Queen + Adam Lambert – Live Around The World

Cover vom Queen + Adam Lambert Live-Album "Live Around The World".

Whaaaaat? Eine Veröffentlichung von Queen? Ja, tatsächlich. Nein, darauf ist (zumindest so gut wie) nicht Freddie Mercury zu hören. Nein, es handelt sich somit nicht um ein altes Album, das remastered wurde und auch nicht um bisher unveröffentlichte Songs. Stattdessen gibt es ein Livealbum mit einem anderen Sänger. Nein, der hat nicht die gleiche Stimme wie Freddie Mercury. Ja, das klingt somit anders und ist nicht das Gleiche. Nachdem wir das nun geklärt haben, könnt ihr selbst entscheiden, ob euch der Rest der Review interessiert, denn – Haters gonna hate!

Live Around The World ist die erste Veröffentlichung der britischen Band seit 2015 (den Bohemian Rhapsody-Soundtrack ausgenommen). Das ist in der Tat gar nicht so lang. Tatsächlich gab es aber unter den letzten neuzukaufenden CDs und DVDs stets uralte Auftritte aus den 70ern und 80ern und kein neues Material. Definiert man „neues Material“ als „neue Songs“, liegt der letzte Output bereits zwölf Jahre zurück. „The Cosmos Rocks“ war 2008 das einzige Album, das nicht mit Freddie Mercury sondern mit Paul Rodgers als Sänger ans Tageslicht kam und mit 70.000 verkauften Einheiten so gnadenlos floppte, dass man besser den Mantel des Schweigens darüberlegt. Zum Vergleich: das posthume Freddie-Album „Made In Heaven“ ging 1995 20 Millionen Mal über die Theke, die „Greatest Hits“ aus 1981 bisher 31 Millionen Mal.

Was also nun mit Live Around The World passieren wird, bleibt spannend abzuwarten. Denn, wie bereits erwähnt, entschieden sich die zwei übriggeblieben Original-Queens Roger Taylor und Brian May trotz monumentalem Tiefpunkt zum zweiten Mal für eine Platte ohne Freddie. Seit 2012 steht Adam Lambert als Gastsänger am Mikrofon und hat bis dato mit den beiden Musikurgesteinen über 200 Konzerte in gefühlt jedem Land dieser Welt gespielt. Damit gebührt ihm die Ehre, die meisten Gigs als Nicht-Freddie gemeistert haben zu dürfen. So ganz schlecht scheint der 38-jährige aus Indianapolis, der durch American Idol bekannt wurde – eine Staffel, bei der auch May und Taylor als Gäste mitwirkten –, seinen Job also nicht zu machen. Eigentlich war in diesem Jahr erneut eine große Tour durch Europa geplant, die allein zehn Mal in London halten sollte, die jedoch auf 2021 verschoben werden musste. Ihr wisst schon.

Stattdessen beschäftigten sich Lambert, May und Taylor mit dem Material aus insgesamt acht Jahren Zusammenarbeit und hielten mit YouTube-Videos ihre Fans bei Laune. Irgendwann schienen die Drei aber ordentlich Gefallen an dem gefunden zu haben, was sie da sahen – und beschlossen nun ihre ersten gemeinsamen Silberlinge an den Mann zu bringen. Live Around The World ist demnach so oder so ein kleines Highlight: die erste Veröffentlichung mit Adam, generell die erste seit fünf und das erste neue Livematerial seit elf Jahren. Hat man also den Gedanken zugelassen, dass Freddie nun wirklich seit fast 30 Jahren tot ist und auch wahrscheinlich nicht mehr wiederkommt, sollte man als Queen-Anhänger einen Blick wagen.

Live Around The World – je nach Belieben als CD, Vinyl oder CD mit DVD bzw. Blu-Ray erhältlich – verrät schon beim Namen, was im Inhalt steckt. Lambert, May und Taylor wühlten sich durch diverse Highlights ihrer Tourneen und haben ein buntes Potpourri für Herz, Auge und Ohr zusammengestellt – ganz ohne Neukompositionen, die sowieso niemand braucht. Letztendlich handelt es sich bei der Setlist um Songs aus lediglich neun Konzerten. Ganz so viel Diversität ist also dann doch nicht, was aber keine zu große Rolle spielt. Dass es sich aber eben um einen Mix aus unterschiedlichen Shows handelt, mildert zumindest das Konzertfeeling im Wohnzimmer etwas ab, da ständig Kostüm, Bühnenaufbau und Fans wechseln und sogar wild zwischen Indoor und Open Air geswitcht wird. Ob einem diese Form besser gefällt oder man ein Konzert am Stück bevorzugt, ist wohl Geschmacksache.

Weniger Geschmacksache ist die Songauswahl – und die ist bis auf Kleinigkeiten wirklich vorzüglich. Was soll man aber auch als eine Band wie Queen groß falsch machen? Spielt man Hits, bekommt der Zuhörer auch Hits. Und zwar keine Hits, die nur Fans kennen, sondern Hits, die jeder Mensch aus jeder Generation kennt, was auch gut so ist. Auch nach mehreren Dekaden zählen Nummern wie „Bohemian Rhapsody“, „Radio Ga Ga“, „We Will Rock You“, „Crazy Little Thing Called Love“, „Under Pressure“, „Don’t Stop Me Now“ und „Somebody To Love“ zu absoluten Meilensteinen der Popgeschichte, die kompositorisch alle Register ziehen. Selbst wenn einem der oft theatralisch-dramatische Aufbau nicht gefällt, darf man hier nicht meckern, da das Können in der Konsequenz und Qualität kaum nachgemacht oder gar geschlagen wurde.

Und trotzdem gibt es bei der Tracklist etwas zu nörgeln – nämlich die Quantität. 80 Minuten CD sind ordentlich, 98 Minuten DVD nicht so sehr. Jeder Auftritt der Band geht länger, warum hält man sich dann bei einer Zusammensetzung aus vielen Gigs so kurz? Dementsprechend sind einige Songs leider hinten herübergefallen. „I Want It All“, „Killer Queen“, „Bicycle Race“, „Tie Your Mother Down“ oder „One Vision“ wurden zigfach auf den Tourneen gespielt und hätten problemlos Platz gefunden, um so die zwei Stunden vollzukriegen. Enttäuschend! Dafür sind auf der CD und DVD bis auf das Drum-Battle zwischen Taylor und seinem Sohn und das E-Gitarren-Solo von May immerhin die gleichen Tracks zu finden, sodass der Fernseher das gleiche Programm bietet wie die Anlage im Auto.

Wobei… der größte Kritikpunkt ist eine unangenehme Überraschung: der Sound! Gerade auf der Audio-CD ertappt man sich dabei, permanent lauter zu drehen, da gefühlt nichts knallt. Wo ist der Bass, wo sind die Drums? Wer hat das denn gemischt? Bei einer Produktion dieser Größenordnung erwartet man einen lupenreinen Klang, bekommt aber leider ein wenig Brei. Hier mal Adams Stimme zu leise, da die Fans zu laut, permanent aber die Bässe und Drums gefühlt nicht anwesend. Als Beispiel diene die bekannte Hook in „Another One Bites The Dust“. Da will man doch etwas anderes.

Beim Videomaterial fällt der Punkt weniger ins Gewicht. Stattdessen kann man sich an der immer noch anhaltenden Spielfreude Mays und Taylors erfreuen, die beide auch bereits über 70 Jahre auf dem Buckel haben und dennoch voll abliefern. Lambert schafft den perfekten Grat zwischen „möglichst nah am Original und den Songs gerecht werden“ und seinem eigenen Stil. Kommen wir somit also zum positivsten Merkmal: die Gesangsleistung. Für alle, die es immer noch nicht gemerkt haben, sollte allerspätestens jetzt kein Zweifel mehr bestehen, dass Adam Lambert zu den besten Popsängern der Welt zählt. Was er hier abliefert, ist nicht weniger als 1+ mit Doppelstern. Jede Koloratur, jeder noch so hohe Ton, jede noch so emotionale Passage gelingt ihm mit Treffsicherheit und Leichtigkeit. Man möge dazu einfach mal in „Under Pressure“, „The Show Must Go On“, „Who Wants To Live Forever“ und die gänsehauterzeugende Interpretation von „Love Kills“ hineinhören. Wahnsinn. Ansonsten setzen die Musiker aber auf klassische Shows und verzichten auf Tamtam. Der ist bei den Songs auch schlichtweg nicht nötig. Stattdessen gibt es aufwendige Lichter, eine große Videowand in Q-Form, die ab und an auch Freddie zeigt, bei „Fat Bottomed Girls“ eine Horde Cheerleaderinnen, die alles andere als „Fat“ sind, eine angestrahlte Discokugel und viele huldigende Fangesänge. Genug.

Mit Live Around The World liefert eine der zehn erfolgreichsten Bands aller Zeiten endlich ein Livealbum mit ihrem perfekt gecasteten Sänger Adam Lambert in genau dem richtigen Moment. Dass immer noch großes Interesse an den Briten besteht, zeigt nicht zuletzt der kürzliche Erfolg des Films Bohemian Rhapsody. Als Überbrückung für die Fans taugt die Platte einiges, hätte aber noch besser und umfangreicher werden können. Das Zusatzmaterial fällt gänzlich aus. Am Ende der DVD steht dafür die originale Tracklist des bekannten Live Aid-Auftritts aus 1985, endend mit „We Are The Champions“, aufgeführt im Februar 2020 in Sydney kurz vor dem Lockdown. „And we’ll keep on fighting till the end“. Worte, die auch 43 Jahre nach dem ersten Erklingen, im Kopf bleiben und gebraucht werden.

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Und so hört sich das an:

Queen: Website / Facebook / Instagram / Twitter

Adam Lambert: Facebook / Twitter / Instagram

Die Rechte des Covers liegen bei UNIVERSAL.

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