Defeater – Defeater

Defeater - Defeater

Ein alkoholkranker Kriegs-Veteran. Eine heroinabhängige Mutter. Zwei Jugendliche, die sich den ständigen Streitigkeiten ihrer Eltern ausgesetzt sehen. Alleine die Grundsituation, mit der sich die Familie aus Defeaters Nachkriegszeit-Narrativ herumschlagen muss, deprimiert schon. Alle bisherigen Werke der US-amerikanischen Post-Hardcore-Band drehen sich um diese fiktive Familie aus New Jersey an der Ostküste Amerikas. Erst lässt das Quartett um Frontmann Derek Archambault den Mann blutig von seinem jüngeren Sohn erschlagen, dann verstirbt der Ältere ebenfalls durch die Hand des Jüngeren, später die süchtige Mutter an einer Überdosis. Schlussendlich stürzt sich auch der vom Weg abgekommene Bruder in den Tod.

Schon vier Alben lang verfolgt die Band aus Boston diese Erzählstränge und nimmt für jede ihrer Veröffentlichungen eine andere Perspektive ein: Mal ist das die des Vaters, der aus den Kriegsgebieten Briefe an seine daheimgebliebenen Liebsten verfasst („Letters Home“), mal die des flüchtenden schwarzen Schafes („Travels“), mal die des älteren Bruders, der die Geschehnisse verarbeiten muss und schlussendlich selber zum Opfer der eigenen Vergangenheit wird („Empty Days & Sleepless Nights“). Das letzte Album fokussierte dann einen Priester, der vor allem der Mutter Nahe stand und – wie sich im Verlauf herausstellt – der eigentliche Vater des jüngeren Kindes war („Abandoned“). Auch das vierte Studioalbum Defeaters bleibt dieser bedrückenden Erzählung treu und betrachtet die Storyline erstmals nicht nur aus einer, sondern aus verschiedenen Perspektiven.

Die Platte spielt zeitlich zu einem großen Teil vermutlich noch während des Kriegs – das implizieren bereits die ersten Zeilen: „I will be coming back home.“ Auch die immer wieder auftauchende Kriegs- und See-Metaphorik spricht dafür, dass Archambault und co. den Abschnitt des Weltkriegs erneut in den Mittelpunkt stellen. Der Band gelingt es damit ein weiteres Mal mehrere noch unbekannte Charakter in ihre Schilderung einzubauen und die Erzählung damit um eine neue tiefergreifende Ebene zu erweitern. Setzt das Quartett bezüglich des Inhalts auf altbekannte Konzepte, so erwartet einen ebenfalls musikalisch kaum Neues. Im Gegensatz zu ihren Kollegen La Dispute und Touché Amoré fügen Defeater ihrem Sound nicht einen merklichen Anteil ruhiger Momente hinzu und greifen auch nicht auf cleane Vocals zurück. Das vierte Album der Amerikaner bietet wie seine Vorgänger relativ straighten Post-Hardcore, der mal vom Schlagzeug nach vorne getrieben, mal von dessen vertrackten Fill-Spielereien dominiert wird.

Die Gitarren rufen nicht immer nur nach Two-Step und Violent-Dance, sondern dürfen sich im Gegensatz zu der ansonsten recht lautstarken Instrumentation auch mal in Delay und Hall suhlen. Zu diesen etwas melodischeren Stücken gehören „List & Heel“ und „Desperate“ mit ihren wunderschönen Gitarrenlinien. Dem stehen das punkige „Dealer / Debtor“ oder „Atheists In Foxholes“ mit seinem Call-And-Response-Part entgegen, die deutlich mehr auf die Fresse geben. Den hörbarsten Wandel findet man dahingegen in der Stimme Archambaults, der per se gar nicht so viel anders macht, im Mix jedoch zwischenzeitlich fast untergeht. Darüber, ob die fragwürdige Entscheidung die Stimme gleichwertig neben die Musik zu stellen und von der Lautstärke etwas runterzufahren auf die Kappe der Band geht oder auf Szene-Star-Produzent Will Yip zurückzuführen ist, ließe sich nun spekulieren. Fakt ist jedoch, dass das Gebell des Frontmanns zwar zu hören ist, häufig aber nicht auszumachen ist, was genau gerade besungen wird.

Wenn die Band am Schluss in einer Soundkulisse aus Feedback und verzerrten Drumbeats untergeht, bleibt ein Album, das eine bedrückende Storyline fortführt und bei Fans krachigeren Post-Hardcores Anklang finden wird, ansonsten aber kaum Experimente wagt. Würden Defeater sich nicht eh bereits auf einem solch hohen Niveau bewegen, könnte man ihnen das wohl ankreiden.

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Und so hört sich das an:

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Die Rechte für das Cover liegen bei Epitaph Records.

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