Eigentlich planten sie etwas Neues und wollten es nochmal wissen. Die irische Rockband The Cranberries gründeten sich 1989 und erlangten 1995 mit ihrem Klassiker „Zombie“ einen Hit für die Ewigkeit. Das dazugehörige Album verkaufte sich weltweit fast 13 Millionen Mal und legte den Grundstein zu einer erfolgreichen Karriere, die gute fünf Jahre anhielt. Zwar folgte kein so großer Übersong mehr, dafür aber immerhin sieben weitere Entries in den deutschen Singlecharts und insgesamt sechs Mal die Top 20 in der Heimat Irland. Nach dem Millennium ging der Erfolg drastisch zurück. Zwei weitere Studioalben wurden noch veröffentlicht und Sängerin Dolores O’Riordan schickte ebenfalls zwei mittelmäßig laufende Longplayer raus. 2017 dann ein erstes Lebenszeichen nach fünf Jahren kreativer Pause: „Something Else“, eine Art Best Of mit sämtlichen Hits im neu arrangierten Outfit und ein paar Gigs obendrauf. Das sah doch ganz gut aus.
Parallel dazu wurde an einem neuen Studioalbum gearbeitet. Das 2012 erschienene „Roses“ lag schon eine Zeit zurück. Doch am 15.1.2018 kam ein Ereignis dazwischen, dass das Ende der Gruppe einläutete: Dolores ertrank mit gerade einmal 46 Jahren in einer Hotel-Badewanne in London. Sie befand sich dort für Aufnahmen im Studio. In ihrem Blut wurden 3,3 Promille entdeckt – Alkoholvergiftung. Außerdem nahm sie verschreibungspflichtige Medikamente ein. Offiziell gilt ihr Tod als Unfall. Sicher ist man sich aber nicht.
Nach einem guten Jahr Trauer und Überlegung entscheidet sich die restliche dreiköpfige Band dazu, die bereits fertig eingesungenen Tracks zu bearbeiten und als finales Album zu veröffentlichen. Das gibt es nun ab Ende April zu erwerben und hört auf dem passenden und gleichzeitig schal schmeckenden Namen In the End.
Elf Songs, die knapp 42 Minuten Musik ergeben, sind also nun das letzte Lebenszeichen der Band, die danach mit hoher Wahrscheinlichkeit das Projekt endgültig an den Nagel hängt. Gerade bei Werken, die posthum erscheinen, ist immer die Schwierigkeit, ob ein in sich schlüssiger Sound gefunden werden kann oder alles einen zu starken Democharakter aufweist. Diese Befürchtung kann glücklicherweise verneint werden. Allerdings bietet das Vermächtnis für O’Riordan kaum Substanz und plätschert fast ohne Besonderheiten an einem vorbei.
Dabei beginnt mit der Vorabsingle „All Over Now“ alles noch recht mitreißend. Die gelungene Gitarren-Hook führt elegant durch den vorantreibenden Song und macht den Opener zu einem guten Alternative-Rocktrack. Gleiches gilt für das noch eine Spur lautere „Wake Me When It’s Over“. Beide Titel zeigen die Individualität der Cranberries und stellen gekonnt die Mischung aus gewohntem Sound und gleichzeitig wenig ausgelutschten Melodiebögen dar.
Alles andere geht dann aber wegen des fehlenden Esprits verloren. Es wird weder richtig geschmettert, noch eingängig gesungen, noch großes Gefühlskino aufgefahren. Stattdessen kommt und geht die Dreiviertelstunde ohne Eindruck zu hinterlassen. Auch die Variation im Tempo fällt spärlich aus. Da schmiegen sich zwar Countryausritte wie in „A Place I Know“ angenehm ans Gehör, fallen aber nach wenigen Sekunden auch schon wieder hinten über. Auch emotionalere Akustiksongs wie der Abschluss „In The End“ probieren erst gar nicht, groß zu werden, sind aber auch nicht intim genug, um trotz tragischer Thematik zu treffen.
Mit The Cranberries findet eine der letzten großen Rockbands der 90er nun ihr frühzeitiges Ende. Das schmerzt definitiv und raubt der Musikwelt einen weiteren spannenden Aspekt irischer Songschreiber. Umso ernüchternder ist es, dass trotz gut klingender Sounds aus den letzten Demoaufnahmen mit Ausnahmestimme Dolores O’Riordan überwiegend Langeweile zusammengeschustert wurde. Fans werden und sollten aber ihre Diskographie mit dem womöglich letzten Output vervollständigen.
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