The Guilt – New Knives

Tanzen war schon immer eine wirkungsvolle Waffe der Revolution. Und wenn ein Album in den AZs der Welt noch jedes Tanzbein zum Schwingen bringen könnte, dann mit ziemlicher Sicherheit „New Knives“. Mit ihrem ungestüm zuckenden Lazerpunk-Entwurf reist das schwedische Duo schon seit 2012 über die kleinen Bühnen des Kontinents und setzte mit dem Debüt „The Guilt“ 2017 eine Funken sprühende Discokugel in die Welt. Ihren eigenen Trademark-Sound aus dem kompromisslosen Drumcomputer, störrischen Riffs und Emmas Reibeisen-Stimme hatten sie dort bereits ausformuliert. „New Knives“ ist nun das tanzbarere, aber auch gesellschaftskritischere nächste Kapitel.

„I wasn’t born a Lady, I was born to make new Knives“

Die allerersten Assoziationen machen erstmal stutzig und lassen sich nur schwer mit den Pressebildern des Duos vereinen: „Enemy“ vertraut auf Synthies, die direkt aus der tiefsten Eurodance-Schublade gekramt sein könnten, kleistert darüber aber Emmas raue Stimme. Kaum hat man sich an diese elektronischere Ausrichtung des neuen Albums gewöhnt, hören die Hits gar nicht mehr auf aus den Lautsprechern zu donnern. Dabei klingen mal Riot-Grrrl-Helden wie Sleater-Kinney (in ihrer Punk- aber auch ihrer aktuellen Pop-Version!) an, mal lächeln Blondie im Hintergrund, dann erinnert Emma an Blümchen, wenn diese Gesangsunterricht bei Pagans Nikki Brumen genommen hätte. Am nächsten kommen dem doch recht sperrigen Sound aber wohl die Reformerinnen von Le Tigre und auch die mittlerweile leider aufgelösten Prada Meinhoff. Wie der Titelsong mit knatternden Bässen demonstriert, stehen The Guilt bei all der Tanzbarkeit ähnlich wie ihre Vorbilder vor allem für eine kompromisslose Dekonstruktion jeglicher Geschlechtsstereotypen ein.

Zwischen Schlagstock und Konfetti

Ob mit pulsierenden New-Wave-Beats gegen den grauen 9-to-5-Job („At the Office“), mit zerfetzenden Blastbeats für die Neuverteilung von Gewaltpotential, kantigen Ansagen gegen das dämliche Gesellschaftsbild der harmonischen Beziehung („You & I“) oder definitiven Thesen á la „I’m not judging ‚cause I don’t have the education („I Have No Invitation“), die der Vorherrschaft des weißen Mittelklassenmannes auf den Grund gehen: Sinnentleerter Hedonismus macht um dieses angepisste Duo einen großen Bogen. Über weite Strecken steht Emmas kräftige und wandelbare Stimme im Zentrum, doch gerade im Endspurt gewinnt das Kollektiv auch im Gesang an Kraft, sowohl im zuckenden „Stick to Your Guns“, als auch im elektronisch sanften „Beige and Contagious“ oder dem unnachgiebig pessimistischen „Nobody Likes You“ lauern Gangshouts auf hingebungsvolle Fangesänge. Auch wenn die Clubs der Welt erst einmal die Luft anhalten müssen: Was sich bis zum Ende der Corona-Krise bei jedem weiteren Hördurchgang dieses Ungetüms an unkontrollierbarer Ekstase ansammelt, wird sich mit dem ganz großen Getöse entladen.

Und so hört sich das an:

Website / Facebook / Instagram

The Guilt live 2020:

  • 27.03. Treibsand, Lübeck
  • 28.03. Molotow, Hamburg
  • 07.04. Sonic Ballroom, Köln
  • 09.04. Kling Klang, Wilhelmshaven
  • 11.04. Alte Hackerei, Karlsruhe
  • 16.05. Heart Attack Festival, Kassel

Rechte am Albumcover liegen bei Heptown Records.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.