Beinahe psychedelisch: Slowdive, Live Music Hall Köln, 18.01.2024

Slowdive spielen in der ausverkauften Kölner Live Music Hall.

Langsam wird der Sog größer. Der Tunnel umspannt einen. Nach und nach. Die Außenwelt verschwimmt. Bewegungen in Zeitlupe und doch so schnell. Gedanken fliegen frei. Ein kurzer Wimpernschlag. Vorbei ist der Moment. Rausgezoomt. Wir befinden uns auf einem Konzert. Einem Konzert der britischen Shoegaze-Gruppe Slowdive. Es findet in der Kölner Live Music Hall statt, die bereits seit Monaten ausverkauft ist.

Und tatsächlich: Einmal flirrt ein Lichttunnel über die Leinen, die als Projektionsfläche dienen. Die Lampen flackern enorm. Die Band währenddessen holt zum großen Bogen auf, spinnt dichte Gewebe aus Hall und Ton. Fünf Musiker*innen schaffen diesen Ort, der Raum und Zeit vergessen lässt. Sie performen zwischen Licht-Konstrukten und vor einer Wand aus Projektionen. Kreise, Pillen, unausmachbare Formen tanzen zum Takt hinter ihnen. Einmal, kurz vor der Zugabe, da spielen sich die Instrumentalisten in den Bann, wenden sich in trautem Kreis dem Schlagzeug zu. Währenddessen brodelt hinter ihrem Rücken ein Lavastrom, gibt den Tonwellen den passenden Kontext.

“Ich habe ein paar tolle Schneemänner gesehen.”

Gleich drei Generationen an Menschen haben in Ehrenfeld eingefunden. Viele Mittvierziger der Generation X, die Slowdive noch zu ihrer ersten Blütephase in den 1990ern erlebt haben. Wohlmöglich in Brand gesteckt von dem Überalbum “Souvlaki”, das auch heute ausreichend Huldigung erfährt. Millennials, die durch die Reunion vor bereits knapp zehn Jahren auf Slowdive aufmerksam wurden und analog zur Band Streifen, Flanell und Skinny-Jeans tragen. Und einige Menschen aus der Gen-Z, aller Wahrscheinlichkeit nach durch Tiktok auf die großen Hits der 90er gestoßen. Eventuell aber auch durch das fantastische “everything is alive” aus dem letzten Jahr (auch das heute zu Genüge vertreten).

Sie alle haben sich erfolgreich durch den Schnee gekämpft, der am Vortag auf die Domstadt hinab gerieselt ist und Busse, Bahnen und Verkehr lahm gelegt hat. Darauf aufmerksam macht auch die Band. Es ist das einzige Mal, dass sie aus dem Floskel-Korsett aus obligatorischen Danksagungen ausbricht.

Beinahe Psychedelisch

Im Fokus stehen vor allem zwei der fünf Musiker*innen. Rachel Goswell, die als Sängerin, Keyboarderin und Gitarristin dem Sound der Band die charakteristische Tiefe gibt. Oft wippen sie und ihr halb blondierter, halb schwarz gefärbter Bob bedacht vom einen Bein auf das andere, von rechts nach links und zurück. Wenn sie an das hinter weißem Plüsch verborgene Mikrofon tritt, dann entspringen dort erdenfremde Harmonien. Diese umschließen und schmusen mit dem, was ihr Kindheitsfreund und Ex-Partner Neil Halstead – der zweite Fokuspunkt – in sein Gerät haucht. Seine Stimme liegt mehr im Vordergrund, bettet sich oft jedoch in Goswells himmlischen Choral ein.

Das Auftreten sonst ist weder ekstatisch noch gelangweilt. Stattdessen scheinen sich Slowdive selbst in eine Art Entspannungswahn zu spielen. In einen Zustand der geistigen Hingabe zur Kunst. Was auf der Bühne geschieht, überträgt sich außerdem vor diese. Viele der Anwesenden begeben sich durch die Tür, die Mensch und Instrumentarium für sie öffnen. Schreiten in eine weitläufige Welt aus Gedanken und Sound. Alleine unter vielen. Nur die Musik und man selbst. Gefangen im Tunnel. Beinahe psychedelisch. Nicht wahr?

Mehr Slowdive gibt es hier.

Und so hört sich das an:

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