Snow Patrol, Mitsubishi Electric Halle Düsseldorf, 07.02.2025

snow patrol düsseldorf 2025

Manchmal braucht es nur einen einzigen guten Riecher. Irgendjemanden am Set, der findet, dass eine prägnante Szene mit einem bestimmten Song unterlegt werden muss – und schon katapultiert das die Menschen hinter dem Lied an die weltweite Chartspitze. Was Lord Huron “Töte Mädchen lügen nicht” zu verdanken haben, verdanken Snow Patrol “Grey’s Anatomy”. Auf ewig unvergessen bleibt das zweite Staffelfinale der Serie, die aktuell in der unglaublichen 21. Runde läuft. Snow Patrol selbst haben gerade hingegen ihr 30-jähriges Bandjubiläum weg und das achte Studioalbum veröffentlicht. Zwei gute Gründe, um beides live mit den Fans zu feiern.

Dass die Band 1994 gegründet wurde, glaubt man zunächst gar nicht. Ganz so lang ist das mit “Chasing Cars” doch gar nicht her, oder? Nein, ist es auch nicht. 2006 kamen die erfolgreichste Single der schottisch-nordirischen Band und das dazugehörige Album “Eyes Open” auf den Markt – allerdings war das bereits deren vierter Longplayer. Ja, wie schon gesagt – manchmal braucht es eben diese ganz besondere Promo, um vom Underground-Act zu nationalen Stars und dann zu weltweiten Überfliegern zu werden. In UK war bereits die Platte davor, “Final Straw”, ein Riesenerfolg, doch bei uns sollte es eben bis zu den überschwemmenden Emotionen von Meredith und den anderen Ärzt*innen dauern. Dann befand sich das Trio rund um Sänger und Gründungsmitglied Gary Lightbody für einige Zeit auf dem Karriere-Peak, bevor es in den letzten zehn Jahren wieder etwas ruhiger wurde.

Zwar war Gary erst 18, als es mit Snow Patrol losging, allerdings wird der Frontmann 2026 auch schon 50. Da müssen Tourneen nicht permanent der Mittelpunkt des Lebens sein. Zwar wird recht regelmäßig gespielt, aber da reichen auch mal zehn bis 20 Shows pro Jahr auf dem kompletten Planeten. Auch im Studio schiebt man eine ruhige Kugel, so dauerte es fürs aktuelle Album “The Forest Is The Path” und für den Vorgänger “Wildness” jeweils rund sechseinhalb Jahre. Doch selbst wenn neue Songs und Gigs etwas seltener werden, bleibt die Fangemeinde treu. Sämtliche Shows der 16 Shows umfassenden UK- und EU-Tour im Januar und Februar 2025 melden ausverkauft, somit auch die fünf in deutschsprachigen Ländern.

In der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf, dem sechsten Stopp auf der Reise, wird es am Freitagabend, dem 7.2., schnell voll. Auch auf den Rängen. Glücklicherweise kann man sich hier bei den allermeisten Konzerten zwischen Stehen im Innenraum oder Sitzen auf den Rängen spontan entscheiden, jedoch sind die Sitzplätze an jenem Abend ziemlich beliebt. Tatsächlich sind mit Snow Patrol auch die Fans älter geworden, wahrscheinlich ist das Durchschnittsalter hier ähnlich wie das Alter von Frontmann Gary. Dementsprechend entspannt bleibt die Stimmung. Ein paar Fotos und Videos – nervig: Leider entschieden zu oft mit Blitz – dazu ein wenig Mitschwingen im Takt. Wenn man richtig gut drauf ist, sogar eine kleine Luftgitarren-Performance.

Mit einer kleinen Überpünktlichkeit starten The Florentinas um 19:58 Uhr in den Abend. Das Quartett gründete sich kurz vor der Pandemie und stammt ebenfalls aus Nordirland. Gespielt wird für die klassische halbe Stunde sehr solider Indie-Rock, ohne groß aufzufallen. Das ist erst ganz nett, wird dann aber spätestens ab dem dritten Song doch etwas zu eintönig. Auch das Publikum hält sich mit den Reaktionen größtenteils eher bedeckt.

Um kurz nach 9 starten schließlich Snow Patrol. Fast auf die Minute genau dauert die Show anderthalb Stunden. Das ist bei den Ticketpreisen von heute zwar noch keine Enttäuschung, aber jetzt auch nicht so wirklich befriedigend. 18 Songs, die aus den sechs letzten Alben sowie der Best-of-Compilation “Up To Now” zusammengesucht wurden und somit einen Überblick über die letzten zwei Dekaden geben. Ein Drittel der Auswahl stammt weiterhin aus dem erfolgreichsten Output “Eyes Open”, aus dem aktuellen “The Forest Is The Path” gibt es nur vier Titel. Wirkt im Ganzen aber recht ausgewogen, schließlich gibt es bis auf “Chocolate” alle Singles, die erfolgreich in diversen Charts platziert wurden.

Gary, seine zwei Bandmitglieder Nathan an der Lead-Gitarre sowie am Backgroundgesang und Johnny am Klavier und an der Rhythmusgitarre zeigen sich als eingespielte Einheit. Erweitert wird die Livebesetzung durch einen Drummer und einen Bassisten. Showtechnisch gibt es eine dreigeteilte, große Leinwand mit Visuals und Livekameras, außerdem eine schöne, aber nicht wahnsinnig aufwändige Lichtershow. Snow Patrol präsentieren sich in erster Linie als Musiker, weniger als Entertainer. Die Ansprachen von Gary sind freundlich und dankbar, an einigen ausgewählten Stellen gibt es Publikumsinteraktionen, so darf an manchen Stellen auch über weite Teile die Crowd allein singen.

Ansonsten muss man jedoch schon vorab einen ganz guten Zugang zur Musik von Snow Patrol mitbringen. Die Show in Düsseldorf zeigt eben wenig Showelemente, fast alle Songs klingen den Studio Versionen ähnlich, es folgt kein total brachialer Rock-Ausbruch, bei dem man völlig gegen die Wand geworfen wird, andererseits aber auch nur wenige sehr ruhige, intime, berührende Momente – und über die Bandmember an sich erfährt man auch nicht so viel. Bis auf eine kuriose Story, dass Johnny sich in einem deutschen Zug die Hand verletzt hat, aber trotzdem unbedingt die Show auch mit einem Verband spielen will. Ansonsten ist es ganz eindeutig ein Konzert für Fans. Rein aus Neugier kommt man nicht so weit.

Soundtechnisch gibt es wenig zu beanstanden. Das funktioniert ab dem ersten Track gut, sodass die Instrumente sowie die Gesangsparts schön ineinander gemischt werden, ohne sich gegenseitig zu dominieren. Tonal ist Gary nahezu immer richtig, bleibt aber eben auch bis auf ein paar sehr lange Töne immer in der Comfort Zone. Schön wird’s bei “Talking About Hope”, wenn plötzlich die Zweistimmigkeit zwischen ihm und Nathan richtig zur Geltung kommen kann. “Make This Go On Forever” hat einen sehr starken Aufbau und gipfelt in einem mitreißenden Orkan. Witzig: Bei “Shut Your Eyes”, einer der drei auch bei uns erfolgreichsten Singles, hat der Sänger direkt nach der ersten Zeile einen Texthänger. Über den täuscht er auch gar nicht hinweg, stattdessen wird kurz gelacht und einige Takte später wieder entspannt eingesetzt.

Zu “The Lightning Strike” gibt es optisch eine Veränderung. Ein Vorhang wird vor die Bühne gezogen und auf ihm ein sich über das Jahr hinweg veränderter Baum gezeigt. Gerade das fallende, bunte Laub verbildlicht die Lyrics auf gelungene Art und Weise. Doch wenig überraschend stechen vor allen Dingen vier Momente aus der Setlist hervor: Da wäre einerseits der fast schon mantraartige Refrain in “Open Your Eyes”, zu dem auch die gesamte Halle laut einstimmt. In der finalen, zweiten Zugabe “Just Say Yes” wird es ungewohnt laut und mitreißend – wäre auch ein guter Einstieg gewesen, um möglichst schnell den Puls der Leute hochzubekommen und sie zum Tanzen zu animieren, denn das tun sie für den Rauswurf in die Nacht nahezu alle. “Run” feierte vergangenes Jahr seinen 20. Geburtstag, es bleibt weiterhin eine Classic-Rock-Ballade, zu der man seine*n Liebste*n in den Arm nehmen mag. Kann man auch in Düsseldorf an vielen Ecken beobachten. Stark ist hier vor allen Dingen der komplett a cappella vorgesungene Part in der Mitte des Songs. Eine Leona Lewis, die das Ganze extrem dramatisch aufbläst, braucht es nicht.

Für “Chasing Cars” kramen wohl viele in ihren Gedanken. Sichtbar ist es ein Song, zu dem viele Menschen im Raum eine Geschichte erzählen können. Zu dem sie entweder geweint oder krasse Intimität zu jemandem aufgebaut haben. Auf jeden Fall einer der Big Moments der 00er Jahre, der hier für einige Minuten zurückkommt und die Konzerthalle liebevoll erwärmt. Herausragend ist der Übergang zum letzten Refrain, bei dem der Sound auf einmal richtig knallt und im Full-Band-Finale sehr viel lauter ist, als die Songs zuvor. Das ist uplifting und echt intensiv gestaltet.

Doch wie gesagt: Snow Patrol ist keine Band, die live groß etwas anders macht. Das ist professionell vorgetragen, völlig ok gespielt, völlig ok gesungen, nur ohne so richtig großen Nährwert, den es nur auf einem Konzert von ihnen gibt. Wer mit den Songs viel verbindet und Fan des Trios ist, bekommt hier genau das, was erwartet wird. Wer eher aus Konzertlust hingeht, um musikalisch besonders überzeugt oder außergewöhnlich unterhalten zu werden, kommt weniger auf seine Kosten.

Und so hört sich das an:

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Foto von Christopher Filipecki

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