Sam Smith – Gloria

cover sam smith gloria

Erneut lohnt es sich, eine Review über Sam Smith mit einem Zitat zu beginnen: „Have you ever felt like being somebody else? Feeling like the mirror isn’t good for your health? Every day I’m trying not to hate myself, but lately it’s not hurtin‘ like it did before, maybe I am learning how to love me more.“ Abermals startet alles mit einer unglaublich starken Punchline, die gleich als Aushängeschild für das gesamte Album gilt. Willkommen zur 4. Runde Sam Smith, das ist Gloria.

Es ist einfach eine wahre Freude zu beobachten, wie sich der queere Artist aus UK immer ein Stückchen weiter an der harten Schnur namens Leben entlanghangelt, hin und wieder einknickt, struggelt, aber sich doch vorm Verlieren stets rechtzeitig rettet. Nach dem Outing als non-binäre Person und dem „Ich muss euch jetzt mal was mitteilen“-Longplayer Love Goes, der in vielen Teilen doch ziemlich gelungen ist, setzt Gloria rund 27 Monate später genau da an, wirkt aber hörbar gereifter und – und das ist das Schönste – nochmal ausgeglichener.

Das unterstreicht auch Sams Auftreten auf seinen Social-Media-Kanälen. Da ein Bild nur im Bikinihöschen auf einem Boot, ein paar Klicks weiter wird ein rosa Plüschmantel oder ein silbernes Paillettenkleid getragen, dann wieder stilvoll im einem gelben Jackett flaniert. Ganz nach der Haltung „Wenn alle anderen sowieso nicht richtig checken, was in mir vorgeht, kann ich auch gleich auf andere Meinungen scheißen“ wirkt alles plötzlich so sympathisch unperfekt und ungestellt.

Der geplatzte Knoten verwandelt sich aus Bildern und Outfits in Sounds. Gloria ist nicht nur im Klang das Diverseste, was Sam bisher in Tönen verpackt hat, sondern dazu noch echt hitverdächtig. Keine der 13 Nummern inklusive zwei Interludes muss geskippt werden, maximal zwei Mal gerät man qualitativ ins Mittelmaß. Ansonsten ist ein inneres wie äußeres Gleichgewicht gefunden, denn noch nie klang das Talent so optimistisch.

R’n’B, Soul, Pop, Dance, 90s-House, Latin, Hyperpop, Singer-Songwriter und sogar ein gregorianischer Choral – für 33 Minuten Spielzeit ist das mehr als nur ein volles Paket. Und genau hier liegt eigentlich auch der einzige wirkliche Knackpunkt: Die Spiellänge. Leider sind 33 Minuten mittlerweile keine mickrige Ausnahme mehr, aber selten gab es gleich bei mehreren Songs das Verlangen, mindestens noch eine Minute jeweils von ihnen mehr hören zu dürfen. Besonders auffällig ist das wirklich fantastische, super berührende Akustikwerk „How To Cry“, das einfach alles mitbringt, was Sam Smith ausmacht (Sensationelle Hook: „‚Cos nobody told you how to cry, but somebody showed you how to lie“) – nur dann Spotify-like unbedingt nach dem zweiten Refrain enden muss, sich aber nicht auserzählt anfühlt. Selbiges Phänomen obliegt dem fantastischen Finale mit Ed Sheeran als Feature. „Who We Love“ klingt schon im Januar nach einem der Hits des Jahres. Macht zwar Ed Sheeran es mittlerweile eh mit jede*r, war die Symbiose aus ihm und eine*r weiteren Sänger*in noch nie so stimmig. Aber auch hier ist nach 2:42 Minuten Feierabend statt nach verdienten 4:20.

„Unholy“ stellte 2022 die Welt auf den Kopf und ballerte mit seinem wahnsinnig stimmig produzierten Beat und dem spannenden Feature durch ein weiteres queeres Idol, Kim Petras, einfach so gut, dass es zum Megahit avancierte und sich kaum abnutzt. In eine ähnliche, nur groovigere Atmo geht „Gimme“ mit Koffee und Jessie Reyez, bei dem man spontan in eine Großraumdisse im Jahr 2005 geschleudert wird. Damals, als Acts wie Sean Paul und Kelis das Zepter in der Hand hielten. Ein ganzes Jahrzehnt weiter nach hinten springt „Lose You“. So housig und 90s war Sam Smith noch nie. Passt toll. Jessie Reyez darf übrigens gleich zweimal ran. In dem downigen, melancholischen R’n’B-Track „Perfect“ ist das Match von Beiden noch stimmiger. Denkt man dann, man hätte alles gehört, wird der nicht mal zwei Minuten lange spirituelle Titeltrack „Gloria“ zu großen Teilen von einem Choral getragen. Die Person, die sich auf dem Cover des Albums befindet, singt lediglich Adlibs und ein paar Phrasierungen. Alles ein wenig Extravaganza, aber im postiven Sinn.

Sam Smith ist auf seiner vierten LP unglaublich kreativ, nicht so sehr auf gefallen aus und wird wahrscheinlich genau deswegen erst recht gefallen. Gloria ist bis auf zwei weniger inspirierte Titel („No God“, „Six Shots“) die volle Bandbreite und macht in gleichen Teilen Spaß wie nachdenklich. Dürften jetzt einige Kompositionen etwas mehr atmen, würde das volle Punktzahl bedeuten. Gut bleibt aber natürlich trotzdem gut.

Und so hört sich das an:

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