Freundeskreis, Zeltfestival Ruhr Bochum/Witten, 20.08.2018

Freundeskreis 2018

Einige Bands der 90er haben im aktuellen Jahrzehnt große Comebacks hingelegt. Andere hätten einfach ihren Kult stehen lassen und nicht zwanghaft probieren sollen, es zu wiederholen. Seit 2017 mischt auch die außerordentliche Hip-Hop-Formation Freundeskreis aus Stuttgart mit, die zwar nur zwei Alben und ein Best Of veröffentlicht haben, aber damit so viel Aufmerksamkeit erhaschen konnten, dass selbst im aktuellen Jahr die Nachfrage groß genug ist, um gleich zehn Gigs zu spielen. Einer davon ist am 20.8. beim Zeltfestival Ruhr in Bochum/Witten. Ob sie an alte Erfolge anknüpfen können?

1996 gegründet, 2007 aufgelöst, seit letztem Jahr wieder am Start: Das Trio um DJ Friction, Arrangeur Don Philippe und Rapper/Sänger Max Herre gastiert im letzten Drittel der Tour auch bei dem seit 2008 ausgeführten Zeltfestival Ruhr. Um 19h soll es losgehen, eine Stunde zuvor startet der Einlass. Eine Viertelstunde vor Konzertbeginn ist das Publikum, das sich größtenteils in den 30ern befindet, noch super entspannt, was definitiv an dem wunderbaren Angebot liegt, welches das Festival auftischt. Neben unzähligen Ständen mit hochwertigen Accessoires, Dekoartikeln oder Möbelstücken lockt besonders die kulinarische Auswahl. Jeder ist im Urlaubsfeeling und schlendert erst in den letzten Minuten ins Zelt und zur Bühne. Keine schlechte Idee, da die Belüftung quasi komplett ausfällt und die Gradzahlen sich gefühlt um die 40 einpendeln. Mit wenigen Minuten Verspätung geht um 19:07 das Licht aus.

Ab der ersten Minute präsentieren die Künstler, wie stilvoll und musikalisch deutscher Hip-Hop funktionieren kann. Ein paar Tracks auflegen und darüber rappen kann ja jeder! Das scheint Max Herre und seiner Crew, wovon fast alle bereits den 40. Geburtstag gefeiert haben, nicht zu genügen. Neben den Bandmembern DJ Friction und Don Philippe, die sich prompt auf die höchste der drei Bühnenebenen an ihren MacBooks positionieren, darf sich gleich eine fünfköpfige Band auf der mittleren Ebene aufstellen: zwei große Drumsets, ein paar Percussions, Bass, E-Gitarre und Keys. Der Typ an den Tasten wirkt auf Anhieb bekannt – und richtig! Die musikalische Leitung läuft unter niemand anderem als Lillo Scrimali, der jahrelang für das Arrangement bei den Livebands von „Deutschland sucht den Superstar“, „Let’s Dance“ und „The Voice of Germany“ zuständig war und auf diversen Einspielungen von u.a. Laith Al-Deen, Tom Gaebel oder Die Fantastischen Vier hörbar ist. Hier kann also soundtechnisch einiges erwartet werden.

Und so soll es dann auch sein. Die Musik geht los, Max Herre betritt in einer schicken Chino-Hose und einem dunkelblauen Hemd die Bühne und alles wirkt perfekt gepegelt und abgemischt. Trotz bis zu zwölf Spuren gleichzeitig scheinen hier wirklich gute Leute an der Technik zu sitzen – der Sound ist tadellos. Das Zelt hat sich in den wenigen letzten Minuten ordentlich gefüllt und zwar mit Leuten, die Bock auf niveauvolle, groovende und abwechslungsreiche Tracks haben. Als Opening dient der Klassiker „Esperanto“, die ersten Hände gehen nach oben und die Crowd rappt mit, als hätten sie erst letzten Monat das Album auf Heavy Rotation im Player gehabt. Zum Refrain betritt der erste Gast die Bühne: Joy Denalane, Max‘ Ehefrau und jahrelange musikalische Partnerin versprüht Esprit, strahlt pure Lebensfreude aus und braucht keine Minute, um sämtliche Sympathie auf ihrer Seite zu haben. Der Einstieg funktioniert hervorragend – ob das Niveau so gehalten werden kann?

Tatsächlich schaffen die Künstler ganze 150 (!) Minuten lang mit ihrem Hip-Hop/Soul/Reggae-Mix zu unterhalten. Das liegt daran, dass hier wirklich von A bis Z alles funktioniert und in sich stimmig ist – ein Privileg, das nur die wenigsten Konzerte innehaben! Angefangen vom tollen Klang über gute Musiker an den Instrumenten, gepaart mit zum Glück noch nicht vergessenen, klugen Songs, redseligen Menschen an den Mikros, bis hin zu einem entspannten Publikum – abgerundet durch eine schöne Leinwand, die wie ein Bilderrahmen auf drei Ebenen um die Musiker spannt, mit stimmigen Lichteffekten und netten Videos. Dabei ist es fast schon egal, wie viele Hits sich unter den präsentierten Liedern befinden (und das sind gar nicht so wenige), da ansonsten alle Aspekte, die ein gutes Konzert zu besitzen hat, hinreichend beachtet werden.

Wen man hier gerade am Mikro hört, wechselt sich erfreulicherweise auch noch regelmäßig ab. Neben Frontmann Max und seiner Liebe Joy sind noch alte Wegbegleiter wie Afrob und Megaloh am Start und werden von einer begabten Backgroundsängerin unterstützt. Durch die Vielzahl an Möglichkeiten bietet die Setlist neben Freundeskreis-Songs auch Max Herres Solonummern, einige Tracks von Joy Denalane und den einen oder anderen Klassiker von eben Afrob bzw. Megaloh. Wem das noch nicht genügt, darf sich über kleine, aber feine Samples wie „Push It“ oder „It Takes Two“ freuen. Bei großen All-Time-Favorites wie „Mit dir“, „1ste Liebe“, „Halt dich an deiner Liebe fest“, „Wenn der Vorhang fällt“ und natürlich „A.N.N.A.“ (auf unserem Instagram-Channel genau HIER gibt’s 60 Sekunden aus den vordersten Reihen zu hören und bestaunen) ist die Textsicherheit im gesamten Raum vorhanden.

Freundeskreis stellen unter Beweis, dass sie mit ihrem Alter einiges an Reife gewonnen und nichts an Stimmigkeit verloren haben. Deutscher Hip-Hop kann auch mit richtigen Instrumenten und keinem einzigen vulgären Ausdruck funktionieren. Für einen angenehmen Preis von ca. 50€ ein erstklassiges Programm. Ganz klar ein großes Highlight im Konzertjahr 2018 und WIRKLICH sehenswert.

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=HoeQCQKK_lU

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Foto von Christopher.

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