Helge Schneider, Philharmonie Köln, 23.04.2017

Helge Schneider 2017

Schon traditionell spielt Ausnahmekünstler Helge Schneider jedes Jahr zu Karneval gleich drei Konzerte in der Kölner Philharmonie – und das stets vor einem restlos ausverkauften Haus. 2017 stand nun nach längerer Zeit mal wieder ein Soloprogramm auf dem Plan. „Schneidersche Soloauftritte“ habe es in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder in besonderen Häusern gegeben, so die Programmankündigung. Dazu Helge: „Jedes Haus ist etwas Besonderes“.
Bei den diesjährigen Kölner Auftritten präsentierte Helge seine diversen Talente und Eigenheiten in einer mehr als zweistündigen Ein-Mann-Show, die nur stellenweise durch die Einbindung weniger Stargäste aufgemischt wurde. In den letzten Jahren war er hingegen mehrfach mit einer riesigen Begleitband zusammen in der Philharmonie aufgetreten.

Nachdem Helge im Februar bereits die ersten beiden Termine absolviert hatte, war das dritte Konzert aufgrund von Krankheit auf den 23. April verschoben worden. Auch zu diesem Ersatztermin erschienen einige Zuschauer, ganz dem Wunsch des Künstlers entsprechend, in karnevalistischer Verkleidung. Selbst der für dieses Wochenende angesetzte und von Demonstrationen begleitete „ARD-Parteitag“, so Helge wörtlich, konnte seinen Auftritt nicht mehr verhindern, war er doch so schlau, sich über einen Geheimweg in die Philharmonie zu schleichen.

Helge Schneider Live

Aus dem Programmtitel „Radio Pollepopp“ ließen sich erwartungsgemäß keinerlei Erwartungen ableiten, die Helge an diesem Abend erfüllen würde. Helge Schneider ist und bleibt ein unberechenbarer Performance-Künstler. Selbst wenn er eine Bühne, wie hier geschehen, zunächst mit der Mühe eines gebrechlichen, alten Mannes nur im Schneckentempo erklimmt, bedeutet das noch längst nicht, dass er nicht plötzlich mit ausgefallenen, lebhaften Tanzeinlagen zu überraschen weiß, die so leicht keinem uns bekannten Stil zuzuordnen sind. Helge ist niemand, der einen Arztwitz ohne jegliche Pointe erzählen würde. Er erzählt gleich drei davon. Auf dem Cello spielt er sowohl bekannte Melodien, wie die der deutschen Nationalhymne, als auch abstrakteres Material, wenn er etwa eine Schar von Vögeln imitiert. Klassiker wie „Katzeklo“ oder „Meisenmann“ nehmen abenteuerliche Wendungen. Der kleine Meisenmann hat nicht nur Hunger, sondern leider auch kein Glück in der Liebe. Seine Braut lernt er über das Internet kennen. In einem Schuhkarton wird sie geliefert, und erst nach dem Ja-Wort in der Kirche darf er sie sehen. Da stellt sich heraus, dass sie ihn betrogen hat – sie ist ein Kuckuck.
Doch neben all den Späßen kommt auch die ernsthafte Seite des Helge Schneider niemals zu kurz. In Köln äußerte er zum wiederholten Male Sozialkritik, als er auf die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich hinwies, veranschaulicht durch die Gegenüberstellung der teuren Plätze vor und der billigen hinter der Bühne. Der Hinweis, dass auch ein Reicher sich durch Jobverlust einmal auf der anderen Seite wiederfinden könnte, dürfte den einen oder anderen ins Grübeln gebracht haben.

Sergej Gleithmann
Stargast Sergej Gleithmann.

Mehrmals bekam das musikalische Programm an diesem Abend eine sehr bluesige Note. Mit der minutenlangen Beteuerung von Traurigkeit reduzierte Helge diese Musikform auf ihren melancholischen Gehalt. In „I Was Born“ spielte Helge fabelhaft auf seiner E-Gitarre, während er immer wieder von künstlichem Nebel umhüllt wurde.
Teekoch Bodo sorgte zwischen den verschiedenen Programmpunkten dafür, dass der Meister keine trockene Kehle bekam. Aufgelockert wurde die Vorstellung durch insgesamt drei Stargast-Auftritte. Darunter stach vor allem der talentierte Schlagzeuger Pete York hervor, der für eine ausgiebige Jamsession mit Helge auf die Bühne kam. Helge begleitete das Schlagzeugspiel an der Rockorgel und begab sich zwischenzeitlich auch selbst an ein zweites Schlagzeug, womit er sich ein amüsantes Drum-Battle mit Pete leistete. Das war wirklich sehr sehens- und hörenswert!
Karlos Boes wiederum sorgte mit seinem exotisch anmutenden Flötenspiel für eine nahezu andächtige Stimmung in einem kleinen Intermezzo, währenddessen Helge sich für wenige Minuten von der Bühne verabschiedete. Natürlich durfte aber auch Sergej Gleithmann nicht fehlen, der nicht nur als Darsteller des Meisenmannes immer wieder eine tolle Figur macht, sondern auch mit einer kurzen Turneinlage inklusive Purzelbaum die Stimmung anheizte.

Was Helge Schneider seit Jahrzehnten auf die Bühne zaubert, ist schlichtweg einmalig. Vermutlich gibt es kaum einen Künstler, der sich so viele Freiheiten erlauben darf und dafür so geliebt wird. Und das mit Recht – ein Abend mit Helge Schneider tut der Seele einfach gut.

Im Rahmen seiner neuen Tournee „240 Years of Singende Herrentorte!“ tritt Helge Schneider am 30.06.2017 auch im Kölner Tanzbrunnen auf. Alle weiteren Termine findet ihr hier.

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https://www.youtube.com/watch?v=T9pTXb6OIWA

Website / Facebook

Fotos von Helge Schneider (Titelbild/Studio) und Till Oellerking (Live).

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