Abschied zu nehmen fällt nicht immer leicht. Als Allround-Talent Tobias Jundt alias Bonaparte Ende September bekannt gab, dass es sich bei der kommende Tour zum Langspieler „Was Mir Passiert“ um die letzte Tour des Projektes handeln werde und man einen Schlussstrich unter Bonaparte setzen würde, empfingen die Fans das nahende Ende mit Warmherzigkeit. Die Kommentare unter den Social-Media-Posts zu der Ankündigung zeugen von der Liebe, die der oft schrägen Kunst in den vergangenen dreizehn Jahren entgegengebracht wurde – Erinnerungsfotos, Bitte um weitere Konzerte, Trauer um das Ende Bonapartes. Diese letzte Tour trug Bonaparte samt Mitmusikern und Performance-Künstlerinnen und -künstlern auch in das ausverkaufte Gloria Theater im Zentrum Kölns.
Transzendentaler Ausbruch aus der Lebensrealität
Die Schlange vor der Location reicht wenige Minuten vor Beginn fast bis zum benachbarten Neumarkt, auf dem sich Ende November bereits Weihnachtsmarkt-Bude an Weihnachtsmarkt-Bude reiht. Die wartende Menge liegt altersmäßig zumeist eher an der 30 als an der 20, raucht legale und illegale Substanzen und schüttet alkoholhaltige Hopfenbrausen in sich hinein. Der Abend dient vielen anscheinend als transzendentaler Ausbruch aus der harten Lebensrealität. Die Stimmung ist deshalb bereits ausgelassen als Tim Fite eine Viertelstunde nach eigentlichem Beginn auf die Bühne spaziert. 30 Minuten lang wird der US-Amerikaner das Wort „Publikumsinteraktion“ mit seinem Comedy-Rap-Folk-Mischmasch neu definieren. Die Bonaparte-Fans stellen sich als dankbares Publikum heraus, reißen die Arme über den Kopf, wenn gefordert, und leihen dem Künstler fleißig ihre Stimme.
Der Begriff „Künstler“ scheint bei dem quirligen Kerl voll und ganz angebracht. Wenige Minuten nachdem Jundt und seine zwei Mitstreiter ihr Set noch gesittet mit dem gelassenen „Melody X“ eröffneten, betritt Fite erneut die Bühne und beginnt auf Din-A3-Notiz-Blättern mit schwarzen Wasserfarben zu malen. Bis zur Zugabe liefert der verrückte Typ gleich mehrere Werke ab, die zumeist als abstraktes Wirrwarr beginnen, zum Schluss jedoch eindeutige Motive enthalten. Dass Bonaparte sich neben der Musik immer auch von seiner Artistik nährte, ist nichts neues. Wenn Jundt nach wenigen Songs das Hauptmotiv des Indie-Hits „Anti Anti“ anspielt, herrscht deshalb nicht nur im Publikum Ekstase, sondern auch auf der Bühne, die just von zwei Tänzer*innen betreten wird. Schwarze Riesenbälle schwirren durch den Raum, Leiber zucken vor der Bühne wild umher und Flackerlicht verwandelt das sonst so vornehme Theater in einen Untergrund-Club.
Neu und alt
Die folgenden 90 Minuten wird der Dancefloor zumeist ähnlich gut besucht und enthusiastisch betanzt bleiben. Die Stimmung ist fantastisch. Einzig wenn nach der Hälfte des Hauptsets zwei weitere Musiker – einer an der Gitarre, einer an den Keys – neben dem Kern-Trio auftauchen, um anschließend sechs Stücke des aktuellen Albums „Was Mir Passiert“ zu performen, wird deutlich in sich versunkener getanzt. Der Afrotrap-Einfluss, den man den Songs deutlich anhört weil Jundt für die Arbeiten an diesem an die Elfenbeinküste gezogen war, sorgt aber auch einfach für weniger Party-Faktor. Das liegt weniger an der Qualität der Kunst, als in deren Natur. Passenderweise stammen die beiden nun neu zugestoßenen Mitmusiker ebenfalls aus dem afrikanischen Land an der Westküste des riesigen Kontinents. In der Zugabe verpasst die fünfköpfige Band dem bereits zu Beginn gespielten Über-Hit „Anti Anti“ einen neuen Anstrich. Hier findet neu und alt zusammen.
Ciao Bonaparte
Jundt selber lehnt sich über sein Mikrofon, als wolle er das Machtgefälle zwischen sich und dem Abnahmegerät verändern, indem er dieses schräg von oben hinab anbrüllt. Wenn der 41-Jährige gerade nicht singen muss, treibt es ihn entweder auf oder in die Menge oder aber flott vom einen Bühnenende zum anderen. Die Laune des Kopfes hinter Bonaparte wird jedoch maßgeblich von Schwierigkeiten mit seinen In-Ear-Monitoren gemindert, die nahezu das gesamte Konzert nicht funktionieren wollen. Immer wieder läuft der zierliche Mann zwischen den Songs zur linken Seite der Bühne, gibt das Gerät seinem Techniker, bloß um ein Lied später nach einigen Takten wieder verzweifelt den Kopf zu schütteln. Funktioniert immer noch nicht. Mist. Die Fans lassen sich davon nicht beirren und bescheren Bonaparte einen stimmungsvollen Köln-Abschied. Zum Schluss gibt der selbst zu, die Show sei nicht einfach für ihn gelaufen, aber die Fans seien toll gewesen. Nur wenige Minuten nach dieser Ansage steht Jundt fast verloren ganz alleine auf der großen Bühne. Um seine Schultern hängt eine Akustik-Gitarre, er spielt eine reduzierte Version von „Into The Wild“ aus seinem vierten Studioalbum. Im Raum flackern immer mehr Feuerzeuglichter auf. Eine magische Atmosphäre liegt in der Luft. Ciao Bonaparte. Die Indie-Szene wird eure schrägen Performances vermissen.
Das Album “Was Mir Passiert” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Twitter / Instagram
Foto von Jonas Horn.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.