Das Comeback von Kettcar, neben Tomte wohl die deutsche Indie-Rock-Institution, lässt sich durchaus als gelungen bezeichnen. Das fünfte Album der Band stieg auf Platz 4 in die deutschen Charts ein – die bisher höchste Platzierung des Quintettes – und der Vorverkauf für die im nächsten Jahr angekündigte Tour läuft fabelhaft, sodass man sich sogar herauspicken kann auf Grund der riesigen Nachfrage „Ich Vs. Wir“, ebenjenes „Erfolgsalbum“, in vier ausgewählten, etwas kleineren Locations einige Monate vor eigentlichem Tourstart gänzlich durchzuspielen. Eigentlich sollte es aber auch niemanden verwundern, dass die Band momentan derart gut ankommt. Zum einen kam in solch aufgewühlten Zeiten, wie diesen, ein derart gesellschaftskritisches und politisches Album genau zur richtigen Zeit, zum anderen verstand sich ein Marcus Wiebusch schon immer exzellent darin Geschichten auszuschmücken und gleichzeitig auf mehrere Ebenen zu übertragen.
Für diese vier Shows hatte man sich nicht nur seine Lieblingskonzertvenues ausgesucht – in Köln übrigens das wunderschöne Gloria Theater mit der wohl besten Akustik der Stadt – sondern auch genau überlegt, wer jeweils den Abend eröffnen könnte. So durfte Fortuna Ehrenfeld aus dem Kölner Szene-Viertel Ehrenfeld (welch eine Überraschung bei dem Namen!), das Soloprojekt um Multiinstrumentalist Martin Bechler, das eher ältere Publikum mit seinem ehrlichen von Leise-Laut-Kontrasten getränkten Deutsch-Pop aufwärmen. Das passte äußerst gut vor Kettcar und kam auch bei den bereits in die Location geströmten Gästen sehr gut an, was vielleicht aber auch dem Umstand zu schulden war, dass der in einen Schlafanzug gehüllte Bechler bei Grand Hotel Van Cleef, dem Label, dessen Chefetage sich auch zu zwei Dritteln aus Kettcar-Mitgliedern zusammensetzt, unter Vertrag steht und seine Musik somit schon vielen Fans nahegebracht werden konnte.
Kurz darauf war es schon Zeit für Kettcar, die den Abend zunächst mit einigen alten Klassikern eröffneten. Das Publikum gab sich textsicher und hielt diesen Umstand auch aufrecht, als das Quintett nach einigen Songs ankündigte nun die aktuelle Platte komplett zu performen. Die Lieder des neuen Albums konnten in der Live-Situation ihre musikalische Wertigkeit etwas mehr entfalten, als in gepresster oder digitaler Form, bei denen oft die Texte im Vordergrund zu stehen scheinen. Vor allem Bassist Reimer Bustorff leitete mit interessanten mal kürzeren, mal längeren Anekdoten durch die elf Albumsongs und brachte neben der Musik auch andersartige Unterhaltung in das Konzert ein. Doch auch Wiebusch bewies, dass er durchaus Humor besitzt. So kommentierte er den Umstand, dass sich die letzten Alben seiner Band kaum mit politischen Themen auseinandergesetzt hatten, das aktuelle Werk aber stark politisch geprägt ist, indem er die Behauptung aufstellte, dass sie ja nun eine Polit-Punk-Band seien. Bei dem Publikum kam dies jedoch nur teilweise an. Die „Alerta, Alerta, Antifascista“-Rufe nach einem Song verstummten schnell. Das, was bei Kettcar jedoch schon immer am besten für sich sprach, war die Musik. Stets von Nebelschwaden umhüllt erschufen Wiebusch und Kollegen ein oft rockigeres, aber nahezu perfektes Abbild ihrer Songs.
Nachdem man sich nach dem Albumcloser „Den Revolver entsichern“ kurzzeitig von der Bühne verabschiedet hatte, kehrten die fünf Mannen aus Hamburg erneut für einige Songs aus der Bandhistorie zurück auf die Bühne. Der Fokus bei den älteren Stücken lag deutlich auf dem Debütalbum „Du und wieviel von deinen Freunden“, das noch ein wenig tanzbarer ausgefallen war, als der Gitarren-Pop, den man heutzutage hauptsächlich spielt. Das Publikum nahm diese Steilvorlage dankend an und tanzte freudig in einem kleinen, rücksichtsvollen Moshpit. Nach einer weiteren Zugabe und gut 90 Minuten Show war die gefühlt viel zu kurze Show auch schon zu Ende. Was ein kurzlebiger Abend mit toller Musik!
„Ich vs. Wir” erschien im Oktober über Grand Hotel Van Cleef und kann hier* gekauft werden.
Und so hört sich das an:
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Kettcar live 2018: Tickets könnt ihr hier kaufen!*
18.01. – Saarbrücken, Garage
19.01. – München, Tonhalle
20.01. – Wien, FM4 Geburtstagsfest (AT)
21.01. – Graz, Orpheum (AT) (Hochverlegt)
22.01. – Schaffhausen, Kammgarn (CH)
23.01. – Bern, Bierhübeli (CH)
24.01. – Erlangen, E-Werk
25.01. – Stuttgart, Theaterhaus
26.01. – Dortmund, FZW (Ausverkauft)
27.01. – Bremen, Schlachthof (Ausverkauft)
28.01. – Kiel, Max
30.01. – Magdeburg, Altes Theater
31.01. – Dresden, Schlachthof
01.02. – Leipzig, Haus Auensee
02.02. – Wiesbaden, Schlachthof
03.02. – Köln, Palladium
05.02. – Hamburg, Große Freiheit 36 (Zusatzshow)
06.02. – Hamburg, Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
07.02. – Hamburg, Große Freiheit 36 (Ausverkauft)
08.02. – Hannover, Capitol
09.02. – Bielefeld, Ringlokschuppen
10.02. – Berlin, Columbiahalle (Hochverlegt)
23.03. – Essen, Weststadthalle (Zusatzshow)
24.03. – Bremen, Schlachthof (Zusatzshow)
Foto von Jonas Horn.
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