Buchreview: Drangsal – Doch

Drangsal Doch

Die Musik von Drangsal (bürgerlich Max Gruber) weckt verschiedene Assoziationen: gitarrenlastiger Indierock, New Wave, tanzbare 80’s Popmusik. Auf seinen bislang drei Alben ( „Harieschaim“ / „Zores“ / „Exit Strategy“ ) probierte sich der 28-Jährige an den unterschiedlichsten Genres und entwickelte dadurch seinen musikalischen Stil fortlaufend weiter. Dabei sind es stets die oft kryptischen Texte oder vielschichtigen Lyrics mit breitgefächertem Vokabular, die die Musik von Drangsal von der breiten Masse abheben. Dass solch ein Meister der bedeutungsschweren Worte nun sein eigenes Buch veröffentlicht, ist also nur wenig verwunderlich. Am 9. März erscheint mit „Doch“ das literarische Debüt des Sängers im Claassen Verlag.

Im Gegensatz zu den Büchern vieler anderen Künstler*innen handelt es sich bei „Doch“ weder um einen Roman noch um eine fortlaufende Autobiografie. Stattdessen erwartet die Leser*innen eine Sammlung aus Texten und Gedichten, die allesamt verschiedene Einblicke in die Gedankenwelt des Künstlers geben. Das Erlebnis ist hierbei ein ähnliches wie bei der Veröffentlichung eines neuen Drangsal Songs:

  • Das aufregende Gefühl, die ersten Töne des Intros zu hören, wird ersetzt durch das Auspacken und in den Händen halten des klimaneutral produzierten Hardcoverbuches – die Vorfreude steigt.
  • Die ersten Töne formen sich zu einer Melodie. Das Inhaltsverzeichnis verrät die Titel der insgesamt 24 Texte – das Erlebnis wird langsam real.
  • Der Moment, wenn die ersten Zeilen gesungen beziehungsweise die ersten Worte gelesen werden – ein Aufsaugen von Worten gepaart mit… völliger Verwirrung.

Zumindest erging es mir so beim Lesen des ersten Textes „Die Zunge“ – einem Gedicht über den Wald. Oder Büschen. Oder vielleicht auch etwas ganz anderem. Kurz war ich verunsichert, ob „Doch“ eventuell meinen Horizont übersteigt oder die Texte schlichtweg nicht das Richtige für mich sind. Gemäß des Titels habe ich natürlich doch weitergelesen und versucht, mich konzentriert auf den metaphorischen Schreibstil einzulassen.

Tatsächlich konnte Drangsal mich Text für Text mehr für sich gewinnen, denn schnell fand ich durch greifbare Themen einen besseren Zugang zu seinen Gedanken. So bespricht „Doch“ unter anderem das Gefühl des „Anderssein“ und des Aufwachsens in der Provinz ( „Die Blase“ ), beschreibt in seinen Texten die normale Unnormalität der eigenen Familie ( „Knight Rider oder Himbeer-Toni?“ ) und reflektiert die erste Entdeckung der eigenen sexuellen Vorlieben ( „Schule“ ). Dabei müssen es nicht immer schwerwiegende Abschnitte sein. Auch die Erzählung, wie Drangsal in viel zu jungen Jahren das erste Mal ein Konzert besuchte, oder wie sein bürgerlicher Name Max entstand, bieten in Nebensätzen einen unterhaltsamen Bestandteil des Buches. Natürlich findet sich nicht in allen Kapiteln eine Parallele zu eigenen Gedanken oder Erlebnissen. Viele Texte bewegen sich zwischen Realität und Traumwelt, doch Dank den zerrupften Auszügen seiner Autobiografie baut sich schnell eine enorme Sympathie gegenüber Drangsal auf, die zur Folge hat, dass man mehr und mehr Anekdoten aus seinem Leben in sich aufsaugen möchte.

Mit knapp 200 Seiten hat „Doch“ die perfekte Länge – die Auswahl an Texten bleibt unterhaltsam und wenig repetitiv, der Mix aus Geschichten und Gedichten lockert den Lesefluss, aber trotzdem erzeugt das Lesen eine emotionale Bindung und innere Aufruhr. Wie auch durch seine Musik hat Drangsal mit seinem literarischen Debüt ein Erlebnis geschaffen, auf das man sich einlassen muss, doch genau dieser bizarre Umgang mit bedeutungsschweren Worten ist das faszinierende an Drangsal als Person und Künstler. Nach seiner Musik war ein eigenes Buch daher ein natürlicher nächster Schritt in seiner künstlerischen Weiterentwicklung, die den Horizont seiner Leser*innen erweitern wird.

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Foto von Yvonne Hopfensack.

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