The National, Amphitheater Gelsenkirchen, 16.06.2022

The National Gelsenkirchen Amphitheater

Wenn sich dieses Konzert ein Attribut redlich verdient hat, dann folgendes: angenehm. Die Sonne scheint, aber sie dampft nicht. Das Publikum hat Spaß, aber es eskaliert nicht. Die Band spielt ein bewegendes Set, aber greift nicht nach den ganz großen Gesten. Anders gesagt: The National zeigen an diesem traumhaften Sommerabend, dass sogar Gelsenkirchen zum wohligen Wohlfühl-Ort für die Indie-Bubble werden kann.

Der sanfte Einstieg

Der Einlass, der Parkplatz, der Merch-Stand, die Verpflegung – ja sogar die Toilettensituation: Das Amphitheater in Gelsenkirchen besuche ich an diesem Tag zum ersten Mal und bin von allen Gegebenheiten erstmal vollkommen positiv überrascht. Und das sollte sich auch beim wichtigsten Punkt – der Bühne und der Situation davor – nicht ändern. Wie es sich für ein Amphitheater gehört laden die hohen Stufen zum Sitzen, Stehen und Tanzen ein, im Graben unten finden aber auch viele Leute Platz. Die Venue ist heute nicht ganz ausverkauft, aber doch angenehm gefüllt, auch wenn es sich die meisten Leute zu Beginn erstmal lieber auf den Stufen bequem machen.

Dort dürfen sie Punkt 19:30 Uhr die Slacker Queen aus Down Under höchstpersönlich begrüßen. Dann betritt nämlich Courtney Barnett samt Band die Bühne und spielt ihren unverkennbar lässigen Sound. Der ist mit dem aktuellen Album „Things Take Time Take Time“ nochmal lässiger geworden und ist damit für Support-Act-Qualitäten schon beinahe zu schlurfig. So ganz will die Stimmung bei der angezogenen Handbremse jedenfalls nicht überschwappen, auch wenn die ausufernden Instrumental-Wände in den Song-Fransen für den meisten Jubel sorgen. „Elevator Operator“ vom Debüt wird so zum Stimmungs-Zenith, was schon viel über die neuen Songs aussagt. Schade, aber trotzdem immer eine Freude, Barnett bei ihrem entnervten Gesang zuzuhören.

Die sanfte Imposanz

Diesen Fehler wollen The National scheinbar nicht begehen und streichen deswegen gleich mal fast alle Songs – außer „Light Years“ aus ihrem aktuellen Album „I Am Easy To Find“ aus der Setlist. Schade, hätten Songs wie „Rylan“ und „You Had Your Soul With You“ vielleicht noch etwas Schwung in die Bude gebracht. So ist der Fokus der Setlist klar auf den drei großen Alben „Trouble Will Find Me“ (5 Songs), „Boxer“ und „High Violet“ (jeweils 4 Songs). Damit fährt das Quintett eine recht ruhige Kugel, sorgt aber doch für die bewegenden Momente, für die hier alle angereist sind.

Die gibt es erwartungsgemäß bei Hymnen wie „Bloodbuzz Ohio“, „The System Only Dreams In Total Darkness“ und „Mr. November“, aber auch in den zarten Momenten von „I Need My Girl“, „Day I Die“ und „Terrible Love“. Matt Berninger ist wie immer sehr publikumsnah, schreitet gleich zwei Mal von der Bühne bis in die obersten Ränge des Amphitheaters und macht die ganze Show noch ein Stück nahbarer und emotionaler als sie ohnehin schon ist. Drei neue Songs werden ebenfalls gespielt, namentlich „Ice Machines“, „Tropic Morning News (Haversham)“ und „Bathwater (Mount Auburn)“, die allesamt recht beatlastig und gleichzeitig melancholisch daherkommen. Man darf gespannt sein!

Zum Finale holt Aaron Dessner die Akustik-Gitarre hervor, mit der er zuletzt Taylor Swift bei ihren Erfolgsalben „Folklore“ und „Evermore“ Unterstützung leistete. Leider folgt nicht das Gänsehaut-Evergreen „Vanderlyle Crybaby Geeks“, sondern „About Today“, weswegen die enttäuschten Fans ersteres noch nach der Show zum Besten geben. Aber ganz ehrlich: Das ist natürlich auch Meckern auf hohem Niveau. Wer gerade die Indie-Institution The National in schönster Kulisse mit ganz vielen Emotionen erlebt, darf sich nicht beklagen. So war der Abend vor allem: angenehm. Im besten Sinne.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Jonas.

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