James Blunt, Lanxess Arena Köln, 15.03.2024

james blunt köln 2024

What? James Blunt spielt in der Lanxess in Köln? Und einen Tag später noch in der Arena in Oberhausen? Und im Sommer nochmal das Zeltfestival Bochum? Das macht der alles voll? Nein, voll tatsächlich nicht. Am 15.3., einem Freitag, sitzen im Oberrang in der Domstadt vielleicht 100 Leute. Der Unterrang hingegen ist dicht und im bestuhlten Innenraum gibt es auch keine sichtbaren freien Plätze. Das ist somit schonmal ganz ordentlich. Viel wichtiger jedoch: Der gerade 50 gewordene weiß auch nach 20 Jahren immer noch richtig zu begeistern.

Trends haben selten eine lange Haltbarkeitsdauer. Doch James Blunt war einfach 2004 zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Weit vor Ed Sheeran und allen anderen ähnlich klingenden Nacheifer*innen brachte der Ex-Soldat emotionalen Singer/Songwriter in den Mainstream. Heute unvorstellbar, war das tatsächlich eine Facette, die in den Charts fehlte. Gitarren-Pop mit eher persönlichen Texten von Männern, die zeigen, dass es ihnen auch mal schlecht geht. Eigentlich können wir Mr. Blunt dafür durchaus dankbar sein, war das in der ersten Hälfte der 2000er neben Testosteron-Proleten wie einem 50 Cent äußerst edgy.

Aber irgendwann war es dann doch erheblich zu viel. Zu viele Artists, zu viele Songs, zu wenig Weiterentwicklung und – sorry for that – auch einfach ein bisschen zu viel Gejammer. So war nach zwei unglaublich erfolgreichen Alben (Verkäufe: 15 Millionen) und mehreren Hits das Verlangen gestillt und die Abwehrhaltung der Konsument*innen groß. Aber James Blunt macht eben nicht nur Musik für die Welt da draußen, sondern auch für sich. So zieht er seinen Style permanent weiter durch, legt im Herbst 2023 seine siebte LP vor und unterhält zumindest in den Hallen auf den großen Bühnen fortlaufend eine ganz schön ordentliche Fangemeinde.

Die ist ganz interessant zusammengewürfelt. Von Teenager bis bereits in Rente ist hier eigentlich alles dabei. Höchstwahrscheinlich nicht das typische Konzertpublikum, das alle paar Wochen Tickets kauft, eher Radiohörer*innen, die sich eben freuen, wenn „1973“, „Stay the Night“ oder „You’re Beautiful“ mal wieder in der Rush Hour läuft. In zwei Dekaden Karriere haben sich da auf jeden Fall genügend gesammelt, um auch diejenigen in eine Show zu locken, die nicht jedes Album haben, aber den Typen halt irgendwie gut finden. Daran ist selbstredend nichts verwerflich.

Nach einem ganz schön lahmen, aber wohl akzeptablen Opening durch das Trio Tors – drei Brüder aus dem Südwesten Englands, die sehr normalen Indie-Singer-Songwriter-Pop machen – geht es pünktlich auf die Minute um 21 Uhr mit James Blunt los. Der Einstieg mit zwei Songs des aktuellen Albums „Who We Used To Be“ ist ein wenig holprig und etwas schleppend. Doch schon ab dem dritten Titel – „Wisemen“, einer der Singles des Debütwerks „Back To Bedlem“ – entsteht ein richtig warmes, angenehmes Gefühl. Wie ein leckeres Stück Kuchen am Sonntagnachmittag mit einem Latte Macchiato, auf dem der Milchschaum heute besonders fluffig platziert wurde. Hat man schon 1000 Mal verputzt, ist aber trotzdem immer wieder echt yummy und gut für die Seele.

Aber das Konzert des Engländers ist weit aus mehr als einfach nur ein wenig Nostalgie. Die fast 100 Minuten sind Easy Listening der allerbesten Sorte. Die vierköpfige Band hinter ihm spielt super, klingt für Lanxess-Verhältnisse sogar extrem gut, noch viel besser ist aber der Gesang des Headliners. Das muss man nach 20 Jahren erstmal so noch können, ernsthaft! Sehr viele benutzen entweder viel zu oft eine falsche Gesangstechnik, konsumieren zu viele Drogen oder verlieren den Spaß an ihrer Arbeit. James Blunt hingegen scheint von allem das exakte Gegenteil zu machen und trifft mindestens 99 Prozent aller Töne am gesamten Abend. Und die sind bekanntlich für einen Mann ordentlich hoch, in mehreren Registern verteilt und gar nicht so einfach zu singen.

Gesang also top. Arbeit an der Gitarre und am Piano übrigens auch. Zweimal stößt er mit seinem Bein den Klavierhocker weg wie ein Rockstar, was etwas cringe wirkt. Passt jetzt nicht ganz so gut zur Musik. Aber ansonsten ist James Blunt von vorne bis hinten eine so liebenswürdige Person, dass man sich der wunderbaren Atmosphäre in der Halle nur schwer entziehen kann. Er winkt jedem Block einzeln zu, er rennt bei dem einzigen Coversong „Cuz I Luv You“ – im Original von Slade – durch den Innenraum bis ganz nach hinten, nimmt Fans in den Arm und klatscht sie ab. Nach den Fangesängen zu seinem größten Hit „You’re Beautiful“ ist er sichtlich gerührt, sodass seine Moderation etwas zittrig wirkt und seine Augen feucht sind. Wenn Stars nach so langer Zeit immer noch so viel spüren und zulassen, ist das wirklich außergewöhnlich und höchst lobenswert.

Während des Gigs fällt auf, dass es eigentlich egal ist, wie intensiv man ihn im Laufe der Zeit verfolgt hat – an den vielen Hits kann man sowieso nicht vorbei. Neben den bereits erwähnten geht von der 20 Titel umfassenden Setlist „Goodbye My Lover“ mal wieder wahnsinnig tief. Die Version, die er solo am Klavier spielt, ist etwas langsamer als im Studio und setzt neue Akzente. „Stay The Night“ ist ein unbeschwerter Ohrwurm, der nicht nervt, sondern nach so langer Zeit mal wieder richtig gut gefällt. Das elektronische „OK“ mit Robin Schulz wird in einer rockigen Bandversion gespielt, verliert dadurch aber nichts an Spaß. Die zweite Single vom zweiten Album „All The Lost Souls“, „Same Mistake“, moderiert James als seinen absoluten Lieblingssong an, zu dem er sich ein Lichtermeer aus Handytaschenlampen wünscht, was gern von der Crowd umgesetzt wird. Äußerst überraschend trifft die erste Zugabe: „Monsters“ ist eine stark untergegangene Ballade für seinen schwerkranken Vater, den er als besten Freund bezeichnet. Text und Interpretation sind so feinfühlig, dass man automatisch ins Grübeln kommt, wie es wohl mit dem Verabschieden der eigenen Eltern wäre.

Doch neben Songs zum Totheulen gibt es richtig viel zu lachen. James Blunt ist nicht nur sympathisch, nahbar und mutig-gefühlvoll, sondern vor allen Dingen unglaublich lustig. Mehrere Ansprachen macht er auf Deutsch, was nicht hervorragend, aber dennoch ganz gut klappt. Dazu vergleicht er seinen hohen Gesang mit den Lauten von Delfinen und behauptet, dass neben ihm nur noch Mariah Carey solche Töne produziert. Er erzählt, dass er traurige Texte über verflossene Lieben schrieb, es ihm dann gut ging, es weniger traurige Lieder gab, er dann aber Vater wurde und somit erneut traurige Texte schreiben musste. Genau diese Selbstironie, die auch in seinen sensationellen Twitter-Tweets zu finden ist, macht aus einem guten Konzertabend ein sehr gutes Konzerterlebnis. Trotz dieser Größenordnung wird es in Köln intim, kuschelig, umarmend, unterhaltsam und kurzweilig. Und das ist ebendort selten das Fazit.

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Foto von Christopher

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