“Ihr könnt euch schon mal darauf einstellen, dass das heute größtenteils eine Tanzveranstaltung wird!” Warum diese Aussage bei einem Konzert überhaupt getätigt werden muss und wieso die Umstände auch dafür sorgen, dass dieses Konzert von Judith Holofernes ganz besonders wird? Der letzte Sonntag im November ist gleichzeitig immer der Totensonntag und da herrscht Tanzverbot! Damit dieses Konzert nun also nicht als Tanzveranstaltung gewertet wird, betreten Judith Holofernes und Band schon um 19:22 Uhr die Bühne. Genau so schräg wie diese Uhrzeit wird auch der Abend!
Dass dieses Konzert überhaupt stattfindet, ist ziemliches Glück, denn erst am Tag davor musste wegen Holofernes’ Erkältung die Show in Northeim abgesagt werden. Nun steht sie wieder putzmunter auf der Bühne und beginnt mit “Oder an die Freude”, den Holofernes mit ihrer Backingband mit zarten Harmonien intoniert. Während dieser Song noch recht ruhig bleibt, geht es schon in den nächsten Songs “Nichtsnutz” und “Danke, ich hab schon” ans Eingemachte: Holofernes hüpft freudestrahlend über die Bühne, immer hervorragend unterstützt von ihrer Band. Das Publikum tut es ihr gleich und singt-hüpft zu den Deutsch-Pop-Rock-Songs. Was Holofernes in eine ganz eigene Liga befördert sind die hervorragenden Texte, die von einer nahezu lyrischen Qualität sind und mit Lautmalerei und Wortwitz glänzen.
Schon letztes Jahr konnten wir Holofernes beim Zeltfestival Ruhr besuchen (Bericht hier) – dass Holofernes aber noch Variation in die Setlist bringen kann, beweist sie an diesem Abend immer wieder. Mit “Die Konkurrenz”, “Bist du nicht müde” und “Ist das so?” haben es gleich drei andere Wir sind Helden-Songs ins Set geschafft. Und wie erwartet zünden diese natürlich ungemein – bei Band und Publikum. Ja, die Helden werden auch 2018 noch vermisst – Judith ist aber solo genau so eine Fundgrube für Fans von anspruchsvollem Pop-Rock. Auch der neueste Song “Sara, sag was”, den Holofernes mit dem faröischen Singer-Songwriter Teitur, verfasst hat, ist mit dabei und herzzerreißend schön! In der Mitte des Sets holt Holofernes ihren selbst geschriebenen – und übrigens sehr empfehlenswerten – Gedichtband “Du bellst vor dem falschen Baum” hervor und verspricht ein kurzes Hörspiel! Vorgetragen wird nun das Gedicht “Die Vollmeise”, wozu die Band passende Hintergrundgeräusche beisteuert – unglaublich unterhaltsam und ja, eine Vollmeise haben doch die meisten. Zwischen den Songs ist außerdem immer Zeit für persönliche Ansagen und kleine Umfragen unter den Fans, die übrigens positiv durchgemischt und sehr zahlreich erschienen sind. So zeigt sich Holofernes sehr gender-sensibel, wenn sie zum Mitsingen auffordert und die Fans in “sich stimmlich eher dem männlichen Geschlecht” oder eben “stimmlich eher dem weiblichen Geschlecht” zugehörig einteilt – normalerweise würde sie das nämlich niemals machen. Wegen ihrer Erkältung solle sie außerdem immer möglichst viel Trinken, das sei ihr aber so unangenehm, weil das ja kein Entertainment sein. Kurzerhand jubelt das Publikum ab diesem Zeitpunkt also immer lautstark, wenn Holofernes mal zur Wasserflasche greift. Wer Liebe austeilt, bekommt sie auch zurück!
Wie diese doch sehr unangepasste und positiv durchgeknallte Performance zu dem Gegenteil Mainstream-Pop wie Marc Forster oder Rea Garvey passt, zeigte Holofernes bei der diesjährigen Ausgabe von “Sing meinen Song”: mal mehr, mal weniger. Die Freundschaft zwischen den Teilnehmenden ist aber ohne Frage echt und so ließ es sich Holofernes auch nicht nehmen, ein Stück aus der Sendung zu spielen: Ihr Cover “Feuer frei”, das im Original von Rea Garvey eigentlich “Armour” heißt. Das Stück klingt auch hier herrlich nach 00er-Charts und so gar nicht modern, was den Charme des ganzen Abends ausmacht. Holofernes berichtet, dass sie jetzt erst verstanden hat, wieso Leute überhaupt “Hey na na na” singen – es macht einfach Spaß! Für solche plumpen Song-Bausätze war Holofernes bisher zwar nicht bekannt, sie selbst meint aber, dass es in kleinen Portionen auch mal Schwung in die Songs bringen kann.
Zwei Zugaben gibt es am heutigen Abend, mit “Der letzte Optimist” schwingt eine gehörige Menge Pathos ins Gloria Theater – dann ist Schluss. Um 20:50. Aber das täuscht definitiv nicht darüber hinweg, dass es heute eine Tanzveranstaltung war. Eine durchgeknallte, unangepasste Tanzveranstaltung voller Liebe. Und die sollte doch wohl nie verboten sein!
Und so hört sich das an:
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Judith Holofernes live 2018:
- 26.11.2018 Admiralspalast Berlin
- 28.11.2018 Das Haus Ludwigshafen
- 29.11.2018 Kulturzentrum Neun Ingolstadt
- 30.11.2018 Centralstation Darmstadt
- 03.12.2018 Mau Club Rostock
- 04.12.2018 Mojo Hamburg
- 05.12.2018 Rosenhof Osnabrück
Beitragsbild von Julia Köhler.
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