Idles – A Beautiful Thing: Idles Live At Le Bataclan

Cover von Idles Live-Album "A Beautiful Thing: Live At Le Bataclan"

Es braucht knapp sechs Minuten bis die Hölle losbricht. So lange dauert die erste Hälfte von „Colossus“, dem Opener des aktuellen und zweiten Idles-Albums „Joy As An Act Of Resistance“, an. Der beginnt zunächst ganz reduziert mit Schlagzeug und Bass, steigert dann aber immer weiter Tempo sowie Instrumentdichte. Zum Schluss schneiden zwei Gitarren, Gesang und ebenjene Schlagzeug und Bass durch die Boxen. Anschließend pausiert der Song kurz, bloß um für die letzten zweieinhalb Minuten ein ganz anderes Gesicht zu zeigen. Hier braucht es nichtmal einen Takt bis man gefühlt inmitten des wilden Pogos steht. „A Beautiful Thing: Idles Live At Le Bataclan“ ist der erste Live-Mitschnitt der britischen Punk-Aufsteiger Idles. So fühlt sich Punk Anno 2019 also an.

Den kurzen Verschnaufmoment bevor der Opener so richtig loslegt, nutzt Frontmann Joe Talbot um kurz auf das Reglement des Abends hinzuweisen: „We built this album and (…) this tour on love and compassion. Whatever you do tonight, (…) look after each other, respect each other, show each other how much you love live music. Not aggression, but love and compassion.“ Ironischerweise brüllt der Mittdreißiger nur wenige Sekunden später das Textfragment „I put homophobes in coffins“ gen Menge. Dieser Gegensatz zwischen der einfühlsamen und wütenden Gesichtshälfte des Gesamtkunstwerks Idles zieht sich durch die vollen 84 Minuten der Aufzeichnung, die aus dem legendären Pariser Le Bataclan stammt. Vor „Mother“ spuckt Talbot später ein aussagekräftiges „I am a feminist“ in sein Mikro, singt dann im Song selber aber davon das System würde seine Mutter f*cken und schießt gegen die große konservative Partei Großbritanniens. Das alles findet in friedlichem Rahmen statt. Ihre progressive Haltung packt die Band in Wut, die man wiederum mit Liebe zelebriert.

Gerade dieser strikte, jedoch stets liebenswürdige Ansatz stellt das Quintett momentan über den Punk-Mainstream und macht es damit zu einer der bedeutungsvollsten, wenn nicht sogar der wichtigsten Punk-Band des 21. Jahrhunderts. Dass es sich bei den Idles zusätzlich um eine fantastische Live-Band handelt, setzt dem die Krone auf. Die Energie von Band und Publikum hört man den neunzehn Live-Versionen an. Die titelgebende Zeile schmettern die französischen Fans in „Never Fight A Man With A Perm“ mindestens genauso laut zurück wie die Stimme des Sängers aus den Boxen tönt und auch in den Kernpassagen von „Samaritans“ kleben die Stimmen der vielen Fans wie ein Echo an den Lippen Talbots. Die teilweise auf französisch gehaltenen Ansagen quittiert die Menge genauso mit lautem Jubel wie das Ende aller Songs. Zum Schluss stürmen unzählige Fans zu „Exeter“ die Bühne der Halle, die Band reicht ihre Instrumente weiter und tanzt gemeinsam mit ihren Anhängern. Kurz findet auch das musikalisch Unperfekte Einzug in die Show. Das ist zwar ungeschönt, gibt aber das Chaos, das Idles-Shows umgibt, würdig wieder.

Dass die Idles nämlich nicht nur ordentlich Energie mitbringen, sondern auch fantastisch klingen, ist keine neue Erkenntnis. Die Briten verfügen über einen ausgezeichneten Live-Ruf, dem sie stets 100% gerecht werden. Kein Wunder, dass die Band in der kommenden Woche unter anderem im Londoner Alexandra Palace vor etwas 10.000 Menschen ihr bislang größtes eigenes Konzert spielen wird. Das Konzert war binnen eines Tages ausverkauft. Es könnte deutlich ungeeignetere Bands für ein solch rapides Wachstum geben. Um es mit den Worten der Band auszudrücken „Long live the open minded.

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Die Rechte für das Albumcover liegen bei Partisan Records / Knitting Factory.

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