The Carters – Everything Is Love

The Carters Everything Is Love

Na, das sah ja zwischenzeitlich gar nicht gut aus! Hat Jay-Z tatsächlich Beyoncé betrogen? DIESER Typ entscheidet sich dazu, DIESER Frau fremdzugehen? Dazu gehört definitiv ordentlich Mut. Und eine gehörige Portion Selbstverliebtheit. Vielleicht hat er es aber auch gar nicht getan und alles war geschickte PR? Dass man ein so intimes Thema gleich auf zwei Alben („Lemonade“, Beyoncé; „4:44“, Jay-Z) in unzähligen Songs ausschlachtet, ist schon eher fragwürdig. Aber als reichstes Musikpärchen der Welt hat man womöglich keine andere Wahl, außer Dinge so überspitzt zu verarbeiten, dass der Thron nicht wackelt, die perfekte Welt nicht plötzlich zu einer realistischen wird – und vor allen Dingen das Geld nicht ausbleibt.

Wie sehr sich Mr. und Mrs. Carter aber noch lieb haben, soll „Everything Is Love“ unter Beweis stellen. Ja, alles ist voller Liebe, einfach alles. Nach drei Kindern und ein wenig musikalischer Abstinenz, stampfen die beiden zum zweiten Mal gemeinsam für 48 Konzerte in knapp vier Monaten um den Globus und droppen – wie es sich für The Carters so gehört – unangekündigt nach dem fünften Gig ihrer „On The Run II“-Tour ein neues Album. Keine Werbung, keine Vorankündigung. „Das Album ist jetzt auf Tidal“, hieß es letzten Samstag in London auf der Leinwand. Aber nicht irgendein Album, sondern das erste gemeinsame! Das ist definitiv eine kleine musikalische Sensation, wenn auch schon Ewigkeiten erwartet. Wie gut die beiden in Tracks harmonieren, war bereits einige Male zu hören. Egal ob „Deja Vu“, „Drunk In Love“ „’03 Bonnie & Clyde“ oder „Crazy In Love“ – eine Hitdichte kann nicht abgesprochen werden. Wie hoch in guten Momenten dabei der künstlerische Anspruch der Überstars liegt, bewies ganz besonders das Meisterwerk „Lemonade“, das kongenial zeigte, dass Konzeptalben durchaus klappen können. Leider hapert es aber bei dem ersten gemeinsamen Output genau daran gewaltig.

Gerade nachdem um die Fremdgeh-Trennung-Nicht-Trennung-Wer-Weiß-Es-Überhaupt-Story so viel Tamtam gemacht wurde, hätte in einem Album mit dem Titel „Everything Is Love“ genau das zum absoluten Höhepunkt führen können. Stattdessen besticht das Album durch gerade einmal neun Songs, nur 38 Minuten Spielzeit und viel zu wenig Love. Vieles wirkt wie „mal kurz dazwischen geschoben“, als ob Jay-Z und Beyoncé bei den ersten Konzerten gemerkt hätten, dass ein paar gemeinsame neue Tracks nicht schaden und die Setlists aufwerten könnten. Der kreative Erguss ist vergleichsweise lame ausgefallen.

Dabei beginnt die Platte mit „Summer“ echt vielversprechend. Ein total grooviger Beat mit einer sehr kühlen und erotischen Beyoncé. Der Song ist in seiner Sterilität wirklich hervorragend und eignet sich – passend zum Titel – für eine Cabriofahrt mit leichter Brise und teurer Sonnenbrille. „Apeshit“ stellt die erste Singleauskopplung dar, begleitet von einem Video, das im Pariser Louvre gedreht wurde. Hier wird natürlich geklotzt statt gekleckert, aber auch das gelingt. Beyoncé und Jay-Z rappen um die Wette, machen mit derben HipHop-Sounds einen direkten Anlauf auf die Tanzfläche des nächsten Black-Clubs und werden da auch voll mit landen. Generell darf stimmlich Queen B die Platte dominieren, soundtechnisch ist das Album aber 100% Jay-Z. Viel Trap, viel HipHop, wenig R’n’B und gar kein Soul. Beyoncé singt kein einziges Mal so, wie sie es kann und verweilt größtenteils im Sprechgesang ohne Anstrengung oder Esprit. Jay-Z hält sich meist im Hintergrund auf und bleibt mehr Feature. Ab Track drei sind die besten Ideen offensichtlich schon verballert. Gerade der Mittelteil plätschert so an einem vorbei, dass auch nach vier Durchläufen wenig bis gar nichts hängen bleibt. Da können Bläser und Chöre eingesetzt („Boss“) oder old schoolige Beats verbraten werden („Nice“) – das ist einfach so unspektakulär, dass kaum ein Song sich von dem anderen absetzt und ein Feature von Pharrell zwar kurz aufhorchen lässt, aber auch nicht wirklich viel rettet. Wie nervig Monotonie klingen kann, präsentiert „Friends“ mit Stolz. Natürlich hat „713“ eine ganz okaye Hook, aber wer erwartet bei Jay-Z & Beyoncé ganz ok? Eben. Mit „Heard About Us“ leuchtet noch ein kleiner Lichtblick auf, der zwar melodiös gut punktet, dafür aber mit seiner minimalistischen Atmosphäre und Rhythmik fast schon wie ein Interlude klingt. Mit „Black Effect“ und „LoveHappy“ endet das kurze Vergnügen abermals ohne große Auffälligkeit.

Eigentlich verwunderlich, dass dieses Musiker-Duo so gute Tracks wie oben genannt veröffentlicht hat und sich dann mit 38 Minuten B-Seiten-Material zufriedengibt. Worum es bei dieser Veröffentlichung eigentlich geht, wird dadurch deutlich, dass neben „Apeshit“ noch die Bonus-Single „Salud“ parallel veröffentlicht wird, die sich nicht mal auf dem Album befindet. Und siehe da: Thematisch bieten die meisten Songs Geld und Größenwahn. Selbst das Albumcover kommt ohne die beiden Protagonisten daher (Zeit ist ja eben auch Geld) und präsentiert stattdessen zwei Personen aus dem „Apeshit“-Video. Trotz einiger Einfälle verärgert der erste Longplayer von The Carters doch ordentlich und verschenkt unglaublich viel Potenzial. Das nächste Album nehmen wir dann bitte nicht zwischen Kinderstillen, Tourbus und Tidal-Organisation auf und tauschen Kälte gegen Motivation, woll!?

Das Album „Everything Is Love“ kannst du hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=kbMqWXnpXcA

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Die Rechte fürs Cover liegen bei SONY.

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