Fontaines D.C. – A Hero’s Death

Fontaines D.C.

Kaum vorstellbar, aber gerade einmal 15 Monate sind laut dem Kalender vergangen, seit Fontaines D.C. mit „Dogrel“ eines der wichtigsten Alben des vergangenen Jahres in die Welt setzten. Dass die Iren mittlerweile ganz selbstverständlich in einem Atemzug mit den Idles oder Shame genannt werden, hängt ohne Frage mit dem ambitionierten Vorhaben hinter dem Debüt zusammen. Finstere Post-Punk-Sphären, gesprenkelt mit unmissverständlichen Beats und Frontmann Grian Chattans zwischen Frust und Resignation schwankendem Gestus lockten die Seele zu einem Spaziergang durch das verregnete Dublin. Während die Seismographen hier noch regelmäßig in die Extremen schnellten, wenn die Fans bei all der Energie in rastlose Moshpits ausflippten (wie in Köln), kehrt das Quintett nun dem Lärm den Rücken zu.  Stattdessen heißt es: Bremse ziehen, Luft holen, reflektieren.

Hochmut kommt vor der Neuerfindung

Wie so oft bei den rasanten Hypes der Musikbranche erlagen auch Fontaines D.C. beinahe einem Kollaps. So entstand eine Entfremdung mit der eigentlichen Idee hinter der Band, ein nahezu klaustrophobisches Gefühl bei der permanenten Reise durch die Clubs der Welt. Dass die ganze Welt 2020 eine Zwangspause einlegen muss, kommt den Iren somit vielleicht sogar etwas entgegen. Anstelle sich jedoch einfach zurückzuziehen oder gar aufzulösen, erweitern Fontaines D.C. ihre musikalische Landschaft ganz selbstbestimmt um ein weites Tal. Der Wind rauscht hier leiser, die Instrumente atmen, Chattan übt sich öfter an breitem Gesang. Von den Vorstellungen eines „Dogrel 2.0“ sollten sich die Fans alle besser schnell verabschieden, hatten die Fontaines bereits angekündigt. Und tatsächlich: Nicht alle, die sich letztes Jahr in „Dogrel“ verliebt haben, werden von „A Hero’s Death“ begeistert sein. Wer sich von den repititiven Lyrics und ausschweifenden Arrangements umgarnen lässt, könnte hier aber auch ein ganzes Königreich an der frischen Luft vorfinden.

Ein kräftiger Zug an der Reißleine

Noch mehr als auf dem Vorgänger stellt Chatten seine vier Mitstreiter in den Vordergrund. Dem Wunsch nach neuen Hymnen á la „Big“ oder „Boys in the Better Land“ kommen Fontaines D.C. ganz bewusst nicht nach, auch wenn die Melodien von Tracks wie „You Said“ oder „Living in America“ ähnliche Klassiker-Pillen eingeworfen haben. Stattdessen gibt es überraschend viele Akkustik-Passagen, die jedoch stets einen doppelten Boden haben. In „A Lucid Dream“ dreht sich der Wind so passend zum Text am Ende des Songs gar und die ganze Wucht des britischen Küstenwinds scheint einem entgegenzustürmen. Zwischen verträumtem Wünsch-Träumen in friedvollere Zeiten („Oh Such A Spring“), für dieses Album ungewohnt aufpeitschenden Rythmen („I Was Not Born“) und nahezu pompösen Streicher-Arrangements und sogar kleinen Chören („Sunny“) erstrahlt zunehmend die Introspektive. Dass sich diese nach den auslaugenden Erfahrungen des vergangenen Jahres nicht in freudestrahlendem Selbstbewusstsein äußert, war zu erwarten. Bei den stoisch repititiven Intonationen von Lyrics wie „I don’t belong to any one“ und dem konterkarierenden „Life ain’t always empty“ des Titeltracks ist die innere Zerrissenheit des Quintetts hingegen plötzlich greifbar.

Positivität, Zielstrebigkeit und Hoffnung werden von düsterem Selbstzweifel angenagt, die tief liegende Monotonie und Melancholie tanzen um den Scheiterhaufen des Optimismus. Und doch – „A Hero’s Death“ funktioniert als Befreiungsschlag von einer Industrie, die ihre Wünsche und Vorstellungen an jede*n Akteur*in stellt und diese bei einem Nichterfüllen dieser gnadenlos zerfleischt. Die Reißleine führt zu einem erholsamen, aber auch fordernden neuen Image, das nicht so dringlich, nicht so unmittelbar funktionieren mag wie der Erstling. Gesundes Wachstum führt aber eben langfristig auch zu einem stabileren Wohlbefinden als blinder Erfolgswahn. Lohnenswert wird dieser Weg also nicht nur für Fontaines D.C., sondern auch für Fans sein. Der Held ist tot, lang lebe der Verlierer!

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