Grundbau widmet sich Cro den typisch-eingängigen Chorussen, für die Fans ihn spätestens seit der Veröffentlichung des fünffach Gold prämierten Debüts schätzen. Ist ja immer noch „Raop“ hier! An vielen Stellen leider verwäscht dieser Versuch neu und alt in Vereinigung zu bringen die Alleinstellungen im Sound. Schade um „Solo“.

Und doch – dass diese Melange durchaus funktionieren kann, zeigen vor allem die lässigen Kollaborationen: „SYGL“ mit Charmeur Shindy und „Blessed“ mit Rekord-Brecher Capital Bra. Respekt verdient Carlo Waibel zudem dafür, dass er von Album zu Album zumindest den Versuch einer Stilneufindung unternimmt. Dennoch: Der Eindruck, die eigene Zielgruppe nebst dem herausfordernden „trip“ mit einem pop-lastigeren Kontrastprogramm zufrieden stellen zu wollen, bleibt.

Text

Positioniert sich Albumhälfte zwei mit seinen Retro-Stilen musikalisch eigenständig, so gilt das nur teilweise für Wort und Text. Einzig das verruchte „Endless Summer“ nimmt kreative Perspektiven ein und thematisiert eine der großen Herausforderungen unserer Zeit – den Klimawandel. Für die restlichen Songs gilt das nicht: Im weitläufigen „Dich“ geht es um die Liebe, im verträumten „Letzter Song“ um die Liebe, im soulig-groovigen „Summer Love“ um – naja – die Liebe und im perkussiven „So Schön“ – Überraschung – um die Liebe. 

Ähnlich hartnäckig drehen sich auch die ersten 30 Minuten des Trips um den ausnahmslos aus der Perspektive von ersterem beschriebenen Zusammenschluss von Mann und Frau. Gerade diese Monotonie im Inhalt trägt maßgeblich dazu bei, dass die vielen Lovesongs aus der Vogelperspektive an Charakterstärke und emotionaler Tiefe einbüßen. Denn ein liebevoll zusammengestelltes Bouquet ausgewählter Blüten schindet immer noch mehr Eindruck als ein überschmückter Strauß von der Tanke. Oder nicht?

Auffällig ist an der Stelle auch: Das Universum, in dem die Kunst Cros stattfindet, ist eines mit vielen Sonnenplätzchen und nur wenigen Schattierungen. Und wenn dann doch mal nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“-Style wunderbar läuft, dann steht für Waibel stets eine der zwei universellen Lösungen aller Probleme bereit: Die Zweisamkeit oder der Erfolg. Songs wie „SYGL“ und „Hör Nicht Auf“ führen diese Narrative weit aus und ignorieren damit jeglichen Diskurs um Privilegien und Chancen: Um ganz oben anzugelangen, muss man sich nach den obligatorischen Stürzen nur aufrappeln. Na klar! Ähnlich eng gefasst ist auch das Frauenideal, das Cro seinen vielen oft jungen Anhänger*innen vorlegt: Klug, elegant, lieb und hübsch soll Frau sein. Und: So wirklich vollendet und glücklich sein, kann sie erst in Kombination mit dem passenden Mann.

So schmückt sich das vierte Cro Album vor allem in seinen Produktionen mit viel Potential, verliert der schieren Masse an copy paste-Material, lyrischer Eintönigkeit und gerade in der ersten Hälfte versuchter Radio-Nähe jedoch an Glanz. Der Wunsch den eigenen Sound voranzutreiben ist eben nicht immer mit der eigenen Zielgruppe vereinbar. Schade.

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3 Kommentare zu „Cro – trip“

  1. Wie kann man ein Album so schlecht bewerten? Cro seine Intentionen hinter dem Album wurden komplett falsch interpretiert. Dass er seine „Zielgruppe“ nicht trifft, ist ja wohl scheiß egal. Cro hat schon dutzende Male betont, dass er nicht mehr einfach nur Musik für die breite Masse macht, sondern einfach nur das, was ihm bock macht und hinter dem auch steht. Dass es andere Gruppen trifft, ist ja wohl auch klar. Liegt vielleicht daran, dass es ein Doppelalbum mit zwei komplett anderen Styles ist. Bei Solo geht es eher um singles, die gute Laune bringen und bei trip geht es komplett um den Vibe, auf den man sich einlassen muss. Die Texte gehn schon viel um Liebe sind aber auf keinen Fall engstirnig. Man kann auch tiefsinnige Texte über Liebe schreiben. Da merkt man, dass sich hier null mit den Liedern auseinandergesetzt wurde. Übrigens das Lied „hoch“ ist wahnsinnig tiefsinnig und ein lyrisches Meisterwerk. Das wurde hier komischerweise gar nicht angesprochen. Alles in allem wurde hier meiner Meinung nach komplett fehlinterpretiert und sich viel zu wenig mit den Liedern auseinandergesetzt. Viel zu einseitig diese „Rezension“

    1. Hi Dominik, danke für deinen Kommentar. Ein paar Anmerkungen dazu von mir:

      1. Den Zielgruppen-Satz hast du glaube ich anders aufgefasst, als ich ihn gemeint habe. Mein Punkt war nicht, dass Cro seine Zielgruppe mehr bedienen sollte, sondern dass die Spannung zwischen den eigenen Ambitionen (neues ausprobieren, expierimentieren) und der sehr mainstreamigen Kernzielgruppe das Album verwässert. Für oft wenig anstrengende Gute Laune-Lieder kennt die breite Masse Cro und dementsprechend ist das auch oft das, was erwartet wird. Gerade die „Solo“-Seite bedient mir das textlich und stimmungstechnisch zu sehr. Denn: Auch wenn Cro selber immer betont, dass er nur veröffentlicht, was er selber feiert, so kann sich wohl kein*e Künstler*in komplett von äußeren Erwartungen frei sprechen.

      2. Du hast recht, dass es neben den vielen Love-Songs natürlich auch Material gibt, was sich mit anderen Themen beschäftigt. Die Poser-Songs habe ich ihm Text selber ja auch erwähnt, genauso wie „Endless Summer“. Und ja, es gibt auch einige Songs, die andere Themen behandeln, aber keine Erwähnung finden. Bei der schieren Masse von 22 Songs sind die aber in der Minder- und die Songs, die das Thema Liebe behandeln in der Mehrheit.

      3. Letzten Endes sind Musikkritiken auch immer nur subjektive Schnappschüsse. Über dem Text steht mein Name, dementsprechend ist die Position die meine. Geschmäcker sind verschieden, dementsprechend wird es schlussendlich wohl Leute geben, denen „trip“ gefällt, genauso wie es Leute geben wird, denen es nicht oder nur teilweise gefällt. Meine – wie ich finde nachvollziehbare – Meinung zu der Platte mindert deinen Spaß mit dieser – gemäß sie gefällt dir – ja nicht. 🙂

      Schönen Sonntag noch

      Jonas

  2. Also jedem seine Meinung, aber ich finde die Kritik eigentlich ganz passend. Gab in der Vergangenheit durchaus Lieder von Cro, die mir gut gefielen, mit dem Album fange ich aber nicht so viel an. Bezüglich Musikrichtung pass ich allerdings vermutlich auch nicht ganz in die Zielgruppe, und textlich hat sich ohnehin nicht wahnsinnig viel getan. Mag sein, dass man bei manchen Songs noch mehr entdeckt, wenn man sich tiefer damit beschäftigt, weiß jedoch nicht, ob ich das möchte.

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