Die Anti-Alles-Haltung des Punks hat sich in den letzten 40 Jahren weitgehend verflüssigt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus der eigentlich eher antisozialen Stil- und Musikrichtung eine Bewegung, die sich deutlich linkspolitisch orientierte und nach und nach auch kommerzialisierte – man betrachte nur die Welle großer Punk-Rock-Bands der 90er: Green Day, blink-182, The Offspring, Die Ärzte. In den letzten 1,5 Dekaden rückte das Genre dann immer weiter in Richtung Sparte und spielte sich – man lasse die etablierten Künstler außen vor – vor allem in den alternativen Zentren und kleinen Clubs ab, brachte jedoch auch nur gelegentlich aufregende neue Acts hervor. Zu der vielversprechenden aktuellen Punk-Generation gehören unter anderem PUP aus Kanada, die zwar noch nicht ganz aus den Kellerclubs herausgekommen sind, im letzten Jahr jedoch bereits als Opener für Frank Turner Arena-Luft schnuppern durften. Im bereits monatelang ausverkauften Musik und Tanz Club auf der Kneipenmeile Zülpicher Straße lud das Quartett auf eine intensive Zeitreise in die Hochzeiten des Punk ein.
Bereits bevor PUP den langgezogenen Raum in einen schwitzigen Hexenkessel verwandeln, sorgen die vielen eng aneinander gereihten Körper, die Schulter an Schulter vor der flachen Bühne warten, für eine sengende Hitze, die während Milk Teeth, die heute sprichwörtlich die Aufheizer-Rolle übernehmen dürfen, gefühlt um ein vielfaches ansteigt – und das obwohl noch niemand im Raum wirklich zu der Musik der Briten tanzen will. Der Auftritt der Indie-Punk-Rocker überzeugt trotzdem: Vielleicht weil das verspielte Songmaterial der Band gut zum Hauptact passt oder vielleicht weil das Trio den wohl glücklichsten Schlagzeuger der Welt im Gepäck hat. Wer weiß.
In der Umbaupause springt dann auf einmal die Lüftung an und der Raum füllt sich mit kleineren Mengen frischer Luft. Während PUP nimmt die Temperatur trotzdem nochmal merklich zu. Schon zum Opener „Morbid Stuff“, dem Titelsong der aktuellen Platte des Quartettes, verwandelt sich die Tanzfläche vor der Bühne in einen tobenden Mob. Immer wieder landet die erste Reihe deshalb auch zu den Füßen der Musiker. Die Fans sind textsicher. Das macht sich bereits im ruhigeren Outro der Punk-Hymne bemerkbar. Wenige Minuten nachdem die vier Musiker sich ihre Instrumente umhingen, äußern sich bereits massig Kernelemente des Genres mit der bewegten Vergangenheit: Singalongs, Pogo, ein hohes Energielevel und literweise Körperflüssigkeiten.
Im Verlauf ihres 55-minütigen Sets – die Konzertlänge ist demnach auch total punk – lässt die Band diesen Spirit noch mehr hochleben. Immer wieder erkundigt sich Frontmann Stefan Babcock bei den ersten Reihen, ob es allen noch ok gehe, reicht Getränke in die Menge. An dieser Rücksichtnahme orientiert sich auch der Großteil des Pogos. In den begibt sich der zierliche, kleine Kanadier dann für „Scorpion Hill“ auch und schmettert gemeinsam mit den Fans ohrenbetäubende „Oh-Eh“-Chöre (voll punk!) gen Bühne. Die 300 Menschen in dem verwinkelten Keller sind häufig so laut wie ein ganzes Stadion – zumindest gefühlt. Außerdem feiert Gitarrist Steve Sladkowski heute seinen 31. Geburtstag. Da darf das obligatorische „Happy Birthday“, logischerweise in einer möglichst schiefen Version, ebenfalls nicht fehlen. Später verweist das Geburtstagskind – nicht mehr wirklich im Kindesalter – darauf, dass die Band jeden Abend ihrer Tour eine Spendenbox am Merchstand aufstellt, deren Erlöse einer lokalen Hilfsorganisation zu Gute kommen. Auch dieser Glaube daran, dass selbst die kleinsten Gesten etwas in Bewegung setzen und helfen können, liegt mittlerweile tief im Punk verankert.
Passend zu der mit Konventionen brechenden Attitüde des Punk kündigen PUP nach zwölf Songs an, sie würden komplett auf Zugaben verzichten. Dafür folgen nun die letzten zwei Songs des Abends, die einfach nahtlos an das Hauptset anknüpfen. Einige wenige Fans protestieren, die Band schert sich nicht darum – no fucks given. Wer also eine Nachhilfestunde im Thema Punk-Attitüde, -Lebensgefühl und -Einstellung braucht, dem kann der Besuch eines PUP-Konzertes Abhilfe leisten. Ganz abgesehen davon macht eine PUP-Show aber auch einfach verdammt Spaß.
Im November kehren PUP wieder nach Deutschland zurück. Tickets dafür gibt es hier.*
Das aktuelle Album “Morbid Stuff” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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PUP live 2019:
07.11. – Köln, Luxor
10.11. – Hamburg, Knust
11.11. – Berlin, Bi Nuu
13.11. – Wien, Chelsea (AT)
14.11. – München, Backstage
Foto von Jonas Horn.
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