Interview mit Drens über „Holy Demon“

Die Dortmunder Nordstadt ist für vieles bekannt – aber nicht unbedingt dafür, die kulturelle Hochburg Deutschlands zu sein. Das ist vier Musikern aber ziemlich egal: Mitten im Ruhrpott schaffen Drens sich ihre Safe Spaces, kreieren ihren eigenen Sound, machen die Musik die sie lieben und nennen das ganze Surfpunk. Nach zwei EPs in den vergangenen vier Jahren, zahlreichen Festival-Auftritten und einer langen Zeit der Corona-Ungewissheit kommt nun endlich ihr Debütalbum „Holy Demon“. Wir haben Sänger und Gitarrist Fabian Livrée in Dortmund getroffen und mit ihm über die neue Platte, Indie-Rock, Songwriting, Selbstzweifel und seine Heimat Dortmund gesprochen. 

minutenmusik: Hi Fabian, wie geht’s dir so kurz vor Release?

Fabian: Mir oder uns geht’s gerade ganz gut, aber die Aufregung steigt natürlich. Wir haben jetzt schon vier Singles released, also Teile vom Album sind schon draußen, aber der Großteil kommt ja noch raus. Deshalb und weil es unser Debütalbum ist, wo wir so lange drauf hingearbeitet haben, ist es auf jeden Fall aufregend und spannend gerade.

minutenmusik: Ihr kommt hier aus Dortmund und eure Heimatstadt ist bei euch als Band finde ich auch sehr präsent. Wie ist euer Verhältnis zu der Stadt?

Fabian: Dortmund hängt halt irgendwo zwischen Münster, Düsseldorf und Köln und wir haben schon regelmäßig unsere Momente, wo wir dann nach Berlin rüberschauen, weil da so viele von unseren befreundeten Bands sind. Trotzdem wird man aber auf der anderen Seite voll oft drauf angesprochen: Krass, dass ihr solche Musik macht, aus Deutschland kommt und dann kommt ihr auch noch aus Dortmund. Viele finden es dann glaube ich auch cool, dass wir mal eine Band sind, die nicht aus Berlin kommt. Wir schreiben es uns jetzt nicht deshalb auf die Fahne, aber wir komme nun mal hier her. Ich will vielleicht auch mal irgendwann in Berlin wohnen, aber Stand jetzt eigentlich nicht. Wir haben hier unsere Räume gefunden, wo man was machen kann und da sind wir der Stadt auch sehr dankbar für. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass die kulturellen Angebote hier in der Stadt noch mehr wahrgenommen werden.

minutenmusik: Ihr beschreibt eure Musik als Surfpunk – aber du hast es gerade schon angedeutet: Dortmund ist ja jetzt nicht gerade Malibu oder Byron Bay – und auch nicht Berlin. Wie kam es zu dem Sound und der Beschreibung?

Fabian: Wir haben uns tatsächlich letztens nochmal gefragt, wo dieser Begriff überhaupt her kam und wir wissen es gar nicht mehr so genau. Der fiel irgendwann und war in unserer Bubble einfach präsent, deshalb haben wir das so ein bisschen beibehalten. Denn es fiel uns manchmal schwer zu sagen, was wir genau für Musik machen. Irgendwas in Richtung Indie-Rock halt. Und bevor man dann irgendwie fünf verschiedene Genres aufzählt, war das so ein bisschen das passendste. Und wir fanden es auch ganz cool, dass der Begriff ein bisschen flexibler ist und gleichzeitig aber auch ein Stück weit für eine Art Vibe steht. Mit dem Sport an sich hat das für uns jetzt nichts zu tun, sondern eher damit, sich die Orte zu suchen, an denen man gerne ist und die Lücken und Fleckchen, wo man sich wohl fühlt. Das passt für uns dann ganz gut damit zusammen, dass wir noch in Dortmund wohnen, weil wir uns hier auch ein Stück weit unsere Freiräume gesucht haben.

minutenmusik: Indie-Rock ist ja mittlerweile auch einfach ein super breit gefächertes Genre – von Shelter Boy über Alli Neumann, Pabst, Leoniden bis hin zu euch. Irgendwo muss man sich da ja wahrscheinlich ein bisschen abgrenzen, oder?

Fabian: Ja, das ist wirklich krass. Am Anfang haben wir die Bezeichnung auch ein bisschen mit einem Augenzwinkern benutzt, aber dann ist es geblieben und wir fanden es ganz charmant. Auf dem neuen Album haben wir uns ja teilweise auch stilistisch weiterentwickelt oder neue Facetten entdeckt.

minutenmusik: Das ist mir auch aufgefallen. Seit der Sunny Side Up-Ep hat sich euer Sound finde ich ein bisschen verändert, ist etwas weniger rough und dafür etwas Indie-mäßiger und eingängiger geworden. Was waren da eure Einflüsse? Ich höre da zum Beispiel ein bisschen 2000er-Indie raus.

Fabian: Das war nicht mal ein richtig bewusster Prozess. Wir schreiben tatsächlich immer relativ viel, haben dann voll viele Songs und fragen uns dann: Was machen wir jetzt damit? Irgendwann schält sich dann etwas heraus, was zusammen passt und was wir vielleicht auch gerade fühlen. So hat sich das einfach ergeben. Gleichzeitig hatten wir das Gefühl, dass es hier und da nicht mehr ganz so sonnig klingt. Ich finde es hat immer noch so eine positive Grundhaltung. Aber schon die Songs, die wir früher geschrieben haben, waren teilweise in den Texten etwas düsterer, auch wenn das manchmal hinter einem Augenzwinkern versteckt war und man das nicht so vermutet hat, wenn man die Songs gehört hat. Und da dachten wir uns jetzt: Okay, lass uns das doch mal etwas konsequenter machen. Also weniger Kompromiss, weniger Augenzwinkern und einfach ein bisschen ehrlicher sein.

minutenmusik: Dieses Album wurde ja auch von einem neuen Produzenten produziert: Zebo Adam, der unter anderem schon „Schick Schock“ von Bilderbuch produziert hat. War das vielleicht auch sein Einfluss, der den Sound etwas verändert hat?

Fabian: Auf jeden Fall. Wir sind selbst durch „Schick Schock“ auf Zebo aufmerksam geworden. Und wir haben ja teilweise auch ein bisschen elektronischere Einflüsse auf dem Album mit reingenommen, deshalb hatten wir das Gefühl, das könnte gut passen. Zebo hat auch mit den Beatsteaks zusammengearbeitet, was einfach eine Band ist, die wir voll mögen und als er dann gesagt hat, dass er Bock hat, haben wir uns total gefreut. Und er hatte natürlich schon einen großen Einfluss auf dem Sound am Ende.

minutenmusik: Wo wir schon bei Produzent:innen sind, komme ich natürlich nicht um die folgende Frage herum: Eure letzte EP wurde von Steffen Israel, Gitarrist von Kraftklub, produziert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Denn es war ja glaube ich auch sein Produzenten-Debüt.

Fabian: Wir haben Kraftklub auf einem Festival in Prag kennengelernt, oder zumindest haben sie und wir dort gespielt. Sie waren dann irgendwann vor unserer Bühne und haben sich das Konzert angeguckt. Lustigerweise dachten sie damals, dass wir Tschechen wären, weil wir uns Backstage nicht unterhalten haben und die Ansagen natürlich auf Englisch gemacht haben. Drei Wochen später waren wir dann auf dem Open Flair Festival und haben uns dort dann richtig getroffen und kennengelernt und uns ausgetauscht. Dabei haben wir gemerkt, dass wir viele musikalische Vorlieben teilen. Und später haben wir dann jemanden gesucht, der das, was wir machen, versteht und teilt. Da sind wir dann auf die Idee gekommen, Steffen zu fragen, weil der viele Bands hört, die wir auch hören oder die Einflüsse von uns sind. Glücklicherweise hat er nach einem Moment überlegen dann ja gesagt und das war auf jeden Fall eine schöne Sache, denn wir sind ja nach wie vor eng miteinander.

minutenmusik: Euer Album heißt „Holy Demon“ – bezogen auf Dinge oder Gewohnheiten, die man mit sich rumträgt und die ein Teil von einem sind, die aber vielleicht auch toxisch sind und die man irgendwie nicht ablegen kann. Was würdest du sagen, ist dein persönlicher Holy Demon?

Fabian: Ich glaube das ist der springende Punkt, dass jeder sie hat und wenn sie zu groß werden, dann kann man sich aus der Umarmung des Dämons nicht mehr lösen. Bei mir war das beim Schreiben des Albums unter anderem ein naher Trauerfall, bei dem ich diese Trauer nicht bewältigt bekommen habe. Und irgendwann ist man dann ja an so einem Punkt, wo man alles darauf schiebt und sich nicht mehr richtig aufraffen kann. Dann ist man in so einem Strudel drin und benutzt diesen Dämon für sich als eine Art Ausrede, sich nicht um sich selbst zu kümmern. Das Schreiben des Albums war da schon eine große Hilfe, da wieder rauszufinden. Und ich würde mir wünschen, dass diese positive Grundhaltung trotzdem klar wird, wenn man das Album hört. Dass es einem das Gefühl gibt, dass man nicht alleine damit ist, Momente der Schwäche zu haben. Und dass es okay ist, sich an andere zu wenden und zu strugglen. Es geht nicht darum, immer der krass effizienteste Mensch zu sein.

minutenmusik: Darum geht es ja auch in „Honey“, oder? Dass man sich zu oft mit anderen vergleicht und nicht vergessen darf, was man selbst alles schon geschafft hat. Dieser Druck, zu performen und dieses sich mit anderen vergleichen – spürt ihr das auch als Musiker?

Fabian: Das gibt es schon, dass man sich mit anderen Bands vergleicht. Dabei muss man dann natürlich aufpassen, dass das nicht ungesund wird und man sich nicht immer auf so eine negative Art vergleicht. Viel cooler finde ich es, sich von anderen Bands inspirieren und motivieren zu lassen und zu sehen, was andere Bands so machen.

minutenmusik: Auf der Platte geht es ja viel um solche Themen: Scheitern, Selbstakzeptanz, sich Fehler eingestehen. Bei einem Song hatte ich aber das Gefühl, dass der in eine etwas andere Richtung geht, und zwar „Bloody Knees“, der ja eher nostalgisch ist. Ist das der Kontrast, der auf eine Zeit anspielt, in der man solche „Probleme“ vielleicht noch nicht hatte?

Fabian: Genau, auf jeden Fall. Und was auch noch hinzu kommt ist ja die Pandemie, die wir alle durchleben. Den Song habe ich in einem Moment geschrieben, in dem ich dachte: Ich vermisse es einfach, mit meinen Freunden rauszugehen und zu skaten, auch wenn ich nie ein guter Skateboarder war. Wenn wir damals kein Geld für den Club hatten, haben wir einfach auf Parkplätzen rumgehangen und sind geskatet. Und die Leichtigkeit, die das hatte und die Nähe zu meinen Freunden hat mir einfach gefehlt. Das habe ich mit den anderen in der Band auch geteilt. Selbst Joel, der woanders aufgewachsen ist als wir anderen, hatte genau die gleichen Erfahrungen. Der Song richtet sich auch relativ konkret an einen Freund von mir und sagt quasi: Danke, dass du noch an meiner Seite bist.

minutenmusik: Die Message wird auf jeden Fall ziemlich klar – bei einem anderen Song vom Album ist das nicht ganz so. „Stealing All The Air“ könnte man finde ich in verschiedene Richtungen interpretieren. Was war da der Gedanke hinter dem Song?

Fabian: Bei uns ist es oft so, dass die Musik zuerst da ist und es so eine Art Fantasietext dazu gibt, um die Melodien festzuhalten. Oft sind da aber schon Phrasen drin, die den Kern des Songs treffen. Das heißt, man muss dann versuchen, den Text so zu Ende zu schreiben, dass er am Ende komplett das sagt, was man sagen möchte. Bei dem Song war es teilweise so, dass ich eigentlich über meinen größten Holy Demon schreiben wollte, aber gemerkt habe: Irgendwie wird das ganz schön düster gerade. Deshalb bin ich da den Twist gegangen, das nochmal abzuändern und eine Geschichte darüber zu schreiben, dass man jemanden nicht erreicht, den man aber gerne erreichen würde und sich irgendwann auf nichts anderes mehr konzentrieren kann und da nicht mehr rauskommt. Da hatte ich also nicht ganz den Mut, den Song komplett ehrlich zu schreiben – sonst wäre er wohl noch düsterer geworden.

minutenmusik: Ist das Songwriting dementsprechend auch eine Art Ventil für dich?

Fabian: Auf jeden Fall. Denn wenn man etwas geschrieben hat, dann spricht man ja auch automatisch drüber und geht in den Austausch. Deshalb war es für mich auch so heilsam, dieses Album zu machen. Denn es gibt einem diesen Stups, darüber zu reden. Das macht es gleichzeitig auch schwer und deshalb sind wir auch so aufgeregt, dass das Album jetzt erscheint. Denn ich bin schon einfach ich selbst innerhalb der Band und nicht irgendein Alter Ego. Und bei den anderen ist das genau so.

minutenmusik: Was steht bei euch in Zukunft denn noch so an und worauf freut ihr euch am meisten?

Fabian: Am meisten Bock habe ich wirklich darauf, am 2. Juni im Dortmunder FZW zu stehen, weil wir das Konzert seit zwei Jahren vor uns her schieben. Es wäre eigentlich das Release-Konzert damals zur Pet-Peeves-EP gewesen. Dann wurde es drei Mal verschoben, das ist jetzt der vierte Termin. Aber dieses Mal wird es klappen. Wir mussten wegen Corona vor ein paar Wochen leider schon ein Konzert absagen und ich war so traurig deswegen. Aber nachdem ich da aus Frust dann ein bisschen geweint hab, werden es bei dem Konzert im FZW bestimmt eher die Freudentränen sein, wenn wir die ersten Töne gespielt haben und alle da sind. Und dann steht natürlich die Tour im September noch an – nach der langen Corona-Zeit tut sich jetzt endlich mal wieder was und wir freuen uns total darüber.

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Beitragsbiild: Jonas Wenz

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