Vennart, Club Bahnhof Ehrenfeld Köln, 12.11.2018

Vennart, Club Bahnhof Ehrenfeld Koeln, 12.11.2018

Mike Vennart steht unter der großen bogenförmigen Decke des Club Bahnhof Ehrenfelds während einige Meter über ihm in rasender Geschwindigkeit Regionalzüge und Güterwaggons vorüberziehen. Davon bekommt man im stickigen Raum unterhalb der Bahngleise gar nichts mit. Was einem jedoch nur schwerlich entgehen kann, ist der ergraute Herr, der mit seinen drei Kollegen auf der Bühne am Ende des vielleicht zur Hälfte ausverkauften Raums steht und auf beeindruckende Weise verwurschtelte Songs aus dem Ärmel seines Geparden-Hemdärmels zaubert – bei der sympathischen Person handelt es sich um niemand geringeren als ebenjenen Mike Vennart, ehemaliger Frontmann der britischen Nerd-Band Oceansize. Mit zwei Mitgliedern seiner alten Formation und dem Quasi-Soloalbum „To Cure a Blizzard Upon a Plastic Sea“ betourt der mittlerweile etwas über Vierzigjährige momentan erstmals das europäische Festland und lässt das Publikum zwischen Rockstargesten und der eigenen Bodenständigkeit umherirren.

Man betrachte also die eine Seite Vennarts, die vor einnehmenden Posen und riesengroßen Melodien nur so strotzt. Zum einen steht der Frontmann während des 85-minütigen Auftrittes klar im Hauptfokus. Klar, seine Bandkollegen liefern musikalisch auf höchstem Niveau ab – was will man auch erwarten, wenn 3/5 von Oceansize vor einem stehen? –  performancemäßig rücken sie jedoch eher in den Hintergrund. Vennart hebt mit leicht aufgeknöpftem Hemd hingegen sein Instrument theatralisch in Richtung der Bahngleise oder tritt in den ausufernden Instrumentalpassagen seiner sperrigen Songs gerne mal in die Luft oder kehrt dem Publikum den Rücken zu. In „Robots in Disguise“ kreischt er dann mit ordentlich Vocal-Distortion unterlegt Unverständliches in sein Mikrofon und lässt dabei seinen eigenen kleinen Matt Bellamy heraus – von den unzähligen Tourneen mit Biffy Clyro als Support von Muse hat Vennart sicherlich auch mal eine kleine Stunde „Stadiontauglichkeit“ von Bellamy bekommen.

Der ganzen „Show“ steht die stets höfliche und sympathische Ader des Frontmannes gegenüber. Seien das die Witze, die er immer wieder in seine Ansagen einbaut (jaja, die Band ist „Lucky like Daft Punk“), die Dankbarkeit, die er der Menge nach den lauten Applausstürmen zukommen lässt oder eben auch jene kleinen Momente und Gesten, die den meisten kaum auffallen sollten – als ein Herr aus den ersten Reihen sein Kaltgetränk kurz auf der Bühne abstellt um ein Foto mit seinem Handy zu schießen, wirft Vennart ihm einen höflichen, aber unmissverständlichen Blick zu: „Das ist mein Gebiet, bitte stell das da nicht ab.“ Können solche Situationen bei anderen Künstlern gerne auch mal etwas harsch gelöst werden, verliert der Manchesteraner niemals seine Fassung. Selbst nicht als seine Band im doch eher gelassenen Refrain der ersten Zugabe „Friends Don’t Owe“ in Flackerlicht untergeht und er kurzerhand den Text vergisst – mehr als ein leicht verwirrtes Schulterzucken bekommt die Technik auch hier nicht ab und das obwohl die Lichtshow an einigen Stellen durchaus verbesserungswürdig ist.

In seinen Ansprachen reflektiert Vennart außerdem sowohl Vergangenheit als auch Zukunft. So schwelgt er in Erinnerungen an die etlichen vergangene Köln-Shows im stickigen Prime-Club, der mittlerweile „Luxor“ heißt“, betont aber immer wieder, dass diese erste Europa-Tour des Projektes wohl auch die einzige bleiben wird, wenn das Vereinigte Königreich wie geplant Endes März des nächsten Jahres aus der Europäischen Union austreten sollte. Viel zu teuer könnten Touren außerhalb der UK dann werden. Bei der musikalischen Schnellzugfahrt, die die vier Musiker abliefern, bleibt nur zu hoffen, dass dem nicht so ist. So schließt sich dem brachialen Outro von „Diamond Ballgag“ kurz vor der Zugabe perfekt das krachige „Part Cardiac“ an. Die ein oder andere Person blickt fragend auf: Ist das nicht ein Oceansize-Song? Ja, ist es!

Gegen Endes des Sets präsentieren Mike Vennart und Band gleich drei Stücke der Vorgängerband und lassen damit alle Fanherzen höher schlagen. Eine Reunion wird es wohl nicht geben, ein kleines Stück Oceansize gibt es in der Form aber auch so. Am Ende erklingt dann der erste delaygetränkte Akkord des achtminütigen „Music For A Nurse“, die Menge jubelt, etwas weiter oben rauschen noch immer die Züge vorbei.

Tickets für die restlichen Shows der Tour gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/dXI3dlvyeE8

Website / Facebook / Twitter / Instagram

Vennart live 2018:

14.11. – Hamburg, Knust

Foto von Jonas Horn.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.