Die Stuttgarter Band Heisskalt befindet sich momentan auf Konzertreise durch Deutschland. Wir haben Sänger Mathias Bloech in Wuppertal im direkt an die Wupper angrenzenden Open-Air-Bereiches des Backstages des U-Clubs getroffen und bei bestem Wetter ein sehr langes und interessantes Gespräch geführt. Weil wir über derart viele Themen gesprochen haben, wird das Interview in drei Teilen erscheinen. Der erste Teil dreht sich vor allem um den Gesundheitsstatus Bloechs, über den Einfluss, den die Emo-Giganten Brand New auf seine Band Heisskalt haben, und ihr neulich erschienenes Live-Album.
minutenmusik: Hallo! Ihr musstet euren Gig in Ulm am Mittwoch absagen. Gestern in Düsseldorf habt ihr nur ein gekürztes Set von knapp über einer Stunde gespielt. Wie geht es dir jetzt, einen Tag später?
Mathias: Hallo. Auf jeden Fall besser! Ich schleife eine Nasennebenhöhlenentzündung seit Anfang Februar mit mir rum. Die geht leider nicht so richtig weg. Jetzt hoffe ich, dass die Sonne und der entspannte Touralltag das richten. Mal gucken wie sich das so entwickelt. Ich bin da natürlich auch immer ein wenig ängstlich, weil ich voll lange auch Probleme mit den Mandeln hatte. Mich fuckt das dann schon ab, wenn so Sachen dann nicht mehr weggehen. Man kann aber leider nicht viel mehr machen als Chillen und Hoffen. Alles ist besser als krank im Bett rumliegen.
minutenmusik: Gute Besserung. Lasst uns ein wenig über eure Musik sprechen! Wenn man sich euer aktuellstes Studio-Album „Vom Wissen Und Wollen“, welches im letzten Jahr erschienen ist, anhört, kann – zumindest ich – einige Parallelen zu Brand New ziehen. Vor allem, dass jeder Song irgendwann in solch einem Soundsturm untergeht, macht ja viele Brand New, sowie eure Songs, aus. Ist die Band ein direkter Einfluss für euch?
Mathias: Ich finde es immer schwierig von einem direkten Einfluss zu sprechen, weil es auf jeden Fall nicht so ist, dass wir da sitzen und bestimmte Dinge von gewissen Bands übernehmen wollen. Aber es ist auf jeden Fall so, dass das eine Band ist, die wir alle mega abfeiern und ich auch bei einem Song wie „Trauriger Macht“ voll höre, dass wir diese Band gehört haben. Aber es gibt da nicht so einen Moment von „Ok, hier machen wir jetzt son Brand New-Ding“.
Diese Songstrukturen haben an sich aber ja auch viele Bands gemein, die sich mit uns im Post-Hardcore bewegen. Da gibt es ja ganz viele, die dann auch auf so klassische Vers-Chorus-Vers-Chorus-Strukturen verzichten. Das finde ich schon immer ein sehr interessantes Forschungsgebiet. In der Band, die Marius (Bornmann, Schlagzeuger) und ich vorher hatten (Anmerkung: On Top Of The Avalanche), und in Phils (Philipp Koch, Gitarre) alter Band (Anmerkung: Big Spin) haben wir das alle aber auch schon genutzt. Wir versuchen aber auch gerade uns davon ein wenig loszumachen. Ich habe mich in letzter Zeit zum Beispiel sehr viel mit Techno beschäftigt. Es ist mega schwierig diesen Anspruch, dass es irgendwann knallen muss, rauszubekommen. Das ist wie in unsere Gene reingemeißelt.
minutenmusik: Ich finde tatsächlich auch nicht nur alleine von der Musik, sondern auch vom musikalischen Werdegang einige Parallelen zwischen Brand New und Heisskalt. Brand New haben zu Beginn ja auch mit einfacherer Musik, in dem Fall Pop-Punk / Emo, begonnen und sich danach in immer vertracktere Gefilde gewagt. Bei euch ist das ja nicht großartig anders.
Mathias: Ich habe mich tatsächlich noch nie getraut Parallelen zwischen Brand New und der Band Heisskalt zu suchen. Das erschien mir immer blasphemisch. Aber hier magst du recht haben. Ich würde das mal als eine These, die es zu beweisen gilt, im Raum stehen lassen.
minutenmusik: Wenn man sich auf ein Interview vorbereitet, liest man sich für gewöhnlich ganz viele andere Interviews von Kollegen durch. So habe ich das hier auch gemacht. In einem Interview mit dem jmc-Magazin aus dem Jahre 2014, habe ich lesen können, dass ihr euch nicht der Hardcore-Szene zugehörig fühlt. Mittlerweile bezeichnet ihr eure Musik selber als Post-Hardcore. Hat sich hier etwas an eurer Meinung geändert?
Mathias: Da würde ich glaube ich eher differenzieren zwischen welcher Szene man sich angehörig fühlt und welche Musik man macht. Ich würde immer noch nicht sagen, dass wir einer bestimmten Szene angehören. Einfach, weil niemand von uns das so richtig tut. Wir bewegen uns in verschiedenen Szenen, sind aber alle einfach nur Musikliebhaber und Musiker. Mir ist das auch völlig egal aus welcher Szene jemand kommt, solange das kein Rechtsrock oder irgendeine Scheiße, mit der ich politisch nicht eins sein kann, ist. Ich mag an der Hardcore-Szene aber immer noch, dass jeder sein und machen kann, was und wie er will. Den Teil davon trage ich auf jeden Fall in mir. Ansonsten sind wir vor allem musikalisch sehr beeinflusst. Wir sind aber auch von vielen Bands beeinflusst, die Christen-Post-Hardcore machen und trotzdem teile ich nicht deren Einstellung.
minutenmusik: So Zeug wie Underoath zum Beispiel?
Mathias: Genau. Das ist dann auch immer wieder ein Dilemma solche Sachen zu lesen und sich dann „Fuck Alter, die haben mich übelst krass beeinflusst und sind mega geil“ zu denken. Da gibt es dann auch viele innere Konflikte. Das ist aber ein ganz ganz schwieriges Thema. Es geht ja auch immer darum, was Leute dann damit machen und was das Ergebnis dessen ist. Wenn das Ergebnis ist, dass übelst verrückte fanatische Gläubige gewalttätige dumme Dinge machen, dann finde ich das sehr verurteilenswert. Wenn das Ergebnis jedoch ist, dass Leute Musik machen, die ganz viele andere berührt und denen vielleicht Kraft gibt in manchen Momenten, dann finde ich da erstmal nichts verwerfliches.
minutenmusik: Interessant! Lass uns über euer heute erscheinendes erstes Live-Album sprechen. „Live“ heißt das Werk und ist – wie ich finde – sehr gelungen geworden. Hattet ihr hier einen Anspruch an euch selber und, wenn ja, welchen?
Mathias: An sich haben wir immer einen Anspruch an uns selber. In dem Fall haben wir das alles selber aufgenommen. Unser Live-Mischer hat während der letzten Tour komplett alles mitgeschnitten. Also war unser Anspruch irgendwie eine coole Aufnahme zu machen und das Live-Konzert und die Aufnahme-Situation ein wenig zu verbinden. Das sind an sich ja zwei in sich sehr widersprüchliche Dinge. Eine Studio-Aufnahme wird ja immer ganz anders gemacht, als eine Live-Aufnahme. Das heißt wir haben während der Konzerte immer noch ein paar mehr Mikros hingestellt und gehofft, dass das läuft. Das hat tatsächlich auch geklappt.
Ein weiterer Anspruch war einen Querschnitt durch alle Shows zu bieten und die besondersten Momente herauszupicken. Wir haben uns einfach jeden Song aus jeder Stadt angehört und geguckt, was am besten ist. Das hat richtig lange gedauert. Dann hat der Eric (Badstübner, Off The Road Studios, Leipzig) das gemischt. Hier wollten wir dann, dass das geil klingt, trotzdem aber einen Live-Vibe hat. Das ganze sollte nicht schrottig daherkommen oder so, sondern eine Platte sein, die man sich gut anhören kann – vor allem, dass jemand, der auf diesen Shows war, sich zurückgebeamt fühlen kann. Mir geht es so, wenn ich die Songs höre. Ich denke dann immer genau an jeweilige Momente auf den jeweiligen Bühnen. Das ist schon krass. Ja, das war so unser Anspruch.
minutenmusik: Vergleicht man die Titel eurer beiden Studioalben „Vom Stehen Und Fallen“ und „Vom Wissen Und Wollen“, so fallen einem direkt einige Gemeinsamkeiten auf. In welchem Zusammenhang stehen diese Titel?
Mathias: Ich glaube das wissen tatsächlich diese beiden Alben besser als ich das sagen könnte. Mir kam bei den Arbeiten an „Vom Wissen Und Wollen“ irgendwann dieser Titel in den Sinn, als ich mich in Hamburg mit einem Juristen – Gruß an Steffen an der Stelle – über genau diesen Begriff des „Wissens und Wollens der Tatbestandsverwirklichung“ unterhalten habe und das einen interessanten Ausdruck fand. Dann war irgendwann dieser Titel da.
Jetzt kann man sicherlich ganz viele Parallelen zu „Vom Stehen Und Fallen“ suchen – im Artwork sind ja auch einige Gemeinsamkeiten verwirklicht. Das ist aber alles eigentlich sehr natürlich entstanden und wir haben das nicht konzeptionell forciert, dass das unbedingt miteinander zu tun haben muss. Mal gucken wie dann das nächste Album heißt.
minutenmusik: In einem Interview hatte ich auch mal gelesen, dass es auf beiden Alben einige Songs gibt, die Paare bilden. Welche Songs wären das?
Mathias: Das ist uns dann aufgefallen, dass es eben Songs gibt, die ähnlich sind. Aber auch das ist glaube ich Assoziation und viel spannender, wenn Leute das selber machen. Zum Beispiel sind wir aber ja bei dem einen Album mit „Nicht Anders Gewollt“ rausgegangen und beim nächsten Album dann mit „Euphoria“. Also könnte man, wenn man es will, die Songs irgendwie vergleichen und feststellen, dass die beide ja Up-Tempo und irgendwie „Auf-Die-Fresse“ sind. Man kann aber auch einfach die Platten hören. (lacht)
minutenmusik: Ich hätte zum Beispiel auch die ersten Zeilen von „Papierlunge“ als Verweis gesehen.
Mathias: Genau, es gibt natürlich ein paar Zitate. „Papierlunge“ und „Identitätsstiftend“ fangen mit dem gleichen Satz an, das stimmt.
Morgen gibt es Teil zwei unseres Interviews mit Heisskalt. Darin geht es vor allem darum, wie das dritte Album der Post-Hardcore-Band klingen könnte, um die zukünftige Labellosigkeit des Trios und die britische Rock-Band Marmozets. Man merkt: Mit Herrn Bloech lässt es sich gut unterhalten! Hier geht es zu Teil 2.
Und so hört sich das an:
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Heisskalt live 2017:
04.04.2017 Karlsruhe, Stadtmitte
05.04.2017 Konstanz, Kulturladen
06.04.2017 Nürnberg, Hirsch
07.04.2017 Jena, Kassablanca
08.04.2017 Magdeburg, Factory
10.04.2017 Chemnitz, Atomino
11.04.2017 Aschaffenburg, Colos-Saal
12.04.2017 Würzburg, Posthalle
13.04.2017 Trier, Mergener Hof
Andere Beiträge über Heisskalt:
Teil zwei unseres großen Interviews.
Teil drei unseres großen Interviews.
Albumrezension „Vom Wissen Und Wollen”.
Konzertbericht über den Gig in Essen 2016.
Foto von Viktor Schanz.
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