Was macht man mit einem Doktortitel? In den meisten Fällen wohl Arzt werden oder als Wissenschaftler an der Uni verweilen. Und was macht man mit einem Doktortitel in „Popmusik“? Natürlich eine Comedy-Show. Die nun entstandenen Fragezeichen in euren Köpfen lassen sich leicht auflösen. Immerhin hat sich Dr. Pop in seinem ersten Programm Hitverdächtig die Fakten nicht ausgedacht, sondern im Studium und während der Promotion angelesen, um sie nun kabarettistisch an Otto Normalzuhörer weiterzugeben.
Wie das aussieht, erfährt man im grade angelaufenen Jahr in vielen Städten der Nation. Am 17.1. auch in Krefeld. Der Südbahnhof wird am Freitagabend von ungefähr 70 Leuten besucht. 70 Leute, die außer Neugier und Interesse an Musik wahrscheinlich wenig gemeinsam haben. Das Alter beginnt bei der frisch ergatterten Volljährigkeit und endet wohl bei der frisch ergatterten Rente. Wie intensiv man sich zuvor mit Musik auseinandergesetzt hat, spielt keine große Rolle.
Um 20:05 betritt Dr. Markus Henrik, wie der Alleinunterhalter gebürtig heißt, die Bühne und ist zugleich sein eigenes Warm Up. Kurz erklärt, was gleich passiert und ein paar Klatschübungen später, kann es dann auch losgehen. Die folgenden 115 Minuten Bühnenprogramm zuzüglich einer zwanzigminütigen Unterbrechung bieten ein Medley – oder nennen wir es Neudeutsch „Mashup“ – durch die Popgeschichte. PowerPoint-Präsentation mit Lachgarantie.
Dr. Pop besticht ganz besonders durch Charme. Über 300 Snippets aus den unterschiedlichsten Musikgenres sind auf seinem Sample-Pad vorbereitet und werden hier und da auch mal falsch angeklickt – was aber comedyesque für Gags statt für Ärger sorgt und eben durch ein verlegenes Grinsen seitens des Künstlers überspielt wird. Dass man sich überhaupt irgendwie merken kann, wo sich welcher Sound befindet, ist schon beeindruckend. Die Optik erinnert an ein digitales Schachbrett mit bunten Lichtern, die Dr. Pop jedoch nicht mal richtig erkennt, da er eine Rotgrünschwäche hat, wie er im Laufe der Show berichtet. Stattdessen werden Flächen im Kopf in Schachfiguren umgewandelt und dann klappt das schon. Hut ab.
Wer Angst hat, hier in ein Programm geraten zu sein, für das man am besten selbst vorher einen Doktor gemacht hätte, um mitzukommen, darf nach wenigen Sekunden durchatmen. Natürlich hagelt es Informationen, die man vorher so wohl selten bis nie gehört hat, aber klar als Funfacts durchgehen und zum Schmunzeln anregen. Welchen Song hören Deutsche am liebsten beim Sex? Welche fragwürdigen Objekte besingt Michael Wendler in seiner letzten Single? Und warum ist „Cheap Thrills“ von Sia so catchy?
Popmusik leicht erklärt. Dass der Mann weiß, wovon er spricht, blitzt immer wieder durch, kommt aber wohl- statt überdosiert. Um dennoch klar Comedy und nicht Dozent zu bleiben, lipsyncht Dr. Pop seine Samples, untermalt sie mit überzogener Gestik, leichten Fremdscham-Moves und kleinen Accessoires. Wie soll man auch sonst dem Gangsterrapper Summer Cem huldigen, wenn man keine Basecap besitzt, um genügend Street Credibility vorzuweisen? Seht ihr.
Das Publikum ist mehr als nur lachende Untermalung. Dr. Pop spricht mehrmals Zuschauer direkt an, stellt ihnen Fragen zu Künstlern und Songs, bindet sie in die Show gesanglich ein und gibt nach der Pause sogar die Möglichkeit für ein spontanes „Questions & Answers“, was dankend angenommen wird. Zusätzlich versprechen die knapp zwei Stunden, die einer gemischten Tüte vom Kiosk ähneln, knuffige Tiervideos von YouTube, die halt immer gehen, selbstgedichtete Songs aus Teenagerzeiten, schlüpfrige Datingstorys, bei denen sogar „Who Let The Dogs Out“ Platz findet und politische Szenen, die sich gegen die AfD positionieren. Warum halbe Sachen, wenn man auch einmal alles mitnehmen kann. Nicht zuletzt lernt selbst Dr. Pop was: Die Jüngsten in der Crowd hören laut eigenen Aussagen gern Finch Asozial. Den kennt er bis dato noch nicht, ist aber mit Sicherheit schon bald mit einem Ausschnitt auf seinem Board vertreten.
Und die Tour ist nur ein Teil des großen Ganzen. Weitere Eindrücke zeigen „Dr. Pops Tonstudio“, ein wöchentliches Radioformat auf radioeins, die zum Streaming bereitstehen. Der Quatsch Comedy Club und NightWash standen auch schon auf der Agenda. Wer also Lust hat, was Unnützes zu lernen, mit Absicht längst Vergessenes wieder hochzuholen, Klassiker ad absurdem geführt zu bekommen, viel zu lachen und das Alles jeweils mit Musik garniert zu bekommen, sollte seine Chance nutzen. Denn wenn die Zuschauerzahl plötzlich eine Null mehr beinhaltet, fallen viele charmante Momente wohl weg, die Dr. Pop hitverdächtig machen.
Und so sieht das aus:
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