Endlich mal zum Open Flair, endlich mal nach Eschwege. Jahrelang wohnte ich in einer WG mit mehreren Mitbewohnerinnen aus Eschwege und oft genug habe ich dort gehört, wie genial das Open Flair Festival sei. Auch von Bands, in Online-Foren und generell in der Festivalcommunity hört und liest man immer wieder, dass das Open Flair das vielleicht beste Festival in Deutschland ist. Aber was ist wirklich dran? Dieses Jahr konnte ich es endlich testen.
Open Flair 2025 – Tag 1 mit Raum27, Grossstadtgeflüster uvm.
Das Open Flair geht insgesamt fünf(!) Tage von Mittwoch bis Sonntag – dementsprechend umfangreich und voll ist das Line Up und man kann so oder so nur einen Bruchteil davon mitnehmen. An den ersten beiden Festivaltagen hielten sich die Überschneidungen aber noch in Grenzen, da lediglich die Seebühne und der Elektrogarten bespielt wurden. Die Seebühen ist – surprise – an einem See gelegen und dementsprechend in einem absolut traumhaften Setting. Hier fühlte es sich direkt nach Urlaub an und auch die Bühne stand leicht abschüssig und war schön hoch, so dass man von überall aus super sehen konnte. Leider begann unser Festival mit einer Enttäuschung, denn der Checkin um an unsere Pässe zu kommen, dauerte so lange, dass wir leider den ersten Act, den wir sehen wollten, größtenteils verpasst haben. 50 Minuten habe ich auch noch nicht an einem Pressecounter gewartet. Aber hier wurden auch die zahlreichen Freiwilligen akkreditiert, die das Festival am Laufen halten und wahrscheinlich auch ein Stück weit so einzigartig machen. So ist die Security vor Ort alles andere als zurückhaltend mit Konfetti oder Wasser, was wir mal super mal super nervig fanden. Dazu aber später mehr. Die letzten drei Songs von Hi! Spencer konnten wir noch mitnehmen, eine wirklich coole Band, um in ein Festival zu starten.
Nachdem wir uns einen Überblick über Seebühne und Elektrogarten verschafft haben, enterten schon Rogers die Stage, die rotzfrechen Punk machen und aus Düsseldorf kommen. Punkfans gibt es hier auf dem Open Flair einige, das wurde uns schnell klar – nicht nur direkt vorne vor der Bühne, sondern auch überall auf dem Gelände verteilt. Die Stimmung war an Tag 1 bereits ausgelassen. Rogers starteten während ihres Sets direkt einmal die längste Polonaise, die das Open Flair je gesehen hat. Quelle: Rogers.
Bands lieben das Open Flair? Definitiv, wenn es nach Raum27 geht, die als nächstes die Bühne betraten. Die Band bezeichnete sich selbst als die größten Fans des Open Flairs, unter anderem auch, weil dieses Festival eines der ersten war, dass die Band buchte, als sie noch deutlich unbekannter war. Das hat sich ausgezahlt, denn mit „Oft gesagt“ und „Sommerregen“ haben Raum27 schon zwei krasse Hits im Repertoire, die natürlich auch entsprechend positiv aufgenommen wurden. Ganz beseelt war die Menge dann, als es einen Hochzeitsantrag mitten während der Show – natürlich in einem geöffneten Pit – gab. Auf ein freudiges „Kopfnicken“ bzw. „Ja“ der nun Verlobten folgte der begeisterte Applaus des Publikums und gleich ging es weiter mit dem richtig runden Raum27 Set, dass perfekt zu dem sonnigen Sommerwetter passte, welches über das gesamte Wochenende nicht mehr weggehen sollte. Besser kann ein Festival nicht starten.

Natürlich fanden sich auch internationale Bands im Line Up. Maximo Park aus Großbritannien hatten es zunächst deutlich schwerer als die deutschen Bands. Hier war zwar in den vorderen Reihen die Stimmung gut, weiter hinten verhielten sich die Festivalbesucher aber zunächst sehr zurückhaltend. Viele kannten hier wirklich nur die großen Hits, die aber vermehrt am Ende des Sets gespielt wurden. Und schon war die Stimmung auch bei Maximo Park gut – „Books from Boxes“ oder „Apply Some Pressure“ konnten auch die sporadischen Hörer mitsingen. Mit Maximo Park hatte das Festival zudem einen Act gewonnen, der fast jährlich in Deutschland spielt, aber immer nur auf ausgewählten Festivals. Viele Bands sieht man alle zwei Jahre wieder – Maximo Park waren beim Open Flair zuletzt 2009.
Grossstadtgeflüster kam am ersten Tag die Rolle des Headliners zu, zum Tagesabschluss bestand also nochmal die Möglichkeit ordentlich abzuzappeln. Trotz des ersten Tages oder gerade deshalb, weil man noch nicht im Festivalmodus war, taten die Füße bereits weh und die Müdigkeit war spürbar. Aber was will man machen? Die Party war nicht aufzuhalten. Tatsächlich bin ich gar kein großer Grossstadtgeflüster-Fan, aber das hier hat richtig Laune gemacht. Nach der ersten Runde Refrain konnte jede*r mitsingen und es wurde gefeiert als kämen nicht noch vier folgende Festivaltage. Die Stimmung war ausgelassen, insbesondere bei den Hits wie „Fickt-Euch-Allee“, „Ich kündige“, „Feierabend“ oder „Ich boykottiere dich“. Insbesondere kam die gute Stimmung auch durch die Band zustande, die einfach super sympathisch ist und allerlei Schabernack auf der Bühne präsentierte. Das liebevolle „ihr Scheißer*innen“ von Frontfrau Jen Bender in Richtung Publikum wird wohl als eine der besseren Bezeichungen des Publikums in Erinnerung bleiben.
Open Flair 2025 – Tag 2 mit Ski Aggu, The Butcher Sisters uvm.
Ein echtes Highlight hielt der Beginn des zweiten Festivaltages für mich parat. Future Palace hatte ich aufgrund des stark einsetzenden Regens bei Rock am Ring ausgelassen – jaja, “es gibt kein schlechtes Wetter” – umso mehr freute ich mich, dass nun nochmal die Chance kam sie in diesem Jahr zu sehen. Future Palace sind eine Metalcoreband aus Berlin mit einer richtig starken Frontfrau. Sowieso ist mein Eindruck, dass dieses Genre immer mehr von starken Frauen dominiert wird, die mit einem flexiblen Stimmvolumen zwischen wunderschönem Cleangesang und harten Screams und Growls den Metalcore auf ein neues Level heben. Eine tolle Entwicklung. Noch sympathischer wurde Frontfrau Maria Lessing dann, als sie eine starke Ansage zum Thema Frauenrechte machte: “Alle Frauen können ein Lied singen davon, wie es ist für die eigenen Rechte kämpfen zu müssen – und deshalb hab ich eins geschrieben.” Es folgte der fantastische Song “Rays of Light” und auch das restliche Set war richtig gut. Leider konnte ich den Auftritt nicht von vorne genießen, weil die Security mir an diesem Tag wirklich auf die Nerven gegangen ist. An jeder anderen Stelle in diesem Bericht werde ich nur Positives über die Stageline Crew des Open Flairs schreiben, aber muss man an Tagen, an denen bis zu 14 Grad am Abend angesagt sind permanent den Wasserschlauch in die Menge halten? Ich war nach wenigen Minuten des Sets komplett durchnässt und habe dann lieber von hinten weitergeguckt. Einfach unnötig sowas.

Das Open Flair hat sehr viel Vielfalt zu bieten – so gibt es neben den „klassischen“ Festivalbühnen auch ein Kleinkunstzelt, in dem unter anderem auch namhafte Comedians auftreten. Im Schlosspark befinden sich außerdem noch weitere Stages, wie die Bühne für das Kinderprogramm sowie das Weinzelt, in dem ebenfalls über das ganze Wochenende verteilt Künstler*innen auftreten. Nach einer entmutigend lang aussehenden Anstehschlange fanden schlussendlich alle Interessierten einen Platz im doch recht großen Kleinkunstzelt, um 60 Minuten Programm von Florian Schröder zu lauschen. Uns alle interessierte die Frage: Werden wir hier endlich glücklich? Zumindest war das das Versprechen, dass Florian Schröder in seinem Programm angekündigt hatte. In Wirklichkeit zeigte Schröder allerdings auf, wie einfach wir uns als Publikum von Coaching-Versprechen der Glücksindustrie einlullen lassen, die uns das eigene Anspruchsdenken aus der Hand nimmt. Ein witziger, ironischer, bissiger und nachdenklicher Comedian und ein sehr gutes Kontrastprogramm, dass einen für einen Moment völlig vergessen lässt, dass man sich auf einem Festival befindet. Für viele ist das vielleicht nicht passend, ich finde es perfekt. Ich liebe Abwechslungen – meist freue ich mich schon über einen guten Genremix auf Festivals, dann aber auch noch völlig unterschiedliche Performances zu haben – auch Comedy oder Kleinkunst – einfach fantastisch abwechslungsreich.
Bei der Rückkehr zur Seebühne konnte ich noch die letzten Songs von Ski Aggu erahnen. Das waren ausgerechnet die drei bekanntesten Songs, reichte mir also völlig aus, denn mehr hätte ich wahrscheinlich musikalisch nicht ertragen. Zu stumpf und eingängig und absolut nicht meine Baustelle. Insbesondere für die jüngeren Fans dürfte das aber eines der Festival-Highlights gewesen sein.
Headliner des zweiten Tages waren The Butcher Sisters. Und was soll man dazu sagen? Das war der Auftritt des Wochenendes! Natürlich darf man hier nicht erwarten intellektuelle Tiefe oder musikalisches Genusswerk zu erhalten. Was man stattdessen kriegt? Stumpfe Texte, stumpfer Humor, zu viele Songs über alkoholische oder nicht alkoholische Getränke – und Party, Party, Party! Ich habe die Band Anfang des Jahres entdeckt und war mir schon im Vorfeld sicher, dass es gut wird. Aber nicht, dass es so gut wird. Wer ein wenig Metal mag, aber auch den Humor von Deichkind oder Mehnersmoos, der sollte sich dringend mit The Butcher Sisters befassen, die nicht ohne Grund ziemlich erfolgreich geworden sind.
Open Flair 2025 – Tag 3 mit MilleniumKid, Yungblud uvm.
Erst am dritten Tag des Festivals ist das gesamte Areal des Open Flairs öffentlich zugänglich, denn der große Bereich am Werdchen mit der Hauptbühne, der Radio Bob! Bühne, sowie der gegenüber liegenden Freibühne sowie die für Familien mit Kindern besonders interessante Spielweise sind nur von Freitag bis Sonntag zugänglich. Hier spielen dann aber auch die ganz großen Bands. Die beiden Bühnen am Werdchen werden abwechselnd bespielt, so dass man nach Bedarf ohne Unterbrechung Musik hören kann. Für mich begann der Tag früh mit Chaosbay, der sympathischen Metalcoreband aus Berlin. Chaosbay hatte ich bereits zu Beginn des Jahres als Voract von Siamese gesehen – diese Tour scheint auch Chaosbay selbst bestens gefallen zu haben, trat doch einer der Gitarristen im Siamese Shirt auf. Die Band war überrascht schon so viele Menschen am frühen Mittag vor der Bühne zu sehen, trotz der Hitze war schon einige Bewegung im Publikum. Bei Chaosbay hält selbst die Hitze nicht vom moshen ab. Ein solider Start in diesen Tag.
Nachdem es sich noch einmal für ein paar Stunden im Gartenstuhl bequem gemacht wurde und die größte Mittagssonne vorbeigezogen war, stand mit Querbeat der nächste Act an. Da kommt man als Kölner natürlich nicht dran vorbei, nichtsdestotrotz vermute ich, dass das der erste vollständige Auftritt von Querbeat gewesen ist, den ich gesehen habe. Auf, neben und vor der Bühne gab es eine riesige Party zu eigentlichen allen Songs, insbesondere natürlich bei der Hymne um den wohl inzwischen deutschlandweit bekannten Kölner Barbarossaplatz. Neben jeder Menge Staub und Schweiß im Moshpit gab es während der Show leider auch einen medizinischen Zwischenfall. Beim Crowdsurf-Wettbewerb auf zwei aufblasbaren Flamingos verletzte sich ein Festivalbesucher so schwer, dass er ins Krankenhaus abtransportiert werden musste. Querbeat unterbrachen ihre Show und gingen vorbildlich mit der Situation um, auch das Publikum wurde ruhig, Besucher*innen direkt um das Geschehen boten Sichtschutz und machten Platz für die Sanitäter. Es erklangen „Basti, Basti“-Rufe, während der verletzte Festivalbesucher Basti abtransportiert wurde. Nach einem Check-Up im Krankenhaus ging das Festival für ihn wohl ebenfalls weiter und es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Die zunächst etwas gedämpfte Stimmung entwickelte sich schnell wieder zu einer riesigen Party. Ein richtig guter Gig!

Leider kann man das von Von Wegen Lisbeth nicht behaupten. Die Band packt mich sowieso nicht mehr so wie zu ihrer Anfangszeit, aber ein paar Hits von damals werden ja immer noch gespielt und auch die neue Musik finde ich in Ordnung. Leider war das aber ein schwacher Auftritt. Von Wegen Lisbeth wirkten von Anfang an so, als hätten sie keine Lust auf dieses Konzert bzw. würden nur eine Session für sich selbst spielen. Diesen Eindruck konnte man schon gewinnen, wenn man sich nur den Bühnenaufbau ansah. Die Band begrenzte sich durch die eigene Lichttechnik so, dass sie nur zusammen zentral in der Mitte der Bühne spielte – das wirkte so als würde der Bezug zum Publikum sofort genommen. Angefangen mit einem zu langen Intro, über kaum Publikumsinteraktion. Das wirkte alles etwas lustlos und heruntergespielt, was man auch daran bemerkte, dass überall im Publikum gequatscht statt zugehört wurde, selbst in den vorderen Reihen. Das liegt natürlich manchmal auch am Publikum, so extrem habe ich es aber bei keinem anderen Konzert mitbekommen.
Auf der Freibühne folgte nun MilleniumKid – und hier folgte das genaue Gegenteil. Ich kannte zwar ein paar Songs, war aber total positiv überrascht, wie gut dieses Konzert war. Ein extrem sympathischer Atze, mit sympathischer Musik und durchaus einem Gespür dafür, was das Publikum gerade braucht. Neben ruhigeren Balladen kam das Publikum im Pit auch richtig in Bewegung und spätestens beim extrem erfolgreichen „Vielleicht Vielleicht“ brachen dann alle Dämme. Das war nach der vorherigen Enttäuschung eine richtig schöne positive Überraschung.
Weniger überrascht von der guten Performance war ich bei Royal Republic, die haben nämlich noch nie live enttäuscht. Die rotzfreche Attitüde der rockigen Schweden funktioniert einfach immer wieder aufs Neue. Die Band bringt eine so energiegeladene Show auf die Bühne, das man bei ihnen durchaus bereit ist zu verzeihen, dass nicht mehr alles von den ersten Alben gespielt werden kann (Verdammt, ich bin alt). Ein Konzert kann auch ohne viele Ansangen absolut zünden. Der Beweis dafür heißt Royal Republic.
Da ich die Band jedoch schon häufiger gesehen habe, verließ ich das Werdchen nach einigen Songs wieder – denn auch auf der Seebühne ging das Programm weiter. Und mit Punk Rock Factory trat nun eine Band auf, die ich bisher noch nicht auf vielen Festivalposter in Deutschland erspäht habe. Vier Waliser, die Disneysongs und Evergreens als Punkrockversionen covern, findest du interessant? Simple Antwort: Ja. Das funktioniert natürlich extrem gut auf Festivals, da alle mitsingen können und es nichts Schöneres gibt als heftige Typen in Metalkutten neben Familien mit Kindern zu sehen, die gemeinsam „Under the sea“ aus dem Disneyfilm Arielle mitsingen. Der Sound war zwar zu Beginn ziemlich bescheiden, wurde aber schnell besser und der ganze Auftritt wurde zu einem großen Spaß. Natürlich durften auch diverse Serien-Titelsongs wie die von Pokémon, Power Rangers, Spongebob oder den Teenage Mutant Ninja Turtles nicht fehlen.
Danach eilte ich zurück zur Radio Bob! Bühne – Headliner des heutigen Tages war Yungblud. Im Vorfeld hatte ich fast ausschließlich positives gehört und gelesen, insbesondere von Freunden, die beim Rock Werchter waren. Dort sprang Yungblud kurzfristig als Headliner für den erkrankten Sam Fender ein. Von vielen wurde seine Performance als absolut würdig für einen Headliner bezeichnet – und viele vermuten, dass Yungblud schon bald in den oberen Reihen selbst bei Major-Festivals wie Rock am Ring oder dem Hurricane Festival auftauchen wird. Das mag wohl durchaus auch daran liegen, dass er ein echter Rockstar ist, einer, den die Musikszene und Fans verzweifelt suchen, insbesondere weil die alten Helden langsam ziemlich alt werden. Aber Yungblud hat eine authentische Geschichte, er ist eine absolute Rampensau, er lebt seinen Lifestyle – musikalisch und optisch auf der Bühne – und, er schreibt zu allem Überfluss auch noch ziemlich gute eingängige Rockhymnen. Da ich dementsprechend durch die Berichte anderer schon vorbereitet war, hat mich der Auftritt nicht mehr überrascht – ich kann aber definitiv bestätigen, dass Yungblud mindestens mal für ein Festival der Größe des Open Flairs absolutes Headlinerformat hat. Rampensau ist wirklich genau das Wort, das für so einen Künstler erfunden wurde. Direkt zu Beginn seines Sets mit „Hello Heaven, Hello“ war die Laune im Publikum prächtig, gerade die Fans in den vorderen Reihen waren natürlich in völliger Ekstase. Yungblud begab sich häufig zum Publikum, verteilte Drinks in den vorderen Reihen, hielt den Wasserschlauch in die Menge und rannte gefühlte dreihundert Mal von links nach rechts über die Bühne. Neben einer Setlist, die wohl auch bei Fans keine Wünsche übrig ließ – meine Highlights waren neben dem Opening mit „Hello Heaven, Hello“ und „The Funeral“ insbesondere „parents“ und das seinem Freund Ozzy Osbourne gewidmete Black Sabbath Cover „Changes“. Zusätzlich gab es eine Bühnenshow, die mit starker Lichtshow und Feuereffekten kaum Wünsche übrig lässt. Das war richtig gut.

Aber das war noch nicht das Ende vom Lied an diesem Festivaltag. Bevor Die Nerven als Tagesabschluss die Freibühne enterten, überraschten das Open Flair und die Initiative Kein Bock auf Nazis die Festivalbesucher mit einer Drohnenshow. Aber seht selbst.
Wer nach Yungblud noch einmal eine komplett andere Show erleben wollte und mit deutschem Post-Punk etwas anfangen kann, war bei Die Nerven absolut richtig. Natürlich hielten nur noch einige hundert Festivalbesucher*innen durch, aber selbst das machte die Show zu einem besonders stimmigen Erlebnis. Obwohl mein Lieblingssong „Ich will nicht mehr funktionieren“ nicht gespielt wurde, verließ ich das Werdchen sehr glücklich und werde mich wohl weiter mit Die Nerven beschäftigen müssen.
Open Flair 2025 – Tag 4 mit I Prevail, H-Blockx uvm.
Auch die Antilopen Gang war beim diesjährigen Open Flair Festival dabei und unser erster Act an Tag 4. Das Rap-Trio brachte die Menge vor der Radio Bob! Bühne direkt in Bewegung. Viel mit Rap hat das insbesondere live aber nicht mehr zu tun, spielt die Band doch fast alle Songs im Punkrockstil. Macht natürlich Sinn, wenn man inzwischen ein ganzes Punkalbum veröffentlicht hat und eine talentierte Liveband am Start hat. Ich gebe zu, dass ich insbesondere bei der Antilopen Gang gelegentlich den einen oder anderen genialen Beat vermisse und manche Songs gerne in der originalen Albenversion gehört hätte. Live macht es dennoch Freude Danger Dan, Panik Panzer und Koljah Kolerikah bei der Arbeit zuzusehen und -hören. Insbesondere dann, wenn man bei 29 Grad eine schöne Wasserschlauchdusche von Danger Dan abbekommt. Merke: Wasserdusche bei absoluter Hitze = ja gerne! Wasserdusche bei kühlen Temperaturen am Abend/Nacht = nein danke!
Nachdem ich bei der Antilopen Gang bereits Vollgas gegeben hatte, habe ich ein eher entspanntes Konzert bei Ennio auf der gegenüberliegenden Bühne erwartet. Der Sänger gehört zur neuen Deutschpop Garde und hatte schon einige Hits, wie „Kippe“ oder „König der Nachbarschaft“. Trotz seines Erfolgs wirkt er sehr bodenständig und sympathisch. Mit seiner entspannten Art und seinen abwechslungsreichen Liedern gelang es ihm das Publikum in seinen Bann zu ziehen und die verschiedensten Emotionen in die Gesichter des Publikums zu zaubern. Neben den ruhigen, emotionalen Momenten schaffte Ennio es, dass wir im Publikum in der Nachmittagssonne ausgelassen mitsangen und -tanzten. Dies hat eine Menge Spaß gemacht und darf gerne wiederholt werden.
Weiter ging es an dem Tag mit den Briten Nothing but Thieves. Ich hatte schon auf anderen Konzerten der Band erlebt, dass es ein wenig dauert, bis die Crowd in das Set reinfindet. So war das auch hier der Fall. Ein wenig schien dies auch Connor Mason, dem Sänger der Band, aufgefallen zu sein, der sich das Lachen nicht verkneifen konnte, als an mehreren ungeeigneten Stellen die Konfetti-Kanone los ging. Wer die Songs von Nothing but Thieves nicht kennt, hat es nicht ganz leicht sich live einzufinden, auch nicht die Konfetti-Kanone. Die Stimmung änderte sich nach den ersten Ansagen dann aber schlagartig und Publikum und Band wurden warm miteinander. Schon öffneten sich die ersten Moshpits und die Menge fing an mitzusingen und zu springen. Danach war es wie immer eine Freude Nothing but Thieves live zu erleben und mit ihnen gemeinsam ihre Songs zu feiern.

Am Baumkreis bzw. der Freibühne ging es Schlag auf Schlag weiter mit der ersten Band, die ich jemals live gesehen habe: Itchy. Meine erste Liveband (Rheinkultur 2011), die ich meiner Erinnerung nach danach nie wieder gesehen habe, hat inzwischen diverse weitere Alben veröffentlicht, Teile ihres Namens abgegeben – aber ein festes Bestandteil ihrer Liveshow gibt es immer noch – der Crowdsurfausflug auf dem Gitarrencover. Bevor die Action so richtig starten konnte, hatte die Band aber mit einem Stromausfall zu kämpfen, der mit einer guten Comedyeinlage verarbeitet wurde. Nachdem der Sound bereits nach den ersten beiden Songs komplett weg war und zunächst einige Verwunderung herrschte, stimmte das Publikum unisono in „Zugabe, Zugabe“-Rufe ein. Itchy nahmen den Gag sofort auf, verbeugten sich und taten so als würden sie die Bühne nun verlassen. Als der Strom kurz darauf wieder da war, folgte gleich die Ansage „Wollt ihr endlich mal einen Song hören?“. Eine sympathische Band, die mich musikalisch zwar nicht mehr gänzlich erreicht, definitiv aber eine dieser Band ist, die immer gute Laune verbreitet und immer wieder gebucht werden kann. Da macht man wirklich gar nichts falsch.
Schon klangen die ersten Töne des heutigen Headliners I Prevail hinüber und ich machte mich auf den Weg zur Hauptbühne. Obwohl ich sehr viel Metalcore höre, bin ich immer noch überrascht, wie I Prevail in kürzester Zeit so groß werden konnten. Diese Band ist so riesig geworden, dass mir vor der Buchung nicht klar war, dass wir hier scheinbar schon über Headlinerlevel auf einem mittelgroßen deutschen Festival sprechen. Ich denke das diese Debatte auch noch nicht zu Ende geführt ist. Die Show war jedenfalls sehr gut, wenn sie auch deutlich hinter dem zurückblieb, was am Vortag von Yungblud abgeliefert wurde – dem wohl schon bald niemand mehr einen Headlinerstatus abstreiten wird. I Prevail begannen ihr Set gleich mit einem ihrer größten Hits „Bow Down“, sofort ging es zur Sache. Die Band überzeugt mit hartem Sound mit aggressivem Screams kann aber schlagartig sofort in extrem eingängige Melodien und wunderschönen Cleangesang wechseln. Einen riesigen Screen, der den nicht so Textsicheren das eine oder andere Mal aushelfen konnte, hatte die Band aus den USA ebenfalls mitgebracht. I Prevail sind mit Sicherheit eine starke Liveband, gerade bei den Growls und Screams von Frontmann Eric Vanlerberghe hat man das gemerkt. Davon können sich Genrekollegen gerne noch eine Scheibe abschneiden. Aber für viele Open Flair Besucher*innen war die Band zu unbekannt oder zu uninteressant, das Gelände war jedenfalls nur zur Hälfte gefüllt. Ich bin zufrieden damit die Band einmal gesehen zu haben, zwei Songs sind direkt danach noch in meine Playlist gewandert. Großer Fan werde ich aber wohl zeitnah nicht.
Viele, die I Prevail zu hart fanden, besuchten auf den anderen Bühnen die vielen Alternativen. So trat Sven Bensmann im Kleinkunstzelt auf. Bensmann war am Mittwoch bereits mit seiner Band Hi! Spencer auf der Seebühne. Samstags kam er erneut zum Open Flair, diesmal als Comedian, gemeinsam mit dem Pianisten Jan Niermann, der ebenfalls bei Hi! Spencer spielt Anders als die Seebühne am Mittwoch, ist das Kleinkunstzelt für viele Besucher eine gute Anlaufstelle, um sich kurz auszuruhen und eine kleine Verschnaufpause vom langen Festivaltag zu bekommen. Doch Bensmann lies diese Erholung mit seinem Programm Svenomenal erst gar nicht zu, im besten Sinne. Er überzeugte ab Sekunde eins durch seine Publikumsinteraktion, der Energie und seiner einzigartigen rauen Stimme. Einige seiner Skits und Lieder, wie „Filmmusik meets Lyrics“ oder dem Dino-Song sind bei TikTok und Insta schon viral gegangen. Live hatte er noch ein paar weitere umgedichtete Songs dabei, die vom Publikum unter lautem Jubel abgefeiert wurden. Bensmann könnte mit seiner markanten Stimme wahrscheinlich alles singen, was er direkt unter Beweis stellte, indem er Pimmelwitze musikalisch vortrug. Die Menschen im Kleinkunstzelt waren begeistert und brüllten vor Freude. Bei diesem fantastischen Auftritt gab es wenig Zeit für Erholung, denn Bensmann machte aus dem Kleinkunstzelt ein Partyzelt.
Eine ganz andere Art von Party gab es bei Andy Strauss. Strauss, der für seine verrückten Ideen bekannt ist, vollzog wohl eine der verrücktesten Aktionen dieses Wochenendes. So begann er seine Rave-Messe im E-Werk. Das E-Werk war bereits brechend voll und die Luft darin zum Schneiden. Doch die Menge schien das nicht zu stören, sie waren im Rave-Modus. Nicht nur in der Halle, sondern auch davor versammelten sich immer mehr Menschen, denn Strauss zog mit der Party-Menge in einem Laternenumzug vom E-Werk, einmal durch das Zentrum von Eschwege, bis zum Elektrogarten. Dabei wurden Songs, wie „Ich geh‘ mit meiner Laterne“ oder „Wonderwall“ von einer Box abgespielt und von der Menge abgefeiert und mitgesungen. Immer wieder kamen kaum verständliche Ansagen von Andy Strauss durch die Anlage. Die Menge war am Feiern und hatte richtig Bock. Am Elektrogarten angekommen, ging das Set Strauss‘ weiter. Neben harten Elektrobeats, wurden immer wieder bekannte Songs reingesampelt. Gleichzeitig predigte Strauss weiter durch sein Mikro. Man wusste gar nicht genau, was er dort erzählte und was mit einem geschah. Zwischendurch wurden Menschen in der Menge getauft oder ein Paar verheiratet. Auch im Nachhinein fühlt es sich immer noch an, wie ein Fiebertraum und Andy Strauss hat erneut bewiesen, dass er zwischen Genie und Wahnsinn wandelt.
Während andere sich bei der illegalen Rave-Messe taufen ließen, war die Rockfraktion auf der Seebühne zu finden. Mit H-Blockx stand hier der Abschlussact dieser besonderen Bühne in den Startlöchern und lieferte zu meiner Überraschung richtig ab. Frontmann Henning Wehland kam aus dem Staunen gar nicht heraus über das – seiner Aussage nach – größte Konzert der H-Blockx seit vielen, vielen Jahren. Die Band ist nach längerer Pause wieder sehr aktiv am touren und befindet sich aktuell auch in der Produktion eines neuen Albums. Die Seebühne war in der Tat sehr gut gefüllt und viele Fans kannten hier auch deutlich mehr Songs als lediglich „Move“ oder „The Power“. Natürlich war die Stimmung bei diesen beiden Hits gigantisch, aber auch viele weitere Songs der H-Blockx wurden richtig abgefeiert, dazu zählt das „Ring of Fire“-Cover, dass Johnny Cash laut Aussage von Henning Wehland immer richtig scheiße fand, „Rising High“, „How Do You Feel?“ und „Little Girl“. Ich war ziemlich begeistert am Ende des Konzerts, definitiv eines der Highlights dieses Festivalwochenendes. Das hätte ich so auch nicht erwartet.
Open Flair 2025 – Tag 5 mit Dilla, Juli, Papa Roach uvm.
Letzter Tag – die Füße tun weh, die Mückenstiche jucken, der Sonnenbrand brennt. Egal – es muss weiter gehen. Wir sind ja nicht zum Spaß hier. Am letzten Festivaltag ging es endlich auch einmal zur Hofbühne. Diese befindet sich direkt vor dem zentralen Festivalgelände mit Radio Bob! Bühne und Freibühne. Die Hofbühne ist eine kleine süße Bühne mit tollen Sitzgelegenheiten. Leider ballerte die Sonne aus vollster Kraft auf den Platz, so dass das Konzert von Temmis eine Herausforderung war, besonders mit bereits vier Festivaltagen in den Knochen. Nichtsdestotrotz kamen circa hundert Zuschauer*innen zur Hofbühne und genossen die Musik von Temmis, die ich im weitesten Sinne als deutschen Rock mit 80er Jahren Einschlägen und treibenden Beats bezeichnen würde. Leider verpasste ich meinen absoluten Lieblingssong, da es direkt weitergehen musste zur Freibühne zu Blackout Problems.
Wer die Blackout Problems schon einmal live gesehen hat, der weiß, wie viel Energie die Band auf die Bühne bringt. Insbesondere Frontmann Mario Radetzky war bereits beim ersten Song sofort in der Menge, stand dann auf der Viva con Aqua-Tonne, tauchte kurz darauf im Pit und dann wieder auf der Bühne auf. Und so zog es sich nahezu durch das gesamte Set, immer wieder eilte Mario Radetzky in die Menge, dann wurden Bengalos gezündet, Enter Shikari-Frontmann Rou Reynolds schaute als Gast für einen Song vorbei und schon war Radetzky wieder in der Menge. Eine wahnsinnige Energie, die sehr viele Menschen vor der Bühne begeisterte. Mich persönlich erwischte das Konzert leider in einem absoluten Nachmittagsdurchhänger, so dass ich das Konzert nicht all zu sehr genießen konnte. Das lag aber, da bin ich mir sicher, sehr viel an mir und wenig an der Band, die hier gut abgefeiert wurde und auch einen respektablen Job gemacht hat. Erwähnenswert ist sicherlich noch, dass die Blackout Problems bei ihrem letzten Song “Rome” einen Moshpit extra für alle Frauen und LGBTIQ+-Personen aufmachten bzw. alle Männer baten für diesen Moment den Moshpit zu verlassen.
Auf der Radio Bob! Bühne ging es dann weiter mit einem meiner Highlights des Wochenendes: Enter Shikari. Mein inzwischen achtes Konzert der Band, die wirklich zu meinen absoluten Favorites gehört. Leider war die Ernüchterung sehr schnell sehr groß. So groß, dass Enter Shikari, das kann ich bereits schon einmal spoilern, meine Enttäuschung des Wochenendes wurden. Der Sound dieses Auftrittes war insbesondere in den ersten 15 Minuten wirklich unterirdisch. Alles klang blechern, Rou Reynolds als Frontmann war extrem leise, generell war der Sound auf einmal absurd leise. Das war er zuvor nicht und das ist er auch daran nicht wieder. Ich war komplett verwirrt und ging einmal alle Ecken vor der Bühne ab. Aber insbesondere im vorderen Block war der Sound überall richtig schlecht. Das Schlagzeug war zu laut und übertönte alles und es klang extrem blechern, ebenso der Bass. Leider nicht das erste Mal, dass ich bei Enter Shikari schlechten Sound erwischte. Ich verstehe es wirklich nicht. Insbesondere bei Open Airs ist es schon häufig negativ aufgefallen, in der Halle dagegen finde ich den Sound der Band jedes Mal richtig richtig gut. Als Laie habe ich zwar den Eindruck, dass Enter Shikari eine schwierig abzumischende Band ist. Trotzdem kann es nicht so laufen, dass mir und vielen anderen Menschen vor der Bühne sofort auffiel, dass hier irgendwas nicht stimmt. Auf meinem Weg einmal von rechts nach links und wieder zurück nach rechts landete ich schließlich ziemlich direkt vor dem FOH. Wenn der Soundtechniker der Meinung war, dass das so klingen sollte, dann sollte doch auch ich direkt vor dem FOH der Meinung sein, dass hier der Sound in Ordnung ist. Und das war er – warum auch immer – tatsächlich. Aber auch wirklich nur exakt hier. Schon 10 Reihen weiter vorne war es nur noch Bass und ein wummerndes Schlagzeug. Leider hat der massiv schlechte Sound mir den Auftritt versaut, auch wenn ich dann hinten am FOH wieder etwas glücklicher wurde. Denn Enter Shikari gaben auf der Bühne mal wieder alles, inklusive der schrägen Tanzeinlagen von Rou Reynolds und einem für mich neuen tollen Bühnenbild. Aus familiären Gründen konnte Gitarrist Rory Clewlow nicht dabei sein, ein befreundeter und mit den Songs vertrauter Techniker konnte ihn aber für diesen Gig gut ersetzen. Ebenfalls ernüchternd empfinde ich inzwischen die Setlist, aber das ist wohl Geschmackssache.

Auf ein Tief folgt ein Hoch, sollte man meinen oder? Leider falsch gedacht. Auch der Auftritt von Dilla, die im Anschluss auf der Freibühne auftrat, gefiel nicht. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich darüber mal beschwere, aber wieso müssen auf einmal alle Künstler*innen Livebands haben? Versteht mich nicht falsch, ich liebe Rockmusik. Ich liebe alles mit echten Gitarren und Bass und Drums. Aber ich mag auch HipHop und Elektro, ich möchte auch einfach mal die Beats hören, gerne dann auch vom Band bzw. einem DJ, der sie live auflegt. Oben schrieb ich bereits, dass ich es bei der Antilopen Gang schon schade finde, dass die HipHop-Beats so in den Hintergrund geraten. Dort macht es aber noch Sinn, dass die Rapcrew auch eine Band am Start hat, immerhin haben sie ein ganzes Punkalbum veröffentlicht und viele punkige Songs geschrieben. Bei Dilla machte die Liveband überhaupt keinen Sinn und war einfach fehl am Platze. Das zeigte sich insbesondere zum Ende ihrer Show. 90% der Show bestanden aus deutschem Pop/Rock. Dilla sang, die Band spielte, die Stimmung war gut. Zwei ihrer größten Hits, „Photosynthese“ und „Willst du“ bildeten das Finale ihres Auftritts. Auf einmal kamen Beats vom Band, die Band hatte ihre Instrumente bereits zur Seite gelegt und tanzte hinter Dilla auf der Bühne mit. Schlagartig, natürlich auch wegen der Hits, war die Stimmung gigantisch. Wofür also zuvor die Band? Die meisten erfolgreichen Songs von Dilla leben von ihrer Stimme und den auftreibenden Beats. Mit einer Band beraubt sie sich völlig dieser Dynamik und der abrupte Wechsel gegen Ende des Konzerts hat sich vor Ort sehr merkwürdig und unlogisch angefühlt. Leider auch eher einer der Flops des Wochenendes.
Nach zwei enttäuschenden Auftritten bot der Sonntagabend aber noch ein echtes Highlight. Zu Juli war die Freibühne so voll, wie das ganze Wochenende nicht. Klar, es gab kein Gegenprogramm mehr auf den anderen Bühnen, aber viele waren hier auch vor Ort, um Held*innen ihrer Kindheit und Jugend noch einmal live zu erleben. Bereits 2023 bin ich in den Genuss eines Juli Konzertes gekommen und bereits dort war es fantastisch. Tatsächlich gefällt mir auch das neue Album sehr gut. Das haben nicht so viele Leute gehört, umso lauter war die Menge aber dann bei all den alten Hits. Und davon gab es einige zu hören: „Regen und Meer“, Die perfekte Welle“, „Elektrisches Gefühl“, „Wir beide“ und und und. Frontfrau Eva Briegel erzählte auf der Bühne, dass dies erst das zweite Konzert jemals beim Open Flair ist. 2005 war die Band zu ihrer Hochphase einmal dort und nun erst 20 Jahre später haben sie es wieder nach Eschwege geschafft. Die Spielfreude merkte man der Band deutlich an. Was ein schönes emotionales Konzert bei dem man sich noch einmal an alte Zeiten erinnern konnte und viele vergessene deutsche Pop/Rock-Hymnen nochmal den verdienten Applaus erhalten haben.
Als Abschlussheadliner für das Open Flair waren Papa Roach gebucht und ich sage gleich vorweg, dass ich das vollkommen okay finde. Die Band hat inzwischen eine beachtliche Größe erreicht, ist auch mit ihren neuen Songs weiterhin erfolgreich, auch wenn den meisten wohl lediglich „Last Resort“ ein Begriff sein dürfte. Aber das ist eben einer dieser Songs, die auch heute noch auf jeder Party so gut funktionieren als wären sie letzte Woche veröffentlichen worden und wären gerade der absolute Hype. Eine großartige Bühnen-Performance von Jacob Shaddix, Feuereffekte, eine guten Lichtshow, riesige Leinwände auf denen jeder Song mit stimmigen (manchmal auch ekligen) Animationen hinterlegt wurde – was will man mehr erwarten von einem Headliner dieser Größe? Auch das Open Flair muss sich an den finanziellen Realitäten orientieren und ich finde, dass das mit Papa Roach als Headliner gut gelungen ist. Eine Besonderheit bei Papa Roach Shows ist sicherlich ein Moment in der Mitte des Sets, indem ein Video zum Thema Mental Health eingespielt wird, in dem Jacob Shaddix für das Thema sensibilisiert und mitteilt, dass die Band eine Summe bei jeder ihrer Shows an eine lokale Organisation spendet, die sich um Betroffene kümmert bzw. mit Mental Health-Themen auseinandersetzt.
Open Flair – das beste Festival Deutschlands?
Wie ist also mein Fazit nach dem vielen positiven Worten, die ich im Vorfeld über das Open Flair gehört habe? Ich bin ganz begeistert. Das Open Flair ist ein fantastisches Festival – vielleicht wirklich eines der besten in Deutschland, wobei ich es schwierig finde große Majors wie Rock am Ring oder Hurricane hiermit zu vergleichen. Ebenso macht der Vergleich mit ganz anderen Events wie Tagesfestivals keinen Sinn. Das Open Flair braucht auch keinen Vergleich, es ist so wie es ist sehr sehr gut. Die Stadt Eschwege wird zum Festivalgelände und überall befinden sich Bühnen: im Schlosspark, am Werdchen, im E-Werk oder am See. Die Festival-Besucher laufen in Scharen durch den Ort und genießen die lokalen Läden, wie bei einem Stadtfest. Die Eschweger bereiten sich das ganze Jahr für diese fünf Tage Ausnahmezustand vor. So werden viele Läden, Wohnungen und Garagen auf der Brückenstraße und Mangelgasse zu Kneipen und Kiosken, die von Festivalbesuchern und Einheimischen ebenso besucht wie abgekultet werden. Daher gehört ein Besuch „bei Gitte“ ebenso zum Festival, wie eine Wurst oder die sehr zu empfehlenden Pommes mit grüner Soße beim örtlichen Metzger „Happel“. Viele Faktoren, die auf anderen Festivals nerven, waren überhaupt kein Problem. Kaum Wartezeiten an Getränkeständen und Toiletten, wer nach vorne wollte, kam eigentlich immer nach vorne. An jeder Bühne fantastische Sicht auch von hinten – man braucht einfach nur entweder ein leicht abschüssiges Gelände oder eine hohe Bühne (looking at you, Palladium) – beim Open Flair war auch noch beides der Fall sowohl an der Radio Bob! Bühne als auch an der Seebühne.

Der herausragendste Punkt für mich ist aber ein anderer: Ich habe in 13 Jahren Festivals noch nie so ein friedliches Festival erlebt. Ganz eindeutig trägt die entspannte Security, die selbst eine Party mit Konfetti, Wasserschlauch und allerlei Publikumsinteraktionen veranstaltet, dazu bei, dass auch das Publikum entspannt bleibt. Auch alle anderen Freiwilligen, die dieses Festival selbst lieben und leben, tun alles dafür, dass alle gemeinsam eine gute Zeit haben. Aber auch die Zusammensetzung des Publikums tut ihren Teil: Viele Familien mit kleinen Kindern, Rentnerinnen und Rentner – Menschen allen Alters und Geschlechts sind hier auf dem Gelände unterwegs und dadurch wirkt die Stimmung fast durchgehend locker und gar nicht aggressiv. Ich habe auch am gesamten Wochenende niemanden erlebt, der völlig über die Maße alkoholisiert war. Die Mischung der vielen verschiedenen Menschen sorgt für teils herrliche Bilder, bei denen Senioren sich von Future Palace anbrüllen lassen oder kleine Kinder auf den Schultern des Vaters mit Schnulli im Mund Royal Republic gucken.
Kritisch wird von vielen inzwischen das Line Up gesehen. Auch das Open Flair kann die Preise, die inzwischen viele Bands bzw. deren Managements aufrufen nicht mehr mitgehen. Und so werden wir wohl auch in den nächsten Jahren kaum noch wirklich große internationale Bands in Eschwege erleben. Das ist schade, gleichzeitig steigen die Ticketpreise stetig an, da auch alle anderen Kosten abseits des Bookings immer weiter nach oben schießen. Für viele kleinere Festivals ist das ein Todesurteil, dass hat das Jahr 2025 bereits traurigerweise gezeigt mit vielen bekannten Festivals, die zum letzten Mal stattgefunden haben. Man kann nur hoffen, dass das Open Flair und auch andere Veranstalter der mittelgroßen Augustfestivals weiterhin kreative Wege finden, um dennoch ein Line Up zusammenzustellen, dass viele Menschen überzeugt.
Die Tickets für das Open Flair 2026 sind bereits in den Verkauf gegangen und hier erhältlich. Bereits am kommenden Sonntag sollen die ersten Bands für die Ausgabe im nächsten Jahr veröffentlicht werden.
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