Tapas und Merlot: Ein Podcast von Musikliebhabern für Musikliebhaber*innen

Der neue Podcast für Musikliebhaber*innen: Tapas und Merlot.

Dass Praktikum-Buddies lange und vor allem kreative Freundschaften verbinden können, zeigen fortan nicht mehr nur Zugezogen Maskulin. Lernte sich die Berliner Rap-Gruppe unter Aufsicht Marcus Staigers in der Redaktion des Online-Mediums rap.de kennen, so begegneten sich die zwei Protagonisten dieses Textes in leicht anderem Setting: Im halbjährlichen Praktikum der Alternative-Zeitschrift Visions. Die wird vorrangig gedruckt verkauft statt mit knackigen Headlines im Netz für Aufmerksamkeit zu sorgen und beschäftigt sich eher mit verzerrten Gitarren als mit knalligen Beats und gespitteten Rhymes. Offener als sein Ursprung im häufig konservativen Rock sowie Print-Journalismus vermuten lassen würde, gestaltet sich der Horizont des Mediums, das nun umfassend vorgestellt werden soll: Der Tapas und Merlot-Podcast der beiden Musikjournalisten Jakob Uhlig und Julius Krämer, ebenjener zwei Kerle, die sich damals erstmalig in der Visions-Redaktion über den Weg liefen.

Das Konzept des seit dem Januar dieses Jahres monatlich erscheinenden Podcast-Formates ist so einfach wie ausgefuchst: Jede Folge fokussiert sich auf ein Album, das die beiden Journalisten für interessant befinden. Darunter bislang Platten von Bilderbuch, Heisskalt oder Touché Amoré. Zusätzlich nehmen die zwei Musikquerdenker genau diese behandelten Werke vor dem Hintergrund eines größeren Kontext, einer offeneren Fragestellung in die Mangel, diskutieren verschiedene musikwissenschaftliche Positionen und berichten von Erfahrungen mit den Werken sowie Künstler*innen. Dabei spielt die persönliche Geschichte der zwei Podcaster eine größere Rolle, als man zunächst erahnen würde.

Vom gemeinsamen Schreibtisch an das Mikrofon

Knapp drei Jahre ist es her, seitdem sich die damals 20-Jährigen im März 2017 erstmalig in den Räumen der Dortmunder Visions-Redaktion begegneten. Uhlig und Krämer finden schnell den Anschluss zu- und miteinander. Gleich eins der ersten Gespräche der passionierten Musiknerds dreht sich um die persönliche Rezeption der aktuellen Platte einer gemeinsam geliebten Band: Bring Me The Horizons „That’s The Spirit“. Als Aufhänger dient ein Hoodie mit dem Logo der Gruppe, den Uhlig am ersten Arbeitstag trägt. Anschließend verbringen die beiden ein halbes Jahr so viel Zeit zusammen, wie sonst nur enge Freunde: Sie arbeiten zusammen, teilen sich den Schreibtisch und wohnen in derselben Gegend der Ruhrmetropole. Neben der Liebe zur auditiven Kunst verbindet die zwei außerdem das Fach, das damals beide studieren: Musikwissenschaften. Was denn auch sonst? 

Im Anschluss an das Praktikum in Dortmund ziehen die beiden wieder zurück in ihre (Wahl-) Heimaten. Die inzwischen enge Freundschaft sowie Liebe zur Musik leidet darunter nicht. Auch wenn Krämer mittlerweile sowohl von Bonn nach Münster als auch den Studiengang wechselte, so ist er den Kulturwissenschaften zumindest zur Hälfte treu geblieben. Uhlig studiert noch immer im schönen Hamburg die schönsten Melodieläufe und avantgardistischsten Kompositionen der Welt. Nebenbei betätigen sich die Kreativköpfe als Schreiberlinge und Strippenzieher in Medien wie Album Der Woche, Musikexpress und – na klar – dem Visions-Magazin. Julius Krämer ist zudem Live-Musiker, Jakob Uhlig an anderer Stelle bereits Podcaster. 

Die Lebensläufe der beiden konstituieren bereits die Perspektiven, die in den bislang vier Folgen Tapas und Merlot eingenommen werden: Uhlig gräbt sich gerne tief in philosophische Ansätze, während Krämer seiner Praxiserfahrung Raum gibt. Zu abstrakt werden die zwei Podcaster trotz des in Krämers Worten „mega verkopften akademischen Blickwinkel(s)“, den man zum Teil an den Tag legt, nie: Auch wenn man sich mal in tiefgreifenden Diskussionen über das Verfasser-Kunst-Verhältnis von Musik verliert, so nimmt man dabei doch immer auch die Position eines Fans ein. „Wir sind im Endeffekt auch nur zwei Vollidioten, die Musik geil finden“, erklärt Krämer im Gespräch. Gerade deshalb trifft das Projekt einen Nerv: Der Podcast bringt die Tiefe der Musikwissenschaft mit der Begeisterung des Fantums zusammen, ohne dabei zu sehr in die beiden Welten einzutauchen. Der Verständlichkeit der Inhalte tut das nur gut.

Aller Anfang: Bring Me The Horizon

Wie viel Raum die Leidenschaft für Musik in der gemeinsamen Freundschaft einnimmt, offenbart sich neben den fundierten Kenntnissen, die die 23-Jährigen einbringen, auch in der Begeisterung für die Kunst, die die zumeist anderthalbstündigen Folgen durchzieht. So kommt schlussendlich knapp zwei Jahre nach dem ersten Zusammentreffen auch die Idee für Tapas und Merlot auf: Der räumlichen Entfernung wegen verlagern Uhlig und Krämer ihren Nerd-Talk nach ihren Dortmunder Tagen in ausführliche Sprachnachrichten, die schlussendlich zu nahezu einstündigen Monologen ausarten – die Idee den Monolog in einen Dialog zu verwandeln und als Podcast zu veröffentlichen ist geboren. Bereits im März 2019 kommen die beiden dafür in Julius Krämers Heimat Wuppertal zusammen. Sie haben eine gute Zeit, stechen sich Ohrlöcher, spielen Yu-Gi-Oh! und sprechen über die erst kürzlich erschienene Bring Me The Horizon-Platte „Amo“. Nebenbei läuft die Aufzeichnung. Die britische Rock-Band steht also nicht nur am Beginn ihrer Freundschaft, sondern auch ihres gemeinsamen Podcasts.

Dieser erste Gehversuch – die mysteriöse Pilotfolge – wird jedoch nie das Licht der Welt erblicken, weil das Projekt zunächst im Sand verläuft. Bevor das Kind einen Namen bekommt und die erste richtige Folge von Tapas und Merlot erscheint, dauert es noch ein Dreivierteljahr. Als dann im Januar 2020 die ausführliche Auseinandersetzung mit Heisskalts Meilenstein „Vom Wissen Und Wollen“ erscheint, fallen die Reaktionen positiv aus: die Band selber ist begeistert und legt die Folge ihren Fans ans Herz und auch andere Musikfans lauschen den intensiven Gesprächen der beiden angeregt. Uhlig erzählt aufgeregt: „Ein gemeinsamer Kumpel, mit dem wir uns vor Corona noch in einer Kneipe getroffen haben, hatte eine ellenlange Liste mit Notizen, was er alles mit uns diskutieren möchte.“ Das Konzept scheint aufzugehen.

Von Underground-Feuilleton und persönlicher Ebene

So sehr die Chemie und Biografien der Journalisten den Podcast definieren, so sehr färbt deren musikalische Sozialisation die in ihm behandelten Themen. Sowohl Jakob Uhlig als auch Julius Krämer hegen einen engen „Szene-Bezug zur Gitarrenmusik“. Trotz ihres Fokus auf Sechssaiter ist es den zwei dabei gleichwohl wichtig, sich stilistisch offen zu halten. Geschlossen sind deren Geschmäcker nämlich bei weitem nicht: Der Hamburger Uhlig hat neben der Liebe für Punk-Rock ein Faible für die Avantgardemusik des 20. Jahrhunderts und Krämer ein Herz für Hip-Hop. 

Gerade von der Podcaster-Szene der Rap-Landschaft möchten sich die zwei etwas abgucken. Krämer erklärt: „Wir hatten das Gefühl, dass es super viele Hip-Hop-Podcasts gibt, die echt geil sind, aber es in Gitarrenmusik nur kleinere und auch qualitativ nicht so hochwertige gibt, die krassen Deep-Talk abhalten.“ Dabei ist es den 23-Jährigen wichtig, auch solchen Artists eine Plattform zu bieten, die sonst kaum Würdigung bekommen. Sie bezeichnen ihr Format deshalb auch als „Underground-Feuilleton“ – die Auseinandersetzung mit dem Medium Musik findet so tiefgreifend statt wie in hochklassigen Kultur-Blättern, die behandelten Themen bleiben jedoch zumeist spartig und dem Mainstream fern. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich die beiden eine Stunde lange mit dem Debütalbum der Newarker Hip-Hop-Formation Ho99o9 (gesprochen: Horror) beschäftigen und dabei sezieren wie viel Punk in dem Sound des Duos und anderen Szene-Mitstreitern steckt – so geschehen in der zweiten Tapas und Merlot-Ausgabe.

Ob am Anfang neuer Episoden zuerst die behandelte Platte oder die übergeordnete Thematik feststeht, schwankt von Folge zu Folge. Es kommt auch durchaus vor, dass Hörer*innen mit Vorschlägen um die Ecke kommen, die dann flugs in neue Gespräche transformiert werden. Die aktuelle Folge des Podcasts beschäftigt sich deshalb mit „Schick Schock“, dem Durchbruchwerk der österreichischen Indie-Pop-Heroen Bilderbuch. Erstmals schallt währenddessen auch eine dritte Stimme aus den Boxen oder Kopfhörern: Mit Zebo Adam, dem Produzenten des Albums, lassen Uhlig und Krämer zum ersten Mal auch einen Gast zu Wort kommen. Für die Zukunft des Podcasts möchten die beiden ähnliche Formate nicht ausschließen, wollen die Angelegenheit aber zunächst ohne Masterplan angehen und vorrangig zu zweit auftreten. Denn: „Bisher hat sich das ganz gut bewährt.“

Selbst wenn Uhlig und Krämer der Inhalte und nicht ihrer spannenden Personas wegen gefallen möchten, so zieht sich die gemeinsame Historie durch alle Ebenen des Podcasts. Sie bestimmt dessen Ausrichtung, Perspektiven sowie die Themenauswahl. Und sie lässt immer wieder humorvolle Unterhaltungen entstehen. Auch im Gespräch mit den Journalisten scheint die Chemie, die zwischen ihnen herrscht, durch – sei das in ausschweifenden Gesprächen über Einkäufe, Busreisen und Musik oder gegenseitige Lobpreisungen. Tapas und Merlot bleibt trotz seines inhaltlichen Anspruchs nämlich immer noch das Projekt zweier Freunde, die ihrer Leidenschaft aus Gefallen an der Sache nachgehen. 

Dass der Podcast für sie ein echtes Herzensprojekt ist, erkennt Uhlig offen an: „Ich habe in den letzten Monaten viel schönen Scheiß gemacht, aber habe an wenig so viel konstante Freude wie an dem hier.“ Hoffentlich können die beiden sich diese Begeisterung erhalten. Ohne deren besondere Verbindung, dem damit einhergehenden Feuer und den weitreichenden Kenntnissen wäre die ganze Angelegenheit nämlich nur halb so spannend. Aus den zwei Fremden, die sich damals im Praktikum begegneten, sind Freunde geworden und aus dieser Freundschaft ist wiederum ein toller Podcast erwachsen. So möge das ähnlich viele Früchte tragen wie die Karriere der Wahl-Berliner Zugezogen Maskulin.

Den Podcast gibt es auf SpotifyApple MusicDeezerTuneIN und Anchor.fm. Auschecken!

Jakob Uhlig im Internet: Instagram

Julius Krämer im Internet: Instagram

Die Rechte für das Beitragsbild liegen bei Tapas und Merlot.

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