Im November wird Bryan Adams 60. Zweidrittel dieser Zeit hat er als Berufsmusiker verbracht. Bei Künstlern, die so langsam ins Alter kommen, wo die Fitness sowohl körperlich als auch stimmlich gerne etwas nachlässt, müssen gehäuft wichtige Entscheidungen getroffen werden: spiele ich so lange, bis ich tot umfalle? Bringe ich überhaupt neue Musik raus? Überschreite ich meinen Zenit?
Zum Glück ist es bei dem Kanadier aber noch nicht so weit, davon sprechen zu müssen, dass das Auftreten sich eher in Richtung „Peinlichkeit“ bewegt. Stattdessen gibt es mit „Shine a Light“ seit März das 14. Studioalbum und nun erneut eine dicke Tour, obwohl die letzte gerademal ein Jahr her ist. Den Leuten scheint es also zu gefallen, was da auf der Bühne abgeht. Somit schauten wir dieses Mal auch in Oberhausen vorbei und sind in der Tat ziemlich angetan.
Die König-Pilsener-Arena ist auch im Innenraum bestuhlt. Im Oberrang gibt es gut ein Drittel unbesetzte Plätze. Ansonsten haben aber 7500 Leute Bock. Und zwar richtig Bock. Natürlich ist es theoretisch schön, sich ab und an mal hinsetzen zu können. In Wirklichkeit sieht es aber eher so aus, dass von den 130 Minuten Programm, die Mr. Adams an dem Abend bietet, höchstens eine Viertelstunde gesessen wird. Die restliche Zeit steht die Crowd, tanzt, singt und jubelt. Auf Seiten des Publikums gibt es hier wirklich nichts zu beanstanden. Die bunt gemischten Zuschauer, die sich vom Durchschnittsalter geschätzt um die 40 einpendeln, sind mit T-Shirts bewaffnet und keinesfalls zufällig hier. Weder die Männer noch die Frauen. Textsicherheit, volle Energie, frenetischer Applaus.
Einen Support gibt es nicht. Stattdessen laufen bereits beim Einlass auf der Videoleinwand lustige Animationen mit Bryan. Um Punkt 20h gibt es dann eine kleine Publikumsaufforderung, in der auf ein Naturschutzprojekt zur Tour hingewiesen wird. Ist doch schonmal ganz nett. Dafür dauert es noch einige Minuten bis zum Showstart. Passend zur besten deutschen Sendezeit darf es dann aber um 20:15 losgehen.
Satte 30 Songs sind auf der Setlist. Für einen Solokünstler wirklich ordentlich viel. Neben Bryan dürfen vier Musiker in der üblichen Instrumentierung Bass, E-Gitarre, Drums und Keys/Piano mitmachen, einer davon sein langjähriger Weggefährte Keith Scott. Alle Fünf harmonieren und haben sichtlich Spaß. Ansonsten wirkt die Bühne aber ein wenig leer. Neben den Instrumenten gibt es keine Deko oder Showelemente. Dafür eine große Leinwand mit unterschiedlichen Einspielern, schicken Schwarz/weiß-Filtern und Kamerafahrten durch die Halle. Über der Bühne hängen Neonleuchtstäbe, die beliebig hoch und runtergefahren werden können. Dazu einige Spots, that’s it.
Viel mehr muss aber eigentlich auch nicht sein. Zwar wäre eine Konfettikanone wünschenswert gewesen, aber solange die Musik so stimmt wie an jenem Abend, kann man wenig beanstanden. Trotz jahrelanger Singerei scheint der gute Herr weiterhin top bei Stimme zu sein. Gerade gesanglich beeindruckt das Konzert von Anfang bis Ende. Die fast durchweg wirklich hochgeschriebenen Stücke sind für die meisten Männer wohl eine Herausforderung – für Bryan hingegen genau richtig. Da ist selbst bei den letzten Tönen am Abend keine Abnutzung zu hören. Ansprachen fallen spärlich aus. Wenn es sie gibt, sind sie aber herzlich. Dafür gibt es umso mehr Aufforderungen zum Mitmachen. Leider lässt die Einstellung von Bryans Mikrofon bei den ersten Songs ein wenig zu wünschen übrig. Danach ist aber auch das geregelt.
Die Songs sind wild durch alle Jahre hindurchgewürfelt und dürfen den Großteil sehr zufriedenstimmen. Angefangen von dem großen Rockballaden-Klassiker „(Everything I Do) I Do It For You“ über Stadionhymnen wie „Summer Of ‘69“ (seht HIER ein kleines Video auf unserem Instagramkanal) bis hin zum Radiopop eines „When You’re Gone“ kommt man voll auf seine Kosten. Während des Hörens fällt einem erstmal wieder auf, wieviel man doch eigentlich kennt, eben weil sich über mehrere Jahrzehnte doch so einiges angesammelt hat. Außerdem dabei: „Run To You“, „Cloud Number Nine“, „Please Forgive Me“, „Somebody“, „Cuts Like A Knife“, „Can’t Stop This Thing We Started“. Von den großen Hits fehlen lediglich die drei Nr. 1 aus Kanada „Thought I’d Died and Gone To Heaven“, „Let’s Make A Night To Remember“ und „On A Day Like Today“ und der in Deutschland sehr bekannte „Have You Ever Really Loved A Woman“. Was dafür voll ins Schwarze trifft, sind die Balladen „Heaven“, das mit Fanchören aus der Halle eingeleitet wird und die zwei akustisch interpretierten Songs „Here I Am“ und „All For Love“. Das holt auf emotionaler Seite voll ab und sorgt im Vergleich zu den schnelleren Nummern für wohlige Schauer.
Wem die optische Komponente zu wenig ist, sollte hingegen von einem inhaltlichen Gimmick besonders angetan sein: im letzten Drittel der Show gibt es für einige Fans in den ersten Reihen die Möglichkeit, Songwünsche hineinzurufen, die daraufhin innerhalb weniger Sekunden umgesetzt werden. Teilweise mit der kompletten Band, teilweise nur akustisch von Bryan an der Gitarre. Dass das so machbar ist, verdient wirklich große Aufmerksamkeit. Dafür muss man seine Songs gut kennen und mit den Musikern perfekt abgestimmt sein, um das Ganze nicht schnell gegen die Wand zu fahren. Passiert nicht, somit Chapeau!
Insgesamt ist der Gig in Oberhausen eins dieser typischen Konzerte, zu denen man hingeht, man nach wenigen Minuten in der Atmosphäre ankommt, sich locker fühlt, mit guter Laune mittanzt, laut mitsingt und irgendwann mit noch besserer Laune und einem Grinsen die Halle verlässt. Dafür sind Konzerte gemacht. Die paar nicht ganz perfekten Kleinigkeiten kann man gut übersehen. Sehr gerne wieder!
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / Instagram / Twitter
Bild von Christopher.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.