Green Day – Saviors

green day saviors cover

Nostalgie und Retro sind in. Alles kommt zurück. Gerade werden bekanntlich Songs der 00er-Jahre gecovert, und das ist überhaupt gar nichts Besonderes. Hin und wieder brauchen wir etwas sehr Bekanntes, was wir sehr lieben, um den Zugang zu etwas Neuem und Unbekanntem besser hinzukriegen. Doch manchmal ist es einfach nur was Altes und quasi gar nichts Neues und somit auch unnötig, weil es das Alte doch schon gibt. Damit wären wir bei Saviors, dem neuen Green Day-Album.

Mit 75 Millionen verkauften Einheiten lief es bei der US-Punkrock-Band mit der Karriere jetzt nicht ganz so schlecht. Direkt die erste LP auf einem Major-Label, „Dookie“, fegte wie ein Sturm durch die Musiknationen. Ganz besonders in der amerikanischen Heimat kann sich dem unverschämt eingängigen Sound des Trios gefühlt niemand entziehen. „When I Come Around“, noch mehr aber „Basket Case“ gehören zum absoluten Basis-Wissen des 90s-Punkrocks. Songs, die sich immer wieder sympathisch auf Playlists reinrempeln und für den Moment ganz schön happy machen. Exakt eine Dekade nach dem Durchbruch konnte man das Spielchen fast genauso erfolgreich wiederholen, und zwar in einer Zeit, in der man CDs eigentlich gebrannt statt gekauft hat. Aber „American Idiot“ gehört nichtsdestotrotz zu den meistverkauften Alben der 00s und ist dank einer noch höheren Dichte mit dem Titeltrack, „Boulevard of Broken Dreams“ und „Wake Me Up When September Ends“ für eine Generation danach ebenso pure Nostalgie.

Zweimal scheint auch allen Beteiligten zu genügen, denn weitere zwei Dekaden später, also heute, probiert man mit Saviors auf fast schon etwas unverschämte Art und Weise „American Idiot“ per copy and paste neu herauszubringen. Gab es dazwischen mehr als eine ganze Hand voll weiterer Longplayer, ist man bei diesem Versuch so nah wie nie an dem 2004-Megaseller. Das mag auch im ersten Augenblick schön sein, denn ganz heimlich wünschen wir uns alle doch noch die langersehnten Fortsetzungen. Allerdings weiß man schon nach Sekunden, dass das Gefühl von damals einfach nicht zurückkommt. Der Wunsch, dass die Band das Kunststück von damals wiederholt, ist kein wirklich authentischer Wunsch. Es ist einfach eine verklärte, emotionalisierte Sicht. Denn Saviors könnte genauso das Ergebnis einer KI sein, der man gesagt hat, sie soll ein Green Day-Album im „American Idiot“-Style ausspucken.

Billie Joe Armstrong hat in seiner fast 52-jährigen Stimme genügend Jugend beibehalten, doch das macht eben nur die halbe Miete. 15 Songs lang wird man gnadenlos angeteasert und angebumst. Allein schon der Opener „The American Dream Is Killing Me“ erinnert nicht nur im Namen an den Opener von vor einigen Jahren. Man kann die Dreiviertelstunde laufen lassen. Die fühlt sich auf jeden Fall nach Green Day an – ist aber wirklich sehr unkreativ und uninspiriert. „Look Ma, No Brains!“ oder „One Eyed Bastard“ spielen dasselbe Spiel und sind so langweilig wie das Musical zur Band, was es dankenswerter Weise bei uns nur in ganz wenigen Vorstellungen zu sehen gab.

Besser klappt es mit der Mitsing-Nummer-Sicher „Bobby Sox“, das sich schön grölen lässt, aber trotz Gitarrengewitter nicht über ein Güte-Siegel-C hinausdarf. „Dilemma“ hat den Teenage-Douchebag-Charme, den man liebt und geht dank leichter Rotz-Attitüde als bester Track durch. Knapp dahinter schafft es der stampfende Titelsong mit treibenden Drums die Fahne hochzuhalten. Ein wenig Spaß-Rock’n’Roll wartet in „Corvette Summer“, das zumindest die treuste Fananhängerschaft abfeiern wird, weil die Hook solide funktioniert und kleben bleibt. Vier Songs, die man als Ultra mit echter Vorfreude auf die Platte nach Erscheinen zumindest ein-, zweimal auschecken sollte.

Doch schon ungefähr ab der Mitte schleicht sich parallel unweigerlich das Gefühl ein, dass man den nächsten Titel – in dem Fall „Coma City“ – doch erst vor Minuten gehört hat. Oder vor 20 Jahren? Man weiß es nicht mehr genau. Aber man kennt ihn. Als ob die Band einfach in der Vergangenheit hängengeblieben sei. „Strange Days Are Here To Stay“ wäre ohne Lyrics auch GreenDay-Re-Re-Re-Re-Reload 4.0. Spätestens aber bei dem sehr jammerigen „Father To The Son“-Kitsch ist auch einfach mal gut. Ballert konsequent in die Feelings, aber in keine angenehmen.

Wie praktisch, dass die für Sommer angekündigte Tour bereits auf dem Plakat 30 Jahre „Dookie“ und 20 Jahre „American Idiot“ zelebriert und somit Saviors ganz bestimmt eher Beiwerk in der ersten Hälfte der Setlist wird. Denn Songs, die eigenständig funktionieren, sind rar. Warum aber auch groß im Studio Mühe geben, wenn die Tour der Fokus sein soll und nicht das maximal halbgeile Produkt, das wohl niemanden wirklich begeistern wird. Und wir wollen ja Begeisterung. Alles andere ist wasted youth.

Und so hört sich das an:

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4 Kommentare zu „Green Day – Saviors“

  1. danke! hab ich genau so gefühlt – durchgeskipped und eigentlich nirgends richtig hängengeblieben … copy : paste und ki trifft es echt gut, schadé! bissl mut zur lücke und zum „gereift“ sein, hätte dem album gut getan. also ruhiger ist ja nicht immer langweiliger wenn es catchy ist. so ist die platte leider nur generisches riffgerocke mit 90er attitüde und es bleibt ein hauch von pseudo betroffenheitsgejammer hängen.

  2. Ich selten so ein subjektives, sogar anmaßendes Review gelesen. Der Satz „Allein schon der Opener „The American Dream Is Killing Me“ erinnert nicht nur im Namen an den Opener von vor einigen Jahren.“ ist bezeichnend… Aber stimmt schon, die Stimme vom Sänger klingt verdammt ähnlich zu AI.

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