The Rasmus, Live Music Hall Köln, 27.10.2022

Die Retrowelle schlägt weiterhin hoch. Es muss ja auch nicht immer gleich was Neues sein. Stattdessen lässt man seine Jugend wieder aufleben und hat für einige Minuten das Gefühl von damals. Immer häufiger können auch 2000er-Bands von der Nostalgie ihrer Fans zehren. Darunter auch die finnische Gruppe The Rasmus.

So so! Die sind also auch weiterhin aktiv? Ja, und haben tatsächlich sogar nie aufgehört. Stattdessen gibt es die Band rund um Sänger Lauri seit fast drei Dekaden. 1994 war der Frontmann zarte 15 Jahre jung. Auch Bassist Eero ist damals schon am Mitzocken. Das Debütalbum „Peep“ startet 1996 ungewöhnlich stark in Finnland und macht aus der ersten Platte direkt eine goldene. Sieben Jahre lang lässt man das Publikum national wachsen, bis man auch international durchstarten möchte.

Und das hat bekanntlich auch ziemlich gut geklappt. Mit „In The Shadows“ landen The Rasmus 2003 einen der fettesten Ohrwürmer des Jahres, der auch heute noch in den Köpfen hängengeblieben ist. In ganz Europa steht die Single in den Top 10, in Deutschland sogar auf der 1 und verkauft sich insgesamt über eine Million Mal. Man hat zwar in der Heimat bereits einige Male die Spitze gesehen, aber wenn das plötzlich auch woanders funktioniert, ist das selbstredend eine ganz andere Liga.

Drei Alben und fünf Jahre lang ist in diversen Ländern richtig was los. Neben Finnland sind besonders Deutschland, die Schweiz und Österreich von dem melodiösen Rock angetan, sogar mehr als die skandinavischen Nachbar*innen. Doch dann geht es wieder zurück zu den Anfängen. Zwar liefern The Rasmus nach 2008 alle paar Jahre Longplayer, doch an denen sind nur noch die Hardcore-Fans interessiert.

2022 ist das plötzlich etwas anders. Das mag einerseits daran liegen, dass die Zielgruppe die alten CDs hervorkramt und nach einer längeren Ruhepause wieder richtig Bock drauf hat, andererseits hat jedoch ein nicht ganz unbedeutender TV-Auftritt dafür gesorgt, dass man das Quartett plötzlich wieder auf dem Schirm hat: Mit „Jezebel“, der ersten Single zum neuen Album „Rise“, durfte man Finnland beim Eurovision Song Contest 2022 vertreten. Das lief zwar gar nicht so gut, schaffte man am Ende nur Platz 21 – aber es reichte in jedem Falle für ein „Ach, die gibt’s ja auch noch?“.

Knapp ein halbes Jahr später versammeln sich Liebhaber*innen in den Konzerthallen des Landes – und das gleich sechs Mal plus einmal in der Schweiz und einmal in Österreich. Das ist gar nicht so wenig. Am Ende sind nicht alle Konzerte ausverkauft, aber dafür so gut wie. So auch die Live Music Hall in Köln, die am 27.10., einem Donnerstag, für den letzten Gig in deutschsprachigen Ländern ausgewählt wurde. Im Anschluss daran folgt noch eine Show in den Niederlanden, dann geht’s nach UK.

Über 1300 Leute sind an dem Abend mit dabei. Nun ein kleines Gedankenexperiment: Wie stellt ihr euch ein Publikum von einer Band vor, die Rock spielt, der im Radio auf Heavy Rotation lief und beim Eurovision mitmacht? Mit Sicherheit liegt ihr daneben. Denn die Crowd, die auf die Bühne schaut, könnte bis auf sehr wenige Ausnahmen so auch Tickets für Wacken gekauft haben. Ja, so haben wir auch geguckt, als um uns herum Menschen Slipknot-Shirts anhaben, im Grufti-Kleid auftauchen und mehrmals die Hände zur Pommesgabel geformt hochheben. Wild.

Aber hey, no judgement. Alles fein, nur eben verwunderlich. Wahrscheinlich sind The Rasmus auch die poppigste Band, die die Leute, deren Lieblingsfarbe eindeutig Schwarz ist, so hören. Da matcht der Support, der um Punkt 20 Uhr loslegt, viel besser mit dem Klischeebild – Overlaps aus Italien machen eine halbe Stunde lang ordentlich Radau und liefern total gut gespielten Alternative Rock mit Metal-Parts, der ein wenig an eine Mischung aus Evanescence und Die Happy erinnert. Das macht Stimmung, knallt und ist dabei trotzdem melodisch. Super ausgewählt.

Bis zu Lauri und seinen drei Bandkolleg*innen darf man daraufhin die gewohnte halbe Stunde warten, dann ist aber auch on point um 21 Uhr das Programm dran, wofür die Crowd vorbeigekommen ist. 100 Minuten und 21 Songs lang wird querbeet durch das Repertoire gesprungen, sodass am Ende besonders an der Setlist wohl niemand etwas nörgeln kann. Von den zehn Singles, die in Deutschland gechartet sind, sind bis auf „Shot“ und „Funeral Song“ alle vertreten. Aus sieben von insgesamt zehn Alben werden Titel herausgepickt, darunter sechs vom internationalen Durchbruch „Dead Letters“, das wohl der Großteil am besten im Ohr haben wird. Zwar gab es bei der letzten Tour, die in Deutschland stattfand, das ganze Album zum 15-jährigen Jubiläum in Originalreihenfolge zu hören, aber dennoch wissen The Rasmus eben, dass viele sich eher Flashbacks wünschen. Somit gibt es von der neusten LP „Rise“ auch nur vier Lieder. Nicht zu wenige, aber eben auch nicht zu viele.

Das Quartett, das seit diesem Jahr erstmalig eine Frau mit am Start hat, nämlich Emppu an der Gitarre, konzentriert sich aufs Wesentliche. Keine Videoleinwand, kein Konfettiregen, keine Kostümwechsel oder andere Requisiten. Nur gut abgestimmtes Licht mit unterschiedlichen Stimmungen und vor allen Dingen – und das ist alles andere als selbstverständlich – einen sauguten Sound ab dem ersten Ton. Die Tontechnik leistet und mischt sowohl die drei Instrumente als auch den Gesang hervorragend ab. Das führt aber natürlich auch gleichzeitig dazu, dass man Lauri besser zuhören kann, der im Frühjahr bei einigen Eurovision-Promoauftritten gerne mal ziemlich daneben gegriffen hat. Heute ist das aber anders. Zwar sitzt nicht jeder Ton perfekt, aber 95% sind bestimmt richtig. Für jemanden, der über zwei Jahrzehnte Songs in der doch etwas höheren Lage schmettern darf, eine ordentliche Leistung. Auch mit 43 Jahren klingt er exakt so wie Anfang der 2000er, sodass auch kein Song tiefer transponiert werden muss. Cool. Die Federn im Haar hat er übrigens auch nicht vergessen.

Musikalisch ist The Rasmus nicht die raffinierteste Band, muss man zugeben. Das ist solide gespielt und auch stets hookig komponiert, aber nur in Ausnahmen wirklich richtig gelungen. Gleichzeitig gibt’s in den mehr als anderthalb Stunden aber auch nur wenige Momente, die langweilen oder sehr laue Kost bieten. Eigentlich ist alles auf einem sehr konstanten „Ganz gut“-Level. Genau in der Mitte gibt es einen Akustikblock mit drei Titeln, ansonsten ist das Tempo überwiegend angezogen. Trotz passendem Publikum bleibt der Moshpit aber geschlossen. Stattdessen wird einfach angenehm mitgeschwungen, mitgesungen und die Hände in die Luft geworfen. Bis auf ein paar kreischend übermotivierte Zuschauer*innen ist es ein sehr entspanntes Konzert, bei dem man eben mehr das Nostalgiegefühl keimen lässt. Passt auch zu dem Durchschnittsalter, das geschätzt bei Anfang 30 liegt.

Bei den bekannten Hits gehen die Handys nach oben, um auch noch einige Zeit später zuhause die Teenie-Jahre zurückholen zu können. Ebenso bei einem sehr unterhaltsamen, nach vorne gehenden Cover von „Ghostbusters“. The Rasmus sind keine sensationell gute oder außergewöhnliche Band, machen aber weiterhin ihren Rock mit Pop-Anleihen, der Spaß macht. Ansagen gibt es nicht viele, dafür aber ein paar sympathische. Ein Fan, der immer wieder auf Konzerten auftaucht, darf zwischendrin sogar auf die Bühne und seiner Freundin einen Heiratsantrag machen, die mit Tränen in den Augen positiv antwortet. Ein nettes Konzert, das es wohl bei niemanden in die Topliste der besten Shows aller Zeiten schafft, aber auch niemanden enttäuscht haben wird. Einige Melodien verlassen einen ohrwurmbedingt erst beim Einschlafen.

Und so hört sich das an:

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Bild von Christopher.

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