Leoniden sind gerade der heißeste Scheiß der Indie-Szene. Wir haben uns vor ihrer ausverkauften Show im Blue Shell in Köln mit Jakob Amr (Gesang, Synthies, Cowbell, ganz viel anderer Kram) und Lennart Eicke (E-Gitarre) getroffen und gemütlich in ihrem Van gequatscht, während der Einlass zu ihrer Show schon im vollen Gange war. Auch diesmal haben wir über derart viele Themen und lang gesprochen, dass wir euch nichts vorenthalten wollen, weshalb das Interview in drei Teilen erscheinen wird. Teil eins dreht sich um den vermeintlichen Hype um die Gruppe Leoniden, darüber wie dankbar die Jungs über das positive Feedback, welches sie von allen Seiten erhalten, sind und über ihre Heimat Kiel. Warum ist Kiel nun so viel besser, als alle anderen Städte?
minutenmusik: Hallo. Ihr seid momentan auf der großen Tour um euer selbstbetiteltes Debütalbum und jetzt auch schon seit einigen Wochen unterwegs. Wie läuft diese Tour bis jetzt so? Einige Shows waren ja auch ausverkauft.
Lennart: Gut! Also richtig gut. Da gibt es kein besseres Adjektiv für, außer eben gut. Wir sind eine kleine Band aus Kiel und hätten gedacht, dass da viele Städte dabei sind, wo dann so 10 oder 4 oder vielleicht auch 18 Leute stehen. Wir hatten aber tatsächlich überall um die 100 und dann die einigen, die noch viel voller waren. Berlin, Kiel, vorgestern in München war auch so gut wie ausverkauft. Magdeburg waren zum Beispiel auch 200 Leute. Das hätten wir uns niemals vorstellen können, dass da so viele Leute kommen. Das hat uns alle sehr überrascht. Wir sind da wesentlich pessimistischer ran gegangen. Wobei wir unseren Pessimismus nichtmal pessimistisch fanden, sondern sind von gar nichts anderem ausgegangen.
minutenmusik: Das ist glaube ich auch einfach natürlich. Wenn man etwas erwartet und im Nachhinein dann enttäuscht wird, ist das ja auch nicht gesund.
Jakob: Es ist auf jeden Fall klug ein bisschen pessimistischer zu sein. Aber wie Lennart gerade auch schon gesagt hat, war das gar nicht so extrem bei uns. Wir haben ja nicht gesagt „Das wird bestimmt ganz schön doof“, sondern nur „Dann kommen da halt 13 Leute in Würzburg. Ist dann so.“. Deswegen ist das jetzt alles richtig geil.
minutenmusik: Um euer Album ist zu Release ja auch ein kleiner Hype erzeugt worden. Wenn man gewisse Musikseiten abonniert hat, kam man um euch ja nicht drumherum. Da hat sich auch sehr viel Aufmerksamkeit auf euch gerichtet. Habt ihr da einen großen Druck verspürt, bevor das Ding dann endlich erschienen ist?
Lennart: Nö. Wir haben jetzt auch nicht so viel von diesem Hype mitbekommen. Wenn es denn einen Hype gibt, dann eh nur in unserer kleinen Indie-Blase. Das ist aber ja bei weitem nicht so, dass jeder mit uns was anfangen kann. Wenn du bei Rewe an der Kasse stehst und mal stichprobenartig fragen würdest, wer denn Leoniden kennt, da würdest du wahrscheinlich niemanden finden, der weiß, dass wir das sind. Wir sind alle ja irgendwie in dieser Musikbubble und, dass wir da gut besprochen wurden, das finden wir total toll und das hätten wir auch niemals gedacht – ähnlich wie mit der Tour. Das ist eine Riesen-Ehre, was wir da zum Teil über uns lesen durften. Aber es ist wirklich so, dass wir von ausverkauften Shows sprechen und dann 300 Leute meinen. Das ist mega viel, aber 99,99% aller Menschen können damit trotzdem nichts anfangen.
Mittlerweile sind die beiden ein wenig abgelenkt, weil ein Freund von ihnen gerade an der Location ankommt, sie ihm winken, dann aber bemerken, dass er sie durch die verspiegelten Fenster des Vans ja gar nicht sehen kann. So ein Mist aber auch!
minutenmusik: Wisst ihr was lustig ist? Wo wir gerade bei Musik-Bubbles sind. Ich war über Weihnachten bei meinen Eltern zu Besuch und da kommen ganz häufig Diskussionen auf, was für Musik wir zusammen denn jetzt hören. Ich musste mir in der Zeit ganz viele ganz schreckliche Spotify-Weihnachtsplaylists geben. Ganz selten habe ich es dann auch geschafft, dass wir beim Frühstück auch mal Indie- oder Rock-Playlists gehört haben. Da habe ich dann tatsächlich das erste mal einen Song von euch gehört und nachgeschaut, wer diese mysteriöse Band jetzt wohl ist. Und das in einer Indie-Playlist, die mein Papa angemacht hatte. Also: Mein Vater trägt die Schuld daran, dass wir heute hier sitzen und sprechen und er sollte euch auch kennen. Zumindest hat er schon mindestens ein mal einen Song von euch gehört.
Lennart: Oh geil! Viele Grüße an deinen Vater!
Jakob: Das ist total cool sowas.
Lennart: Das ist aber ja auch das geilste, was passieren kann, nämlich, dass Leute das zufällig hören und dann tatsächlich wissen wollen, was das ist. Auch das hätten wir niemals gedacht, dass wir in solche offiziellen großen Spotify-Playlisten kommen. Darauf war das nie ausgelegt. Wir dachten, dass das für große Bands reserviert ist.
minutenmusik: Ich glaube auch, dass die drei großen Major-Labels da sehr viel Macht haben.
Lennart: Genau, die haben wahrscheinlich einen Großteil dieser Listen reserviert.
minutenmusik: Die Frage ist da aber ja auch immer, wieviele Leute man da wirklich mitzieht und wieviele das einmal hören und im nächsten Moment schon vergessen haben, was sie gerade gehört haben.
Jakob: Das ist eine gute Frage. Wir hatten aber tatsächlich schon Leute auf Konzerten, die erzählt haben, dass sie uns zufällig über Spotify gefunden haben.
minutenmusik: Bei mir war das dann ja irgendwie auch so. Ich kannte zwar den Namen, konnte mir aber unter der Musik so gar nichts vorstellen.
Lennart: Wir hatten auch schon Menschen, die uns berichtet haben, dass sie uns über das Radio kennen, was auch total absurd, aber auch total geil ist. Ich finde das cool.
minutenmusik: So, weiter im Fragenkatalog! Ihr spielt jetzt schon sehr lange zusammen, Jakob ist vor zwei Jahren dazu gekommen, die anderen gibt es in der Formation schon viel länger. Euer Album hat jetzt, wo wir gerade schon beim Thema waren, schon über 1,5 Millionen Plays auf Spotify. Hattet ihr das Gefühl, dass ihr früher nicht beachtet worden seid, aber jetzt schon?
Lennart: Auf jeden Fall. Ich glaube das geht vielen Bands so, dass die sich den Arsch abspielen und drum kämpfen, um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Wenn du eine Band gründest und auf eine Bühne gehst und dafür sorgst, dass du Konzerte spielen kannst, dann willst du logischerweise, dass da Leute kommen und das hören. Sonst würdest du das nicht machen. Sonst würdest du im Proberaum bleiben oder das im Keller machen oder so, was ja auch ok ist. Das machen ja auch ganz viele.
Aber so gesehen ist das für uns ein ganz neues Level. Eins, was sich richtig richtig richtig gut anfühlt. Es ist schon so, dass wir nach einem Konzert mittlerweile häufig dann geflasht da sitzen und uns ernsthaft und ehrlich und völlig naiv darüber freuen, dass so viele Leute gekommen sind, weil das vor Jahren einfach nicht so war. Vielleicht sogar vor Monaten oder vor Wochen. Das ist komplett neu für uns.
minutenmusik: Als Jakob der Band beigetreten ist, ist er von Hamburg zu euch nach Kiel gezogen. Warum Kiel und was hat Kiel, was andere Städte nicht haben? Ihr hättet ja auch einfach zu Jakob nach Hamburg ziehen können.
Lennart: Vier gegen eins! Ganz klar überstimmt! (lacht)
minutenmusik: Also hat das gar nichts mit der Stadt zu tun?
Lennart: Doch. Das wäre natürlich logistisch ein totaler Heckmeck gewesen nach Hamburg zu ziehen. Warst du mal in Kiel?
minutenmusik: Ne, leider noch nicht.
Lennart: Dann musst du mal nach Kiel kommen. Das ist einfach eine kleine besinnliche schöne Stadt, die alles hat, was man braucht. Und alles, was man wirklich braucht und Kiel dann nicht hat, findet man spätestens in Hamburg. Das ist eine Stunde von Kiel. Da fährst du einmal auf die A7 und paar Abfahrten später wieder runter und dann bist du in Hamburg.
Wir sind alle arme Studenten oder haben Nebenjobs und keiner hat ein wirklich echtes Einkommen. Allein deshalb ist Kiel total gut, weil du wahnsinnig gute Mietpreise hast. Und es gibt gute Proberäume. Wir brauchen diese Hamburger-Szene oder diese Berliner-Szene und ich weiß nicht, wie das in Köln so ist, aber hier gibt es sicherlich auch eine Szene, nicht. Wir haben zwar viele Freunde, die genau in diesen Szenen beheimatet sind und wollen da auch gar nichts gegen sagen – wir brauchen das jedoch nicht. Das ist uns nicht so wichtig, dass wir zwei mal die Woche in den Pudel gehen oder sonstwas. Ich hatte noch nie das Gefühl irgendwas verpasst zu haben, weil wir eben in Kiel wohnen.
Jakob: Man kann aber nicht wirklich objektiv für Kiel krasse Promo machen, dass man sagt „Kiel ist einfach die beste Stadt, wenn man Musiker ist“. Kiel ist wirklich einfach eine nette Stadt. Es ist ruhiger als in Hamburg, was ich genieße, weil wir viel zu tun haben und dadurch ganz fokussiert und gut arbeiten können. Aber wenn es bei jemanden in einer Band jetzt nicht klappt, sollte er nicht nach Kiel ziehen. So funktioniert die Stadt dann auch nicht.
minutenmusik: Gibt es bekannte Bands aus Kiel, beziehungsweise auch eine eigene Musikszene?
Jakob: Es soll angeblich die beste Red Hot Chili Peppers-Cover-Band geben. Wie heißen die nochmal Lennart?
Lennart: Weiß ich nicht. Das hab ich noch nie gehört. (lacht) (Anmerkung: Chili Con Pepper heißt die Band) Ne, aus Kiel kommt wenig. Es gab vor Jahren mal eine Band namens „Smoke Blow“. Ich weiß nicht, ob ihr die kennt. Das sind Kieler. Aber ansonsten gibt es kaum was.
Jakob: Aus der Hardcore-Szene gibt es schon noch ein paar Bands.
Lennart: Stimmt, Kiel hat eigentlich eine gut funktionierende Hardcore-Szene. Tackleberry zum Beispiel.
minutenmusik: Dann seid ihr ja schon fast die berühmteste Band Kiels.
Lennart: Weiß ich nicht.
Jakob: Ich glaube jetzt gerade in dieser Sekunde, in dieser Musikbubble, von der wir eben auch schon gesprochen haben, vielleicht schon.
Lennart: Kiel ist bei uns echt nur ein gemeinsamer Nenner. Das klingt unromantisch und platt, aber es ist so. Wir haben da schon gewohnt und das war dann einfach am besten so, weil alles da war, was wir brauchten. Dann konnten wir gleich anfangen. Alles andere wäre nach hinten losgegangen.
Jakob: Ja, alle zusammen sonstwo nach…
Lennart: …Köln! Ne, das hätte nicht funktioniert. Aber ich war eben ein wenig in Köln spazieren und das ist echt richtig schön. Bei schönem Wetter find ich Köln total gut.
minutenmusik: Das kommt aber auch auf die Ecke an!
Jakob: Ich hab hier auch das erste Konzert zusammen mit Leoniden gespielt. Genau vor zwei Jahren und einer Woche im Arttheater bei einer GetAddicted-Party.
Ja, Kiel ist also der gemeinsame Nenner bei Leoniden. Interessant – das finden wir gar nicht mal so unromantisch. Ziemlich rebellisch eigentlich. Teil zwei unserer Interviewreihe mit Leoniden kommt dann morgen. Diesmal auf der Tagesordnung: Songwriting, neue Songs (oder auch nicht?) und Pop-Musik!
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Andere Beiträge über Leoniden:
Rezension über das Debütalbum.
Konzertbericht über den Gig in Münster.
Foto von Robin Hinsch.
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