(English version below) Brutus, das sind Sängerin und Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts, Bassist Peter Mulders und Gitarrist Stijn Vanhoegaerden. Das Trio um die schüchterne, stets humorvolle Sängerin stammt aus dem flämischen Teil Belgiens und vermischt in seinem Sound Post-Rock und Post-Hardcore mit Black-Metal-Einflüssen. „Nest“ ist bereits der zweite Langspieler des Dreigespanns und sieht die Belgier nach Tourneen im Vorprogramm von Thrice und Russian Circles noch ehrgeiziger nach Musiknerdherzen greifen.
Mitte Februar sitzen Mannaerts und Mulders im heimeligen Büro ihrer deutschen Promoagentur in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf und stehen Journalisten und Bloggern Rede und Antwort. Auch wir dürfen den beiden einige Fragen zum Ende März erscheinenden Zweitling stellen. Wie kommt man als Band aus dem zersplitteten Belgien dazu, seine ersten beiden Studioalben in Kanada aufzunehmen? Wie schafft man es als junge Band derart genreunabhängige Musik zu schreiben? Und wie wirken sich die kulturellen Unterschiede innerhalb des eigenen Landes auf die eigene Musikszene, sowie die eigene Kunst aus?
minutenmusik: Lasst uns mit einigen allgemeineren Fragen beginnen! In Interviews werdet ihr häufig auf eure doch ungewöhnliche Bandbesetzung angesprochen: Stefanie, du singst und spielst gleichzeitig Schlagzeug. Was sind die Begrenzungen dieser Besetzung bezüglich des Songwritings?
Stefanie: Als Schlagzeugerin kann ich mich schnell langweilen und das Bedürfnis verspüren singen zu wollen. Wäre ich nur Schlagzeugerin, so wie am Anfang von Brutus, würde ich vermutlich sehr viele Dinge spielen, die nicht notwendig sind, nur um mich bei Beschäftigung zu halten. Ich denke also nicht, dass mich das einschränkt, sondern dass das meinen Tätigkeitsbereich erweitert.
Peter: Es ist sehr angenehm jemanden am Schlagzeug sitzen zu haben, der gleichzeitig auch an den Gesang denkt. Stefanie deckt damit prinzipiell schon den ganzen Song ab. Natürlich sprechen wir trotzdem gemeinsam über alle Zeilen und Melodien. Weil Stefanie aber auch singen muss, muss sie beim Schlagzeugspielen schon an den Bass und die Gitarre denken. Spielt der Sänger oder die Sängerin einer Band selber Gitarre, ist er oder sie sehr auf die Melodien fokussiert. Stefanie muss in ihrem Kopf die Melodie mit dem Rhythmus mischen.
Ich habe bereits in Bands gespielt, in denen Schlagzeuger und Sänger zwei unterschiedliche Personen waren. Das ist sehr anders. Wir haben schon Schwierigkeiten uns zu dritt auf eine Spur zu bekommen und wir können bereits vier Instrumente mit drei Personen spielen, was hilft den Song als Ganzes zu reflektieren.
minutenmusik: Ich habe in Interviews häufiger lesen können, dass du, Stefanie, dich zu Beginn nicht ganz wohl in deiner Doppelrolle gefühlt hast. Eigentlich warst du ja gar nicht auch als Sängerin eingeplant. Wie hat sich das von eurem Debüt “Burst” zu Album Nummer zwei gewandelt?
Stefanie: Mittlerweile ist das besser. Wir haben deutlich mehr Songs, die dem Schlagzeugspiel oder dem Gesang mehr Platz einräumen. Das geschieht also nicht mehr unbedingt alles gleichzeitig. Ich werde außerdem älter, da lässt man manche Dinge auch einfach mal gehen. Ich bin jetzt eben auch eine Sängerin und mache daraus das bestmögliche, anstatt deshalb verunsichert zu sein. Diese Unsicherheit schwindet also nach und nach. Mit dem zehnten Album bin ich dann vielleicht darüber hinweg. (lacht)
Peter: Dann verzichten wir einfach auf das Schlagzeug. (lacht)
minutenmusik: Genau, nur atmosphärische Shoegaze-Instrumentals.
Stefanie: Das wäre perfekt! Und noch mehr Reverb! (lacht)
minutenmusik: Ihr beiden habt euch kennengelernt, weil ihr in einer Refused-Tribute-Band gespielt habt. Wie groß ist der Einfluss, den Refused auf euren Sound haben? Was sind andere Einflüsse?
Stefanie: Ich glaube wir können nicht behaupten, dass die Band gar keinen Einfluss auf uns hat, weil wir sie alle hören. Ich glaube aber nicht, dass wir von ihr inspiriert sind. Ich wurde davon inspiriert ihre Musik gemeinsam mit Peter in der Tribute-Band zu spielen, in den letzten vier Jahren gab es aber nie den Moment, in dem wir einen Refused-Part in einem Brutus-Song schreiben wollten.
minutenmusik: Ok. „The Shape Of Punk To Come“ [Anmerkung: Meilenstein und drittes Album der Band] hat aber ja der ganzen Post-Hardcore-Szene grundsätzlich gezeigt, wie viel Hardcore doch darf.
Stefanie: Natürlich haben wir die Platte damals gehört und konnten nicht begreifen, was wir da hören. Das fanden wir so brilliant!
Peter: So reagiert aber jeder, der die Platte hört. Für jede Band sollte das Album eine genauso große Inspiration sein wie für uns.
Stefanie: Wenn du uns fragen würdest, wie inspiriert wir von Fleetwood Mac sind, wäre das vermutlich dasselbe, weil wir die Band auch alle hören. Wir sind nicht inspiriert von der Musik, hören die Sachen aber gerne.
Peter: Ich habe mal in einer Band gespielt, in der alle riesige NOFX-Fans waren. Wir haben dann Songs geschrieben, denen man anhörte, dass sie auch von NOFX sein könnten. In Brutus kommen wir drei mit verschiedenen Einflüssen und Geschmäckern zusammen. Würden wir alle dasselbe mögen, würde unser Geschmack unsere Musik am Ende vermutlich mehr beeinflussen. Ich bin beispielsweise eher der glückliche Pop-Punker, Stefanie mag hingegen eher härtere Musik mit mehr Tod.
Stefanie: Genau. Würden wir ohne Peter Musik machen, würde genauso etwas total anderes herauskommen, als wenn wir ohne Stijn [Anmerkung: Gitarrist der Band] Musik schreiben würden. Jeder kann in der Band er selbst sein, am Ende findet man im Sound aber ein Stück von jedem von uns. Das ist dann ein Kuchen mit drei verschiedenen Stücken und Geschmäckern.
Peter: Wir sind gegenüber den Einflüssen der anderen offen. Stefanie hat damals als erstes den Namen Russian Circles fallen gelassen. Ich hatte vorher noch nie von der Band gehört! Das hat meinen Horizont für solche Musik geöffnet. Ich kann mir Russian Circles nicht jeden Tag anhören, aber weiß, dass die Musik gut ist. Von diesen verschiedenen Stilen nehmen wir dann jeweils kleine Stückchen.
Schlussendlich besteht unsere Musik jedoch immer noch aus Bass, Gitarre und Schlagzeug. Das ist keine Raketentechnik! Für unser zweites Album haben wir die Musik aber noch mehr besprochen als damals bei „Burst“. Ich kann beim Songwriting zu 33 Prozent mit einem Song zufrieden sein. Wenn die anderen beiden ihre Teile dazu beitragen, landen wir bei 100 Prozent. Mit meinen 33 Prozent bin ich dann zufrieden. ich möchte da nicht der Narr sein, der meckert.
Stefanie: Ich versuche meinen Einfluss immer auf 75 Prozent zu steigern. 33 ist für mich nicht genug! Deshalb mögen die Leute auch Peter und nicht mich. (Peter lacht)
minutenmusik: Weil ihre so viele verschiedene Einflüsse zulasst, seid ihr nicht wirklich leicht zu kategorisieren. Glaubt ihr das macht es schwieriger oder einfacher als Band eine Zuhörerschaft zu entwickeln?
Stefanie: Menschen stecken Dinge sehr gerne in Schubladen. Ich mache das selber manchmal – nicht nur im Bezug auf Musik.
Peter: Wenn man eine Band oder einen Song hört, versucht man immer auch diese zu einzuordnen. Ich habe aber noch nie über den Einfluss davon auf die Reichweite einer Band gedacht.
minutenmusik: In der Black-Metal-Szene gibt es beispielsweise Leute, die nur das „true Zeug“ hören. Kamen schon mal Leute zu euch und haben kritisiert, dass ihr mit Blast-Beats Elemente des Black-Metal entfremdet?
Stefanie: Ich weiß, dass einige Menschen so denken, mir ist das aber egal. Wenn jemand ein sehr kritischer Black-Metaler oder Hardcore-Kid ist, mag die Person unsere Band vermutlich nicht. Ich finde nicht, dass das ein Problem ist. Wir haben nie absichtlich Musik gemacht, die Genres vermischt. Ich halte Leute, die eine Band mit dieser Intention starten, für dämlich. Wir wollten eine Band gründen und Songs schreiben. Das Genre haben wir dabei nie diskutiert.
Peter: Wir wollten nie bewusst einen Black-Metal-Part in einem Song haben. Wenn wir sowas schreiben, befinden wir uns in einer bestimmten Stimmung und wollen mit Hilfe des Songs eine Geschichte erzählen. Vielleicht ist die Emotion eines Blast-Beats in dem Moment genau das, was wir brauchen. Wenn wir das Gefühl hätten, wir bräuchten ein Saxophon, dann würden wir wohl ein Saxophon nutzen. Wenn wir das Gefühl hätten, wir bräuchten eine Marimba, würden wir eine Marimba nutzen. In dem Moment konnten wir das, was wir mitteilen wollten, am besten in Blast-Beat-Sprache ausdrücken, also verwenden wir das. Das ist der einzige Grund dafür, warum wir dieses Element nutzen.
Stefanie: Ich weiß, dass wir manchen Leuten auch bitter aufstoßen. Ich kann deshalb aber Nachts nicht schlechter schlafen. Vielleicht schlafen diese Leute dadurch aber schlechter.
minutenmusik: Seid ihr als Band beim Songwriting auch schon an den Punkt gekommen, an dem ihr beschlossen habt, dass eine bestimmte Idee zu weit geht?
Peter: Auf dem neuen Album haben wir einen Song, der fast komplett auf Schlagzeug verzichtet und das ist perfekt [Anmerkung: Gemeint ist “Space”]! Keiner von uns hat versucht da irgendwie einen Blast-Beat reinzuschummeln. Es gibt da also nur Kick-Drum. Die Emotion und das Gefühl des Songs haben sich richtig angefühlt, also war das ok. Vielleicht möchte Stijn nächste Woche Bass spielen und wir schreiben dann einen Song mit zwei Bässen. Oder einen ohne Bass. Wir haben da kaum Grenzen.
minutenmusik: Jetzt würde ich gerne ein wenig über die Aufnahmen von „Nest“ sprechen. Ihr seid bereits zum zweiten Mal nach Kanada gegangen, um an einer Platte zu arbeiten. Was hat Kanada, was andere Plätze auf der Erde nicht haben?
Stefanie: Poutine. (lacht) Das sind diese Pommes-Frites.
Peter: Wir sind ja bereits für das erste Album nach Kanada gegangen und mochten das sehr. Ich mag die Atmosphäre von Vancouver – die Stadt ist sehr multikulturell. Wir gefiel damals auch das Studio, der Sound Engineer und der kanadischen Dollar – der ist so günstig!
Stefanie: Als wir „Burst“ aufgenommen haben, war Musik eher ein Hobby für uns. Deshalb konnten wir damals nicht so viel Geld ausgeben. Wir haben dann überlegt, mit wem wir die Platte aufnehmen könnten und sind auf Jesse Gander [Anmerkung: Produzent] gestoßen. Erst war der Plan, dass er für die Aufnahmen nach Belgien kommt. Irgendwann hat er aus Spaß gesagt, dass es für uns genauso teuer wäre für vier Wochen nach Kanada zu gehen. Aufnahmestudios sind in Belgien tatsächlich relativ teuer.
Peter: Wir hätten in Belgien ohne Produzent und Engineer dasselbe bezahlt, als in Kanada mit beidem. Jesse ist außerdem ein Indie-Produzent. Er ist nicht schweineteuer, arbeitet an vielen Alben, kann aber gleichzeitig auch eine Drei-Song-EP mit dir an einem Tag aufnehmen. Er ist sehr bodenständig, kommt aus dem Rock und ist auch immer noch ein Rock-Typ. Jesse fährt ein kleines Auto und ist einfach ein normaler Kerl.
Ich mag auch, dass Kanada in einer anderen Zeitzone liegt. Als wir an der Platte gearbeitet haben, waren wir von allem abgeschottet. Ich liebe meine Freundin, meine Freunde und meine Familie, aber in einer solchen Situation möchte ich einfach nicht die ganze Zeit von meinem Handy abgelenkt werden. Das hat mir geholfen, den Fokus ganz auf die Aufnahmen zu legen.
minutenmusik: Ich möchte jetzt ein wenig auf eure Support-Shows für Thrice und Russian Circles zu sprechen kommen. Stefanie, du hast in einem Interview mal erzählt, dass Auftritte für dich sehr schwierig sein können, weil du den Zuschauern dein Inneres präsentierst. Wie hat das bei diesen deutlich größeren Shows funktioniert?
Stefanie: Mir hilft es, mich viel auszuruhen, keinen Alkohol zu trinken und mir nicht so viele Gedanken zu machen. Am letzten Tourtag lasse ich das dann immer alles raus. Es ist sehr dankbar, wenn die Shows dann gut laufen. Stell dir mal vor ich würde mich die ganze Zeit ausruhen und dann wird trotzdem jedes Konzert schlimmer. Insgesamt fällt mir das aber immer leichter. Ich achte da nicht mehr so sehr drauf.
Peter: Die Hallen wurden mit diesen Tourneen größer. Berlin war die größte Location [Anmerkung: Huxleys Neue Welt], in der wir jemals gespielt haben. Das waren 1100 oder 1200 Leute. Als wir auf die Bühne gekommen sind, waren bereits alle da. Wenn man sich Thrice in Belgien anguckt, schaut sich niemand den Support an. Vielleicht sind Musikfans in Belgien auch einfach Idioten, weil sich in Deutschland so viele Leute die Vorband anschauen. Wir dachten, dass uns vielleicht 300 Leute zuhören würden, am Ende war der Raum aber komplett voll.
Wenn man solch große Shows spielt, ist man vor den Auftritten deutlich aufgeregter. In dem Moment, in dem man zu spielen beginnt, vergisst man aber alles. Für Stefanie ist das nochmal anders. Wir haben letztens rausgefunden, dass sie niemals in das Publikum schaut, wenn sie Schlagzeug spielt.
Stefanie: Genau, ich schaue nie in die Location.
Peter: Sie sieht nur uns beide. Das wars. Ich sehe hingegen die vielen Leute und gucke dann vor Aufregung konzentriert auf meine Pedale oder schaue Stefanie an.
Stefanie: Ich sehe immer nur den Typen, der unseren Monitor-Sound macht.
minutenmusik: Wie haben diese größeren Shows das Songwriting von „Nest“ beeinflusst?
Stefanie: Einige Songs wurden davon vielleicht beeinflusst. Wenn man mitbekommt, was ein Song wie „Sugar Dragon“ in einem Live-Set machen kann, fällt es leichter, ihn aufzunehmen. Vorher hätten wir nie einen langsamen Song geschrieben, der über sieben Minuten lang ist.
Peter: Es gibt für das Songwriting aber keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Shows. Konzerte zu spielen hilft da im Allgemeinen, einen Song in einer Live-Umgebung zu fühlen. Ob da jetzt 200 Menschen oder ein Stadion zuschauen, hat keinen Einfluss darauf.
Stefanie: Ich glaube wir haben uns deshalb als erste Single auch für „War“ entschieden. Hätte der Song kein gutes Live-Feeling gehabt, hätten wir das niemals so mit der Live-Session umgesetzt. Im Songwritingprozess stellt der Song auch einen Wendepunkt dar. Wir hatten schon sehr viele Songs und haben dann im März des letzten Jahres „War“ geschrieben. Jeder Song sollte dann dieselbe Dimension annehmen, im Bezug darauf wie weit ein Stück gehen kann. Wir haben dann alte Songs nochmal überdacht und davon beeinflusst neue Songs geschrieben. Soetwas habe ich noch nie erlebt. Jeder Aspekt davon hat sich gut angefühlt. Das war ein schöner Moment im Entstehungsprozess.
minutenmusik: Als letztes möchte ich mit euch gerne etwas über einige gesellschaftliche Dinge sprechen. Wenn man sich die Rock-Szene anschaut, sind Frauen doch unterrepräsentiert. Wenn man dann noch Schlagzeugerinnen sucht, wird der Anteil Frauen noch kleiner. Stefanie, sahst du dich bereits Situationen ausgesetzt, in denen du dich als schlagzeugspielende Frau benachteiligt gefühlt hast?
Stefanie: Ich glaube vor allem in Europa gibt es wenige Schlagzeugerinnen. Wenn man sich die USA und Kanada anschaut, findet man so viele Schlagzeugerinnen.
Peter: Chelsea Wolfe hat beispielsweise eine Schlagzeugerin.
Stefanie: In Europa kommt das aber auch. Als ich Musik studiert habe, hatte ich so viele Kolleginnen. Die meisten von denen waren aber Sängerinnen. Ich denke, dass das jedoch von Jahr zu Jahr gleicher wird. Als ich jünger war und ein Instrument aussuchen musste, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich Schlagzeugspielen könnte. Ich hatte Klavier, Violine oder Cello im Kopf.
minutenmusik: Weil die Gesellschaft dir das so vermittelt hat.
Stefanie: Genau. Das hat mir jetzt aber nicht eine bestimmte Person gesagt, sondern war für mich selber in meinem Kopf einfach klar. Ich war 14 Jahre alt, als ich mit dem Schlagzeugspielen begonnen habe, weil ein Mädchen, das ich kannte, auch damit angefangen hat. Zu Beginn war ich etwas verwirrt, als ich mitbekommen habe, dass sie jetzt Schlagzeug spielt, weil ich nur Jungs kannte, die Schlagzeuger waren. Ich denke das kommt aber nach und nach. Schaut man sich die Indie-Elektro-Szene an, findet man nur Frauen. Da sind so viele Frauen!
minutenmusik: Ihr kommt aus Belgien. Ich finde es manchmal schwierig nachzuvollziehen, wie die Musikszenen in anderen Ländern aussehen. Belgien ist in drei Teile geteilt: den niederländischen, den französischen und den deutschen Teil. Wie beeinflusst das, wie Menschen auf die Musik reagieren?
Peter: Die Sprache ist eine Barriere. In Deutschland hat man zwar die verschiedenen Regionen wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen, die leicht unterschiedliche Kulturen haben, die Sprache ist aber dieselbe. In Belgien unterscheidet sich nicht nur die Kultur, sondern auch die Sprache. Es gibt keinen Radiosender, der die Grenzen überschreitet. Es gibt flämisches Radio und französisches Radio. Die vernetzen sich auch nicht untereinander. Selbst der kleine deutsche Teil ist sehr anders.
Stefanie: Die Leute reagieren aber nicht unterschiedlich auf deine Musik, nur weil du aus einem anderen Teil des Landes kommst. Das klingt blöd, aber Musik ist universell. Unser Booker [Anmerkung: Steven Thomassen von der Agentur toutpartout] arbeitet auch mit Bands aus dem französischsprachigen Teil und bringt diese rüber zu uns in den flämischen. Wir haben andersherum auch schon im französischen Teil Belgiens gespielt. Es ist schön zu beobachten, dass sowas, das sonst nie geschieht, nun passiert und wir diesbezüglich weiterkommen.
Peter: Es gibt so viele gute Rock-Bands in Belgien. Solche Menschen wie unser Booker, die versuchen Grenzen zu überschreiten, ermöglichen das. Im Mainstream sieht das dann nochmal anders aus. Die Magazine sind getrennt, die Radiosender sind getrennt.
minutenmusik: Für die Magazine ist das aber doch auch schlecht, wenn ihre Zielgruppe durch Sprache so eingegrenzt wird.
Peter: Ansonsten müssten die Hefte aber zweisprachig sein, was auch schwierig ist. Wenn man beispielsweise beide Zielgruppen über das Radio erreichen möchte, muss man Französisch und Niederländisch sprechen. Das macht aber niemand. Da existieren zwei Welten nebeneinander her.
minutenmusik: Glaubt ihr es ist schwieriger als belgische Band international zu wachsen?
Peter: Ich habe keine Ahnung. Belgien ist ein spezielles Land in der Mitte von allem. Das Land ist nicht groß. Als Band aus London zu kommen, muss aber auch sehr hart sein – da gibt es so viele Bands!
Stefanie: Selbst in Belgien gibt es viele Bands.
Peter: Stimmt. Radio Brussels, das nationale Rock-Radio, hat einen Wettbewerb für Newcomer veranstaltet. Da haben über tausend junge Acts mitgemacht.
Stefanie: Und das Land ist wirklich klein. Das waren nur Bands aus dem flämischen Teil.
minutenmusik: Ich glaube britische Bands wollen sehr schnell außerhalb ihres Landes spielen.
Stefanie: Ja, weil es dort so viele Bands gibt, wollen sie schnell raus.
Peter: Wir haben auch versucht, schnell aus Belgien rauszukommen. Die ersten zwei Jahre haben wir fast nur in Belgien gespielt, sobald wir die Möglichkeit hatten, haben wir versucht auch Shows außerhalb unseres Landes zu spielen. Wenn man das nicht tut, ist man auf einmal in seinem eigenen Land groß, muss aber überall anders komplett von vorne starten. Als Band Grenzen zu überschreiten, ist aber nicht immer einfach.
Das Album “Nest” kannst du dir hier kaufen.*
Im April / Mai gehen Brutus auf Tour. Tickets für die Shows gibt es hier.*
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Twitter / Instagram
Brutus live 2019:
28.04.2019 – Münster, Sputnik Cafe
13.05.2019 – Köln, MTC
14.05.2019 – Hamburg, Hafenklang
16.05.2019 – Berlin, Maze
18.05.2019 – Dresden, Scheune
20.05.2019 – Munich, Storm
22.05.2019 – Frankfurt, Nachtleben
Foto von Eva Vlonk.
English version:
minutenmusik: Let’s talk about some general stuff first. Something you need to talk about a lot in interviews, is your unusual band-setup – you Stefanie singing and playing drums at the same time. I think in the past you talked a lot about how that all came together, so I want to focus on something different. Are there any limits to that setup regarding the songwriting?
Stefanie: When you’re a drummer you can feel bored and feel the need to sing. Then you wanna do something with the vocals. If I would just be a drummer, the way it was when we started the band, maybe I would do a lot of things that aren’t necessary, just to keep myself busy. So I don’t think it limits, I think it expenses.
Peter: It is very reaching to have a drummer, who also thinks about vocals. She’s basically covering the whole song. Of course we talk about all the lines and melodies all together. But because Stefanie has to do the vocals, she also needs to think about the notes under it – the bass and the guitar. A singer and guitar player is really focussed on the melodies. Stefanie mixes the melody with the rhythm in her head.
I played in other bands, where the drummer and the singer were different persons. That is totally different. It’s even hard to get three people on one track to write a song. But it’s an advantage, that we can do four instruments with three people. That helps thinking about the full song.
minutenmusik: Reading through interviews in preparation of our talk, I often came across you saying you’re not feeling comfortable singing and drumming at the same time, because in the beginning joining the band that wasn’t your intention. Did that change from record one to record two?
Stefanie: Now it’s better. We have more songs, that give space to the drumming or the singing. So that does not always happen all together all the time. I’m getting older, so some things in your life you just let go. I’m the singer now, so I’ll try to be the best one possible instead of being insecure about it. This insecurity is fading away. I think by the 10. album I’ll be over it. (laughs)
Peter: No more drums then. Only vocals. (laughs)
minutenmusik: Just quiet shoegaze-instrumentals without any drums.
Stefanie: That would be perfect. And even more reverb! (laughs)
minutenmusik: You two met playing in a Refused-Tribute-Band. How big is the influence Refused have on your sound? What are other main influences?
Stefanie: I think we can’t say they didn’t have an influence on us, because it’s a band we all listen too. But I don’t think we are very inspired by them. I was inspired by playing with Peter in the band and playing their music, but we never ever in the last four years wanted to write a Refused-part in one of our songs. We never talked about it.
minutenmusik: I understand. I think „The Shape Of Punk To Come“ really did much for the post-hardcore-scene itself.
Stefanie: Obviously we all listened to it and couldn’t believe what we were hearing. That’s so fucking brilliant!
Peter: Like everyone who knows the record! For every band in the world it should be an inspiration as much as it was for us.
Stefanie: I think it would be the same, if you would ask, if we were inspired by Fleetwood Mac, because we listen to them. We’re not inspired, but we like it. That’s the same for Refused.
Peter: I’ve been in a band once, where all four of us were the biggest NOFX-fans in the world. We wrote songs, that you could hear, it was NOFX. (laughs)
minutenmusik: So it was basically a NOFX-cover-band without playing covers?
Peter: Yeah! In Brutus the three of us have different influences and different tastes of music. If we would all like the same bands, it would probably infect our music more. I’m the happy-pop-punk-guy and Stefanie likes music with more death in it.
Stefanie: Yeah, If we would make music without Peter, we would do totally different stuff. If we would remove Stijn, it would be different as well. Everyone can be himself in the band, but in the end the sound has a piece of everyone in it. I know it is very lame to say, but that’s the way it is. It’s a cake with three pieces and three different flavours.
Peter: We are all open to each others influences. It was Stefanie, who first dropped the name Russian Circles. I never heard of them! So that opened my mind for that kind of music. I can’t listen to Russian Circles all week, but I know that it’s good music. Then we would take small pieces from different styles.
But in the end it’s all bass, guitar and drums. We don’t make rocket-science. It’s still the same chords and rhythms. We discussed our music more than we did with the first album. So I can be 33% happy with a song. I think that’s fair. So in the end we end up with 100% if Stefanie and Stijn add their pieces too. So if there’s 33% of me in a song, I’m happy. I don’t wanna be the fool.
Stefanie: That’s true. I always try to get 75%. 33 is not enough for me! That’s why people like peter and not me! (Peter laughs)
minutenmusik: Because you let in all those different musical styles in your music, you’re not so easy to categorize. Do you think that makes it more easy to gain an audience as a band or more hard?
Stefanie: People really like to put things in boxes. I sometimes also do it myself – not only in regard to music.
Peter: Hearing a song or a band you always label it. I never thought about the influence of that on reaching an audience. I never thought about that question.
minutenmusik: I know, that especially in the black metal scene there are many people who only like the „true-stuff“. As you’re also using blast-beats, which are heavily featured on black-metal, did you ever had people coming at you and telling you, that they don’t like you using specific elements?
Stefanie: I know that some people are thinking like that, but I don’t care. If somebody is a very crucial black-metal-dude or hardcore-kid, they probably won’t like our band, because it’s nothing like that. I don’t think that’s a problem. But we never intentionally make music to mix genres. I think if you start a band like that you’re stupid. We just wanted to make a band and started writing songs. We didn’t discuss the genre.
Peter: Yeah, we never said we want a black-metal-part in a specific song or something. We’re more in a specific vibe and wanna tell a story with a song and then maybe the emotion of a blast-beat is what we need at the point to tell that story. If we would feel like we need a saxophone, we would end up using a saxophone, if we would feel like we need a marimba, we would use a marimba. But maybe in that moment, what we want to say is in blast-beat-language, so we go with that. That’s the only reason behind that.
Stefanie: I know, that we can come across to some people. But I don’t lose sleep over it. Maybe they do.
minutenmusik: Did you as a band already came to the point where you had specific ideas, but then decided that they maybe go to far?
Peter: On this record we have a song with almost no drums on it. And that’s perfect! There was nobody trying to creep in a blast-beat or something. So there’s only bass-drum and no full drum-set in that song. The emotion and the feeling was right, so that was fine. If Stijn wants to play Bass next week, then we maybe write a song with two basses. Or we will write a song without bass. We don’t have so many limits.
minutenmusik: I want to talk about the recording of your new record „Nest“ a bit. You went to Canada for the second time recording an album. What does Canada have, what other countries don’t have?
Stefanie: Poutine. (laughs) So the famous french fries.
Peter: We went there for the first album and liked it. We liked the atmosphere of the city – Vancouver is such a multicultural place. We liked the studio, the sound engineer, the Canadian Dollar – it is so cheap!
Stefanie: When we did the first record, music was more like a hobby for us, so we didn’t have that much money to spend for the recording. So we began thinking about the person, who should record us. When we found Jesse Gander, we first talked about getting him to Belgium. But once he told us for fun, that going to Canada for four weeks would cost the same than recording in Belgium. Belgium is actually an expensive country for studios.
Peter: You pay as much without an engineer and producer, than you pay in Canada with both. But Jesse is an indie-guy. He’s not an big ass-money producer. He produces a lot albums, but he can also record an three-song-EP with you in one day. He’s a very down-to-earth-guy, who comes from rock-music and still is a rock-guy. So no bullshit. He drives a small car – he’s just a normal guy.
I also like the different time zone. When we were working on the album we were away from anybody else. I love my girlfriend, my friends and family, but then I just don’t wanna be disturbed by my phone all the time. It keeps me focussed on the album.
minutenmusik: I wanna talk about the huge support-shows you played with Thrice and Russian Circles a bit now. I think you also once said, that playing live can be challenging for you, Stefanie, because your offering your inner mindset to the people attending shows. How did these bigger shows you played in the last years go along with that in mind?
Stefanie: What works for me for every tour is resting a lot, drinking no alcohol, not bothering so much. So the last day on the tour I’m always partying. But it’s very rewarding if the shows are going good. Imagine me doing all this resting and stuff and then the tour gets worse and worse. But for me it’s getting better and better. So I don’t mind it anymore.
Peter: With those tours the venues got bigger. In Berlin we played like the biggest venue we ever played. That was 1100 or 1200 people I think (Huxley’s Neue Welt). When we came on stage everybody was already there. If you go to see Thrice in Belgium, nobody watches the support. Maybe music guys in Belgium are douchebags, because in Germany so many people watch the supports. We thought that maybe 300 people or so would watch us, but in the end the room was packed. Playing such a huge show you are a bit more stressed going on the stage, but once you start playing, you forget everything.
I think it’s a bit different for Stefanie, because we recently discovered that she is never facing the audience when drumming.
Stefanie: Yeah, I never look into the venue.
Peter: She just sees the two of us and that’s all. When we are playing I recognize, that there are many people watching and then just look down at my pedals or at Stefanie.
Stefanie: I always just see the monitor-guy!
minutenmusik: How did those bigger shows influence the songwriting for „Nest“?
Stefanie: Maybe for some songs it did. For „Sugar Dragon“ for example. When you hear what a song like that can do in a live-set, it’s easier to record it. Beforehand we would’ve never done a slow song for over seven minutes.
Peter: But I don’t think there’s a difference between bigger or smaller venues for the songwriting. Playing live in general just helps. Feeling a song in a live-environment. If 200 people or a whole stadium is watching, doesn’t effect the song.
Stefanie: I think that’s the reason, why we released „War“ as a first single. If it didn’t had a good live-feeling, we wouldn’t have done the live-session and single-release. It also was a turning point in the writing process. We already had so many songs and then wrote „War“ in march last year and decided, that we want every song to be like this regarding the dimension where the song can go to. Then we began to rethink older songs and wrote new songs influenced by that. I never experienced something like that. Every aspect of it felt good. It was a cool point in the process.
minutenmusik: For the last few minutes I want to talk about some social stuff. If you look at the rock-music-scene women are obviously underrepresented. As for drumming there are not really many female drummers in popular bands. Did you ever find yourself in a situation, where you felt disadvantaged for being a women playing music in the music-scene? I think the rock-scene always pretends to be so open minded and progressive, but in the end you find the same social-problems you find in society in that scene.
Stefanie: I think it’s especially the case for Europe. When you go to the United States or Canada, there are so many girls in bands. So many drummer-girls!
Peter: Chelsea Wolfe has a female-drummer.
Stefanie: But I think it’s coming in Europe as well. I studied music and there were so many girls! But most girls were singers. I think it’s getting more equal every year. When we were younger and had to chose an instrument, it never came to my mind I could play the drums. I thought of piano, violin or cello.
minutenmusik: Because society tells you to do so.
Stefanie: Yeah. Not that specific persons told me, but in my head that was clear for me. I was 14 when I started playing drums, because a girl I knew started playing the drums. First I was confused, because I only knew boys who played drums. But I think it’s coming. When you go to the indie-genre of electronical music, it’s only girls. There are so many girls.
minutenmusik: You guys are from Belgium. For fans not coming from the country itself it sometimes can be hard to understand how being in a band in another country differs from being in one in the own country. Belgium is split into three parts: the dutch part, the french and the german. Does that influence how people react to music?
Peter: The language is a barrier. In Germany you have the different regions, like Bayern or NRW, which also have a bit of different culture. In Belgium we have a different culture, but there’s also a barrier of the language. There’s no radio-station, that crosses the borders. You have flemish radio or french radio. They are not connecting. Even the littler german part is totally different.
Stefanie: But people don’t react different to you, because you’re from a different part of the country. It’s lame to say, but music is universal. Our booker also works with bands from the french-speaking part and gets them to Flanders. The other way around we are playing in the french part. It’s cool to see, that this, what usually never happens, now happens and it’s getting there.
Peter: There are so many great bands in the rock-scene in Belgium. But that’s just because of guys like our booker. who is trying to breach the borders. In the mainstream that’s different. The magazines are divided, the radio is divided.
minutenmusik: I think it’s bad for the magazines as well, cause they limit their audience with that.
Peter: The other way around they would need to be bilingual, which is difficult too. To reach both audiences on the radio for example you have to speak french and dutch. But that’s not happening. It’s like two different worlds.
minutenmusik: Do you think being a band from Belgium makes it more easy or more hard to gain an audience internationally?
Peter: I don’t know. Belgium is a special country in the middle of everything. It’s not a big country. But having a band in London for example must be hard. There are so many bands!
Stefanie: Still in Belgium there are so many bands.
Peter: Yeah, there was a contest on national radio Brussels – the national rock-radio. Over thousand young bands entered.
Stefanie: And our country is so small! That was only the flemish part.
minutenmusik: I think especially bands from the UK tend to leave their country super early and play across Europe.
Stefanie: I think that’s because there are so many bands in their country, so they wanna get out.
Peter: We tried to do the same. In our first two years we only played in Belgium, but then as soon as possible we tried to get shows outside our country. If you don’t do that you end up being big in your own country, but need to start from scratch outside. But crossing borders as a band is not easy.
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