Plattenkrach: Soundtrack: Various Artists – Eiskalte Engel (Cruel Intentions)

Eiskalte Engel OST

Der erste Soundtrack im Plattenkrach! Zwar schauten wir vor einigen Ausgaben bereits einmal Richtung Musical, aber für einen Film war bisher kein Platz. Das wird nun durch Christopher und seine Lieblingscompilation verändert. Emilia ist genau in dem Jahr geboren, in dem Eiskalte Engel erschien und zeigt, dass es sich, wie Christopher bereits vermutete, um ein Werk handelt, mit dem man aufgewachsen sein muss…

Christopher über das Thema:

Jede Generation hat ihren ganz persönlichen Kultfilm. Diesen einen Film, den alle gesehen haben – der aber nahezu niemanden interessiert, der fünf Jahre älter oder jünger ist. Ich mit meinem Baujahr 1989 gehöre zu der Gruppe an Leuten, die den 1999 erschienenen Eiskalte Engel gesuchtet haben. Ein Film, den man nicht einfach einmal gesehen hat, sondern mindestens fünf Mal. Einen Film, den man in passenden Momenten zu zitieren hat. Einen Film, bei dem man mindestens eine/n der DarstellerInnen anschmachtet, sich in die Welt hineinwünscht, ein Teil davon sein möchte. Allein für sich als Streifen ist Eiskalte Engel für mich ein absoluter Meilenstein in seinem eigenwilligen Genre-Mix aus Drama, Thriller, schwarzer Komödie und Romanze mit Neigung zum Erotischen. Doch all das wäre nur die halbe Miete gewesen, wenn eine Sache fehlen würde: der schlichtweg sensationelle Soundtrack.

Bei dem Eiskalte Engel-Soundtrack handelt es sich nicht um einen Score, sondern um eine klassische Compilation aus bekannten und unbekannten Songs. Manche Bands waren schon groß, andere wurden groß durch den geschickten Einsatz ihres Beitrags im 97-Minüter. Ein zusammengewürfelter Sampler hat häufig das Problem, das er wie eine Bravo Hits wirkt: eine Anzahl an willkürlich aneinander gereihten Songs, die keinen Zusammenhang zeigen und von denen man manche mag und viele nicht. Das ist auf dem 14 Tracks umfassenden OST anders. Tatsächlich mag ich sogar so weit gehen zu behaupten, dass kein Soundtrack UND keine Compilation bisher so gut war und jemals sein wird, wie dieses Beispiel hier.

Was genau bekomme ich zu hören? Zum Teil Songs, die an niemandem vorbeigegangen sein dürften. Insgesamt ergibt sich beim Hören ein starker Hang zum Britischen. Der Großteil sind auch Künstler, die im Brit-Pop und Brit-Rock angesiedelt sind, abgerundet durch ein paar Amis. Mit dem Opening „Every You Every Me“ von Placebo wird direkt gezeigt, was für eine Qualität einen erwarten kann. Die damals noch relativ unbekannte Band schaffte mit dem Song, der im Vorspann gezeigt wurde, einen großen Sprung nach vorne. Bis heute kenne ich gefühlt niemanden, der den Song nicht mag. Gleiches gilt für das ebenfalls allgegenwärtige „Bitter Sweet Symphony“ von The Verve, das bereits zwei Jahre zuvor ein weltweiter Hit war und an Epik kaum zu überbieten ist. Absolute Gänsehaut und unsterblich. Allein die erste Minute, die instrumental funktioniert, erweckt hinter jedem Auge ein unvergleichliches Kopfkino. Im Film passend beim finalen Showdown zu hören.

So viel zu den ganz, ganz großen Tracks auf der Platte. Aber auch andere Beiträge sollten beim bloßen Namedropping zum Aufhorchen auffordern: Blur, Fatboy Slim, Skunk Anansie, Faithless. Eine gewagte Kombination, die aber überraschend gut klappt. „Coffee and TV“ von Blur ist typischer Brit-Pop, wie man ihn kennt und entweder mag oder hasst; „Praise You“ von Fatboy Slim ist ein Song, der auch heute noch in Indie-Clubs laufen darf. Bockt einfach so richtig und lässt niemanden stillsitzen. Skunk Anansie sind zwar viel zu vielen Leuten auf Anhieb kein Begriff, singt man aber die Hook von ihrem großen Hit „Hedonism“ vor, weiß jeder Bescheid und antwortet mit „Oh, das mag ich voll!“. Genauso empfehlenswert ist deren vertretener Titel „Secretly“, der textlich, instrumental und gesanglich richtig flasht. Faithless sorgen in „Addictive“ für ihre Verhältnisse eher für smoothere Beats, hypnotisieren aber den Zuhörer.

Genau dieses Hypnosegefühl ist insgesamt das, was den Soundtrack so gut macht. Ab und an freut man sich über bekannte Titel und große Bandnamen, dazwischen lässt man sich von Rocksounds („You Blew Me Off“, Bare Jr.), Indierhythmen („Comin‘ Up From Behind“, Marcy Playground) oder sehr lasziven Tracks („Bedroom Dancing“, Day One) verführen. Wer hören will, wie geil ein Basslauf in einem sehr schleppenden, sexy Frauensolo funktioniert, muss dringend „Ordinary Life“ von Kristen Berry anspielen. Wer sich sechs Minuten durch orchestrale und gleichzeitig elektronische Sounds in Depressionen stürzen möchte, ist mit „This Love“ von Craig Armstrong & Elizabeth Fraser bestens bedient – hätte Potenzial für jeden guten Film Noir. Sehr straighte, gute 90s-Pop-Balladen gibt’s bei „You Could Make A Killing“ von Aimee Mann, mit „Trip On Love“ (Abra Moore) sogar fast schon Teenie-Pop – und wer „Colorblind“ von den Counting Crows nicht kennt, verpasst womöglich eine der besten Pianoballaden aller Zeiten. Und das ist definitiv nicht übertrieben. Ein Song für die Ewigkeit. Auch dieses Lied ist in einer der Schlüsselszenen zu hören. Da hatten die Verantwortlichen echt ein Händchen!

Eine Stunde quer durch die Popmusik, die nicht total dem Kommerz verfallen ist, aber dennoch mainstreamig kommt. Auch die Reihenfolge der Songs ist total logisch, was auffällt, wenn man die Titel random hört. Ein Soundtrack eben für Leute, mit einem offenen Musikgeschmack. Eine Compilation, die für mich unantastbar bleibt. Sollte man sie vorher noch nie gehört haben, mag vielleicht nach dem ersten Hören die Frage bleiben „Das war’s jetzt?“ – lässt man sich jedoch richtig drauf ein, entwickelt sich ein Sog. In meiner Generation ist Cruel Intentions (so der Originaltitel) weder als Film noch als musikalischer Beitrag wegzudenken.

Emilia sagt dazu:

Soundtracks sind für mich immer so eine Sache – entweder sie sind super zusammengestellt und passen perfekt zum entsprechenden Film oder zur entsprechenden Serie, oder aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Generell ist für mich diese lose Zusammenstellung von Songs oft schwierig, da die verschiedenen Künstler und die unterschiedlichen Stile zwar Abwechslung in die Platte bringen, meiner Meinung nach aber keinesfalls mit einem geschlossenen Album einer Band mithalten können. Umso gespannter war ich auf den Soundtrack des Films Eiskalte Engel – ein Film der in meinem Geburtsjahr erschien und den ich zugegebenermaßen trotz vieler Empfehlungen noch nicht ein einziges Mal gesehen habe.

Zunächst muss ich sagen, dass ich einige der Songs bereits vorab unabhängig von diesem Soundtrack kannte: Klassiker wie „Bittersweet Symphony“ oder „Every You Every Me“ muss man einfach kennen und lieben. Die meisten anderen Titel des Soundtracks kannte ich allerdings größtenteils noch nicht, ließ mich also überraschen – und war hinterher eher unbeeindruckt. Abgesehen von einigen wirklichen guten Tracks wie beispielsweise „Addictive“ wirkt der Soundtrack auf mich eher lieblos zusammengestellt und auch die einzelnen Titel an sich sind nicht sonderlich aussagekräftig. Vor allem das gelangweilte „Comin‘ Up From Behind“ oder das überlange und an Pathos kaum zu überbietende „This Love“ ließen mich eher einschlafen als mich zu begeistern.

Von kitschigen Lovesongs bis hin zu schweren und melancholischen Stücken ist hier also alles vertreten, was die Filmmusik/Soundtrack-Branche so hergibt – das mag zwar vielleicht ganz gut zum Film passen, kann mich unabhängig davon aber leider wenig überzeugen.

Damit wären wir auch wieder bei meiner Problematik, die ich bereits am Anfang erwähnt hatte. Soundtracks sind ja gut und schön – für mich bleiben sie aber eben genau das: Soundtracks. Und kein Album-Ersatz den ich mir auch unabhängig vom Film anhöre. Da können die Songs noch so gut zusammengestellt sein.

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