Nova Twins – Who Are The Girls?

Nova Twins

Von der Diversität, die die Popkultur der 10er-Jahre so maßgeblich geprägt hat, ist die Rockszene aller vermeintlich offenen Parolen zum Trotz auch 2020 noch weit entfernt. Das zeigen Blicke auf Festival-Lineups genau so wie die erfolgreichsten Alben. People Of Colour, LGBTQ*-Menschen oder auch schlicht Frauen finden nur ganz am Rand der öffentlichen Wahrnehmung statt, was auch vielleicht dazu beiträgt, dass die Rockmusik immer weiter in ihrem öffentlichen Ansehen schrumpft, zu einem von weißen Männern getragenen, langweiligen Abziehbild ihrer selbst verkommt. Dem können sich wohl nur wenige mit so viel Strahlkraft entgegenstellen wie ex-letlive.- und nun Fever 333-Frontman Jason Aalon Butler. Neben seinem eigenen Projekt und der Rolle als einer der wenigen People of Colour-Sänger der Rockszene setzt sich Butler nun mit dem neuen Künstler*innenkollektiv 333 Wreckords auch für andere marginalisierte Acts ein. Wie er selbst feststellt, sind die Nova Twins quasi die „Verkörperung seiner Idee“ und als solche eine ziemlich vielversprechende erste Wahl für dieses neue Projekt. Zwei Women of Colour, die sich die veralteten Strukturen der Rockmusik einverleiben, diese durch ihre ganz eigene soziale Brille begutachten, anschließend durch den Fleischwolf drehen und schlussendlich als hochexplosives Gebräu auf die Massen loslassen.

„I’m gonna take your crown“

Ähnlich wie beim Labelchef und seinen Crossover-Kollegen Fever 333 ist das Rezept der Nova Twins so simpel wie genial wirkungsvoll: Während Bassistin Georgia South ihren Viersaiter durch die abstrusesten Soundlandschaften jagt, gibt sich Frontfrau und Gitarristin Amy Love als abgeklärte, zähe Widerstandskämpferin, irgendwo zwischen lässigem Sprechgesang und brachialem Geschrei. An ihrer Songstruktur schrauben die beiden auf ihrem Debütalbum auch gar nicht groß herum, die zehn Songs kommen fast alle schnell auf den Punkt. Produzent Jim Abbiss weiß aus seiner Zusammenarbeit mit Acts wie Adele, Kasabian oder den Arctic Monkeys schließlich, wie wichtig ein lupenreiner Trademark-Sound gerade für den Anfang einer Karriere sein kann. Wenn sich also die pulsierenden Beats des Openers „Vortex“ im ohrenbetäubendem Refrain inklusive Gangshouts und zerdrechselten Gitarren entladen, erscheint das die wohl schlüssigste Untermalung für die anstehende Revolution eines ganzen Genres.

„This is how the Story goes: I am not the Damsel, you are not the hero“

Obwohl sich Love und South per Produzent und Entdecker wieder durch Männer unterstützen lassen, versprüht das Duo wie nur wenige andere den puren DIY-Geist. Die Nova Twins sind ein Gesamtkunstwerk, die Videos besitzen das Zeug zum Popkultur-Eintrag, die Kostüme für diese und ihre Auftritte entwerfen die beiden in Eigenregie, die Schlagkraft der zehn Songs steckt in jedem einzelnen heraus gespuckten Wort, in jedem verfremdeten Element des Good Old Rock’n’Roll. Wie wenig das britische Duo auf Konventionen gibt, wie es zwischen Tom-Morello-Gitarren („Devil’s Face“), Missy-Elliott-Strophen („Not My Day“) und wüstem Metal-Geschrei der Marke Pagan („Lose Your Head“) hin- und herspringt, um am Ende eben doch wieder beim knackigen Nova-Twins-Sound zu landen, ist vielleicht die sinnbildlichste Darstellung dessen, wie Rockmusik in der Postmoderne klingen sollte, klingen muss. Dass sich nicht jeder Song als große Innovation herausstellt – geschenkt. Dafür hätte jeder einzelne das Zeug zum großen Hit, wenn der alte Klops Musikindustrie sich endlich aufraffen könnte, den Kanon zu erweitern. Einzig „Ivory Tower“ nimmt den Fuß vom Gaspedal, quietschende Synthies pinseln diese definitive Dekonstruktion des Patriarchats in bedrohlichen Grau-Tönen an. Die Rockmusik als solche könnte unter diesem Debütalbum erbeben, das Fundament rüttelt gewaltig. There’s a Fever coming: Und dieses strahlt bei den Nova Twins mindestens genau so hell wie bei Butlers eigenem Projekt.

Das Album „Who Are The Girls?“ kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Nova Twins live 2020:

  • 28.03. Goldener Salon/Hafenklang, Hamburg
  • 29.03. Cassiopeia, Berlin
  • 31.03. Arena, Wien [AT]
  • 02.04. Rössli Bar, Bern [CH]
  • 03.04. Dynamo Werk 21, Zürich [CH]
  • 04.04. Kulturclub Schon Schön, Mainz
  • 05.04. Blue Shell, Köln

Rechte am Albumcover liegen bei 333 Wreckords/AWAL-Rough Trade.

 

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