Nina Chuba – Ich lieb mich, ich lieb mich nicht

Nina Chuba_Ich lieb mich, ich lieb mich nicht

Erst kürzlich wurde Nina Chuba von einem Radiosender gefragt, welche Interviewfrage sie am meisten langweilt. „Wie es war, über Nacht mit Wildberry Lillet berühmt zu werden“, antwortete sie daraufhin ohne zu zögern. Verständlich. Schließlich ist seitdem ziemlich viel passiert. Nicht nur hat die Sängerin ihr Debütalbum „Glas“ veröffentlicht und zahlreiche ausverkaufte Konzerte gespielt, sondern auch mal eben locker flockig „Wer stiehlt mir die Show“ moderiert und 2024 ihre EP „Farbenblind“ veröffentlicht. Mit „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ hat nun endlich ihr zweites Studioalbum das Licht der Welt erblickt. Eine Ansage an alle Kritiker und die, die jemals von einem One-Hit-Wonder sprachen.

Bereits das Intro „NINA“ ist tonangebend für die insgesamt 19 Tracks des Albums. Mit Textzeilen wie „Wer gesagt hat, ich wär weg vom Fenster, hat gelogen. Spiel‘ die erste Geige, jetzt werd’n andre Saiten aufgezogen“, setzt die Sängerin ein klares Statement und präsentiert sich selbstsicherer denn je. Und genau das kommt dem Album zugute. Thematisch bewegt sie sich in den Bereichen Liebe, Selbstbestimmung, Selbstreflexion und Zukunftsängste. Auf knapp 48 Minuten (nur ein Song ist länger als drei Minuten) liefert Nina Chuba sehr abwechslungsreiche Songs, bei denen sie sich experimentell in den Musikgenres austobt.

Stimmlich zeigt sie sich vor allem bei „Wenn das Liebe ist“ in absoluter Hochform. Die Tonlagen stehen ihrer Stimme unfassbar gut und machen den Song zu einem catchy Ohrwurm. Brillant getextet und mit tollen Harmonien ist dieser Track ein wahres Highlight. Aber auch das sehr poppige „Überdosis“ und die Friendship-Breakup-Nummer „3 Uhr Nachts“ überzeugen auf ganzer Linie. Die Songs machen Spaß und bringen eine gewisse Leichtigkeit mit, die gerade bei einigen der Themen nicht selbstverständlich ist. Aber genau darin liegt die Kunst, diese Gratwanderung schafft Nina Chuba spielend leicht.

Deutlich herausstechender mag „Rage Girl“ sein. Mit einem grandiosen Pre-Chorus und einem rebellischen Refrain hebt sie darauf den Mittelfinger gegen das Patriarchat. Wegen Textzeilen wie „Der nächste Typ, der’s besser weiß, kriegt direkt auf die Fresse“ wurde sie nach Release online öfter kritisiert. Dabei steckt in „Rage Girl“ doch viel weniger Hass und viel eher Frust, den sie in Stärke kanalisiert. Eine Girlpower-Hymne vom Feinsten, die eben genau das soll: dick auftragen. Schade ist hier nur, dass es die Feature-Version, bei der unter anderem Kyla Shyx, Marie Bothmer oder Esther Graf mitwirken, nicht auf die Platte geschafft hat.

Selbstbestimmt kommt auch der Song „Malediven“ daher („Ich will nur spiel’n, hab’s vergessen, dir zu sagen, und weil du noch nicht weißt, dass ich morgen nicht mehr hier bin. Planst du schon unsern Honeymoon auf den Malediven“). Ein Track, der verspielt ist und gleichzeitig aufzeigt, dass auch Frau sich nehmen kann, was sie will (und was eben nicht). In „Fucked Up“ rechnet sie gemeinsam mit Makko mit einer toxischen Beziehung ab und es könnte nicht besser klingen. Etwas düsterer wird es im Lied „Fahr zur Hölle“, das online in christlichen Kreisen ziemlich hart kritisiert wurde. Dabei sind Textzeilen wie „Ich fahr‘ zur Hölle, kommst du mit? Ich hab‘ gehört, da ist ’ne Party“ viel eher ein schonungsloser Blick auf die dunkleren Facetten der eigenen Gefühlswelt. Besonders ist der Track aber nicht nur wegen seiner Lyrics, sondern auch durch den steigernden Aufbau der Melodie, der hinterher in Elektro-Elementen mündet.

Neben energetischen Songs, die nur so vor Stärke strotzen, kann Nina Chuba aber auch anders. Paradestück ist dafür „Unsicher“. Ein Song, der quasi das ganze Album überstrahlt. Die Sängerin präsentiert sich hier von ihrer verletzlichen Seite, transportiert ihre Gedanken und Ängste. Sie zeigt sich nahbar, mit sehr viel emotionaler Tiefe, und schafft damit eine Art Hymne für all die Ängste und Sorgen, die gerade in den 20ern wie Lawinen auf einen einrollen. Aber eben nicht nur. Der Song wirkt generationenübergreifend und tut vielleicht gerade deswegen beim Hören auch ein bisschen weh. Gleichzeitig gibt er aber auch Kraft, weil wir, wie Nina singt, alle zum ersten Mal leben. Das wird auch auf dem Titeltrack „ILMILMN (Skit)“ noch einmal deutlich, der all diesen Zweifeln und Gedanken noch einmal mehr emotionale Tiefe einhaucht. Auch „Ende“, in dem der Ausklang einer Beziehung thematisiert wird, reiht sich in diese nahbaren Songs ein (Ich hab‘ mich verlaufen und fang‘ an, zu glauben, ich bin bei dir falsch).

Gleichwohl es Nina Chuba gelingt, das komplette Album über keine Langeweile entstehen zu lassen, gibt es einige Songs, die eher mitgezogen werden, als herauszustechen. „Lululemonsqueezy“ ist einer, genauso wie „Kilimanjaro“ oder auch „Mama Shoot“. Eventuell hätten dem Album deswegen drei, vier Songs weniger gut zu Gesicht gestanden.

Vergleicht man „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ mit dem Vorgänger, fällt vor allem auf, dass die Sängerin an ihrer Musik gewachsen ist. Sie hat mehr denn je ihre Stimme gefunden und ruht sich nicht auf irgendwelchen Hits oder Stilrichtungen aus. Die Songs machen gute Laune, sind energetisch und gleichzeitig nahbar. Und genau das wirkt. Nina Chuba strahlt mehr denn je und gerade live macht die Kombi aus emotionalen Songs wie „Unsicher“ und Power-Hits wie „Rage Girl“ unheimlich Spaß!

Und so hört sich das an:

Website / Facebook / Instagram

Die Rechte des Covers liegen bei Jive (Sony Music).

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert