Der Ringelblume (zu englisch: Marigold) werden heilende Kräfte nachgesagt. Deshalb trinken Freunde der Naturheilkunde mit deren grellgelben Blüten angereicherten Tee oder schmieren sich ihren Körper mit Salben, die mit den Blumen-Extrakten versetzt wurden, ein. Das soll Magenbeschwerden entgegenwirken, Menstruationsschmerzen lindern und die Wundheilung anregen. Wissenschaftlich konnte die Wirkung der schicken Pflanze noch nicht belegt werden. Ähnlich sieht das bei der amerikanischen Indie-Band Pinegrove aus. Die schreibt seit einer knappen Dekade schon gemeinsam Musik, die mit ihrer in sich gekehrten Atmosphäre und vage gehaltenen Texten eine stetig wachsende Schar an emotional niedergeschlagenen Menschen begeistert. Denen hilft die Kunst der Band ebenfalls, auch wenn diese Wirkweise ebenfalls nur schwerlich mit Studien belegbar ist. Ihr viertes Studioalbum hat die Band deshalb passenderweise nach der mystischen Blume benannt.
Bei einem kleinen Wink in Richtung Fantum belässt es die Band aus dem Bundesstaat New Jersey natürlich nicht. Gleichzeitig steht die Blume mit ihrer fast schon orange-gelben Färbung oftmals symbolisch für die mit verflossener Liebe einhergehende Gefühle von Trauer und Verzweiflung. Gleich zwei mal taucht das Farbmotiv deshalb in den Texten auf: „The Alarmist“ und „Alcove“ greifen jeweils auf die Ringelblumen-Metapher zurück und handeln gleichermaßen von einer zerfallenden Liebesbeziehung. Ansonsten bleiben die Lyrics zumeist vage, malen aber immer mal wieder kleine Bilder. So auch in „Neighbor“, einem Song mit Schunkel-Vibe, der den negativen Einfluss des Menschen auf andere tierische Erdbewohner behandelt. Da heißt es beispielsweise: „Mid-sized opossum in front of my house dying; Collided with a vehicle driving it out through the lightning; She falls down softly in the middle of the lane incoming and its clearly incumbent on me to run out to her and do something“.
Der Sound als Heilbad
Diese Texte verpacken Pinegrove in fast schon niedlichen Indie-Rock mit Folk- und Country-Einschlag. Der Sound tut dabei manchmal so gut, dass man sich einem Heilbad gleich in ihm baden möchte. Das liegt vor allem daran, wie feinfühlig alle Stücke arrangiert sind. „Hairpin“ setzt beispielsweise zunächst auf gelegte Gitarrenakkorde und reduziertes Schlagzeugspiel, was dem Song zunächst sperrig erscheinen lässt. Zu der zweiten Strophe tönen dann jedoch Gitarren-Arpeggios durch den Mix, die der ganzen Angelegenheit mehr Groove verleihen. „Moment“ erlaubt sich wiederum eine kleine Reise, was seine Dynamik-Verschiebungen angeht, fährt in den Strophen immer kurz einen Gang zurück, bloß um im Refrain etwas mehr und gegen Ende hin voll auf das Gaspedal zu treten. Zum Schluss übernimmt dann instrumentales Geplänkel. Genau wegen solcher Stilmittel – der detaillierten Ausarbeitung von Sound und Arrangement – trägt die Musik Pinegroves eine gewisse emotionale Schwere in sich.
Oftmals traut sich die Band zudem etwas lauter zu sein als auf dem doch häufig eher ruhig gehaltenen Vorgänger. Alleine die Snare von „Dotted Line“ drängt sich für Pinegrove-Verhältnisse fast schon aufdringlich in die Gehörgänge. Auch der Refrain setzt auf ungewohnt laute Töne. Zum Schluss verpasst das Sextett dem Song noch einen wunderschönen Instrumental-Part, der nur ganz knapp am Post-Rock vorbeischrammt. „Phase“ stellt sich wenig später mit seinen gepalm-muteten Gitarren und dem nahezu treibenden Refrain als kleiner Punk-Ausflug dar, der keiner ist. Auch das steht der Band. Selbst ein kleiner 56 Sekunden Song wie „Spiral“ trägt als essentieller Teil des Albums dank seiner Ohrwurm-Melodie zu dessen Fluss bei. Das sollte genug über das Talent der Band aussagen. Wer selbst mit kleinen Songskizzen so emotional mitreißt, der versteht sich in seinem Handwerk. Zum Schluss schleppt der rein instrumentale Titelsong diese Melancholie auch über die Ziellinie. Die Musik Pinegroves stellt etwas mit einem an. Das müssen keine wissenschaftlichen Studien beweisen.
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Und so hört sich das an:
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Pinegrove live 2020:
21.03. – Berlin, Lido
23.03. – Hamburg, Hafenklang
24.03. – Köln, Gebäude 9
25.03. – Wiesbaden, Schlachthof
Die Rechte für das Cover liegen bei Banquet Records.
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