Bloc Party, Palladium Köln, 20.06.2019

2005 war die Welt noch eine ganz andere. Anstelle von Brexit und Trump schlugen sich die Menschen noch mit anderen Problemen herum, Spotify war noch unvorstellbar, stattdessen waren iPods noch das A und O, soziale Netzwerke steckten noch in den Kinderschuhen. Genau in diesem Umfeld veröffentlichte eine junge Londoner Band ein Album, das die Indierock-Welt gehörig auf den Kopf stellen sollte: Bloc Party verbanden auf „Silent Alarm“ tiefgründige Texte mit Tanzpotential und zusätzlich einem enorm beeindruckenden spielerischen Können. Rund 14 Jahre später ist der Rest Geschichte. Die Band um Kele Okereke durchschritt einige Line-Up-Wechsel; zuletzt ersetzten Louise Bartle (Schlagzeug) und Justin Harris (E-Bass) die Langzeitmitglieder Matt Tong und Gordon Moakes, der Sound wurde stetig poppiger, aber dennoch gehören Bloc Party auch 2019 noch zu den größten Indie-Bands des Planeten. Und das mit einem Frontmann – und ja, das muss man auch 2019 in einem von weißen heterosexuellen Männern dominierten Genre  leider noch hervorheben – der sowohl dunkelhäutig als auch homosexuell ist.

Wo Bloc Party begeistern, sorgt der Support-Act Joan jedoch zunächst für Stirnrunzeln. Ein Look der 90er trifft auf 80s-Synthies, eine ganz unangenehme Intonation im hingehauchten Boyband-Stil und Texte auf High-School-Musical-Niveau – Und das ganz ohne Augenzwinkern! Das Publikum, das zwar bunt gemischt, aber doch eher jenseits der 20 ist, zeigt sich logischerweise irritiert und muss sich das Lachen teils sogar verkneifen.

Für ein viel positiveres Grinsen sorgt dann glücklicherweise das Quartett aus London, das sich vor dem riesigen Albumcover postiert, um im wilden Zucken der Stroboskoplichter ein Album zu spielen, das auch nach knapp 14 Jahren nichts an seiner Strahlkraft eingebüßt hat. Während dem Set mit „Compliments“ und „Plans“ ein sanfter Einstieg inklusive passender Lichter gelingt, steigt die große Indie-Party dann ab „Luno“ aber endgültig. Gemeinsam brüllt das gesamte Palladium mit Okereke „And your nose is bleeding“, der Tanzreigen ist eröffnet, der Pit ebenso. Band und Publikum scheinen unendliche Massen an Endorphinen auszuschütten, der Abend ist eine wahre Herzensangelegenheit. Da alle Bandmitglieder an ihre Instrumente gefesselt sind und sich auch die restliche Show auf eine immerhin ziemlich abwechslungsreiche Lichtinstallation beschränkt, ist das Konzert auf rein optischer Ebene nichts Besonderes. Doch diese Songs! Wie sie alles überstrahlen, mit der zwischen Verlangen, Melancholie und Coolness changierender Tonlage Okerekes, mit den beeindruckend vertrackten Rhythmen von Bartle, mit den zwischen Interpol-Sphären und rasend schnellen Riffings wechselnden Saiteninstrumenten. Episch breite Balladen wie „This Modern Love“, die größten Hits „Banquet“ und natürlich „Helicopter“ oder herzzerreißende Banger wie „Like Eating Glass“ – Auch mit so einem großen Zeitsprung trifft noch jeder Takt genau dorthin, wo er in einer ganz anderen Welt hingezielt wurde.

13 Songs später ist das Album vorbei, die Band verlässt folgerichtig die Bühne. Für die Zugabe gibt’s dann neuere Songs, die Okereke mit dem selbstbewussten Satz ankündigt: „Die Songs sind zwar neuer, aber nicht weniger schlecht“. Mit dieser These stimmen nur wenige Kritiker*innen überein, da „Silent Alarm“ weiterhin als stärkstes Werk der Band gilt und auch am heutigen Abend gehen die sphärischeren, elektronischeren neueren Songs gegen das legendäre Album etwas unter. Die Fans feiern dennoch ihre Band, ihre Bloc Party. Und als sich dann die Synthies von „Ratchet“ zu einem letzten Klimax emporschrauben, um sich in einem riesigen Konfetti-Tanz zu entladen, ist der Abend vor allem eins: Eine Feier des Andersseins und der grandiosen Musik, die auch einen so großen Zeitsprung mit links überdauert.

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=2R6S5CJWlco

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Bloc Party live 2019:

  • 21.06.2019 Zitadelle Berlin
  • 25.06.2019 Parkbühne Leipzig

Beitragsbild von Julia Köhler.

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