Tones and I, Live Music Hall Köln, 09.03.2020

Tones and I

„In L.A. hat mich letztens ein ganz toller Produzent angesprochen und gefragt, ob ich Interesse daran hätte, den Gesang zu einem seiner Songs beizusteuern,“ erzählt Toni Watson aka Tones and I in der Mitte ihres Sets mit einem kaum kaschierten Augenrollen bei den Worten „ganz toller“. „Hätte er sich mit mir auseinander gesetzt, wüsste er, dass ich alle meine Songs komplett selbst schreibe und kein Interesse daran habe, nur meine Stimme zu leihen.“ Annekdoten wie diese mögen vielleicht selbstüberzeugt oder auch recht unspektakulär wirken, doch gemeinsam mit vielen anderen wichtigen Faktoren untermauern sie, wie passend es doch ist, dass Tones and I gerade am Weltfrauentag ihre erste große Show in Deutschland spielt. Die 27-Jährige Australierin passt optisch in keine der gängigen Popsängerinnen-Kategorien, legt darauf aber auch keinen Wert („Die Hose hatte ich gestern schon zum Schlafen an!“) und macht eben wirklich alles selbst. So hat sie sich den Weg ganz alleine nach oben gearbeitet – als Straßenmusikerin spielte sie so lange, bis sie die 10.000 Follower geknackt hatte – und so bleibt sie auch mit Majorlabel in den Krallen ihren Prinzipien treu. Auch auf der Bühne stemmt das DIY-Talent konsequenterweise alles alleine, einzig das Aufheizen überlässt sie jemand anderem.

Billy Davis

Party like it’s 2009

Der australische Produzent Billy Davis (Foto) darf die ausverkaufte Live Music Hall mit seinem Disco-würdigen Hip-Hop/Electro-Konglomerat beschallen und entführt dabei ziemlich aufwendig in vergangene Soundwelten. Neben seinem eigenen Key- und Soundboard, entstehen die Klänge ansonsten durch den satten Drum’n‘-Bass-Sound des Schlagzeugers und den an B.O.B. erinnernde Rap-Parts seines Bruders und den Soul-Refrains der Schwester. Dank der sehr aufmerksamen Performance und den knackigen Ohrwürmern kommt das überragend an und sorgt auf beiden Seiten der Bühne für ein breites Grinsen. Den guten Herren kann man sich also schon mal merken, auch wenn er mit seinen Songs jenseits der 500.000 Streams wohl ohnehin nicht mehr als Geheimtipp gelten kann. Von diesem Status ist auch Tones and I innerhalb der kürzesten Zeit hinweggeschossen, ihr letzter Auftritt in Köln fand noch vor einem halben Jahr vor 80 (!) Leuten statt. Nun also die seit Monaten ausverkaufte Live Music Hall, die sich trotz Corona-Virus-Panik ordentlich gefüllt hat. Spätestens ab dem zweiten Song und aktuellen Hit „Never Seen the Rain“ wird klar: Das ist kein One Hit Wonder, das ist viel mehr eine der potentiell wichtigsten Künstlerinnen des neuen Jahrzehnts.

Dance for Me

So ganz ohne Album in der Rückhand lässt sich so ein Auftritt ja eigentlich schwer stemmen, aber Tones and I kriegt die 60 Minuten Spielzeit sehr gut rum. Das klappt zum einen dank zwei sehr schnittigen Cover-Songs (das sehr gefühlvolle „Drop the Game“ von Flume & Chet Faker, sowie eine Upbeat-Version von „Forever Young“ von Alphaville“), aber auch dank gleich zwei bislang unveröffentlichten Songs, das eine sehr bewegend, das andere („You’re so fucking cool“ – erscheint schon sehr bald!) wunderbar tanzbar. Ob nun Dancehall oder Ballade, Hit, Cover oder noch nie gehört – die elf Songs lassen keinen Spannungsabbruch zu, Tones and I wirbelt entweder über die Bühne oder bearbeitet ihr Sound/Keyboard mit so viel Energie, dass es zu zerspringen droht. Und sie singt natürlich. Und wie! Man mag diese quietschende Stimme nun mögen oder nicht, aber diese Wucht hinter jedem Ton, diese niemals schwankenden Töne sorgen wiederholt für Gänsehaut und großen Beifall, gehören ohne Frage zur absoluten Weltspitze. Aber Tones and I möchte, wie sie immer wieder betont, eben nicht nur als diese Stimme, nicht nur als dieser Song bekannt sein. Dem stellt sie bewusst unzählige, äußerst sympathische und oftmals selbstironische Annekdoten voran. Ansagen gegen Diskriminierungen, über Ängste oder darüber, wie unwichtig Äußerlichkeiten eigentlich sind, fügen sich hervorragend in das sehr schlichte Bühnenkonzept und auch in das auf wenige Stilmittel reduzierte Klangbild. Viele Interpretationen überlässt Tones and I dennoch dem Publikum, einzig die Hintergründe von „Johnny Run Away“ erzählt Watson ausführlicher. Diesen schrieb sie nämlich über das Outing ihres besten Freundes und umso schöner ist es dann, als dieser auch noch für eine kurze Umarmung auf die Bühne kommt. Hier wirkt alles echt, nichts erzwungen und alles ganz schön perfekt.

Kurz vor Schluss ist es dann aber natürlich doch so weit. „Ich wollte auch unbedingt einen Song schreiben, zu dem die Leute tanzen. Dass dieser mal der größte Song der Welt werden sollte, hätte ich mir in meinem kostenfreien Motel damals nicht träumen lassen.“ Bei „Dance Monkey“, diesem Milliarden-Streams-Song, ist die ohnehin schon grandiose Stimmung in der Halle endgültig beim Zenith angekommen, jede*r tanzt ausgelassen, vor allem nachdem Watson vor dem letzten Refrain alle zum Hinsetz-und-Aufspringen-Spiel gebracht hat. Nach dem hittigen EP&Tour-Titeltrack „The Kids Are Coming“ verabschiedet sich die Australierin auch schon wieder. Binnen kürzester Zeit hat sich Tones and I zum Weltstar hochgespielt, alles natürlich auch dank ihres großen Hits, aber doch auch dank ihrer ungebremsten Leidenschaft fürs Songwriting und Produzieren. Wohin das noch führen wird? Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit in die größten Hallen der Welt. Und auch für diese wird Tones and I die passenden Songs bereit halten. Das Album darf aber gerne schon vorher kommen!

Karten für die „The Kids Are Coming“-Tour kannst du hier kaufen. *

Und so hört sich das an:

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Tones and I live 2020:

  • 11.03. Huxley’s Neue Welt, Berlin (ausverkauft)
  • 12.03. Fabrik, Hamburg (ausverkauft)
  • 21.03. Backstage, München

Beitragsbild von Julia.

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