Fortuna Ehrenfeld, Konzertkahn Köln, 29.10.2019

Foto von Jonas Horn.

Eine ungewöhnliche Band in einer ungewöhnlichen Location? Fortuna Ehrenfeld laden auf den Rhein und zwei Stunden lang tanzt, singt und kuschelt ein ganzes KölnDüsseldorfer-Schiff zu ihrem unkonventionellen Aggro-Schmuse-Pop-Entwurf gen Bonn. Und jetzt tanz mit mir du Sau…

Das Dreigespann

Martin Bechler trägt heute wie immer sein ausgelatschtes Schlafanzug-Outfit inklusive Bärentatzen. Um seine Schultern hängt ein Plüsch-Irgendwas und ein FC-Schaal. Um seinen Hals eine Gitarre. Auf seinem Kopf thront das stramm zu einem Iro aufgestellte Haupthaar. Zwischendurch nuckelt er gelegentlich an feinster Fortuna Ehrenfeld-Rotwein-Plörre. Wenn er ans Mikrofon tritt, haucht er die poetischen Worte nur so in Richtung Menge. Oder aber er erzählt umschweifend in nicht ganz politisch korrekter Sprache – mal rutscht ihm das N-Wort, mal das F-Wort heraus – Tour-Anekdoten und Gentrifizierungs-Blabla. Ein Jazz-Solo kommentiert er mit den Worten: „Weil wir es können.“ Auch ansonsten hat er unglaublichen Spaß. Wenn er aber einen Song unterbricht, um den Opfern des rechtsextremen Anschlags in Halle Anfang des Monats zu gedenken, wird er plötzlich ganz ernst. Und der Raum zurecht komplett still.

Zur Linken dieses sonderbaren Typen versteckt sich Jenny Thiele hinter ihrem Keyboard-MIDI-Ungetüm. Auch sie darf ab und an in ihr Mikrofon wispern. Auch sie darf mit ruhiger Stimme ausufernde Tour-Geschichten – natürlich alles wahr! – erzählen. Hinter den beiden sitzt Paul Weißert. Er grinst immer mal wieder wie ein Honigkuchenpferd, versteckt sich aber sonst im Hintergrund. Nur wenn seine Schlagzeugstöcke mal wieder mit voller Wucht auf die Felle prallen, überkommt einen das Gefühl er versuche sich für wenige Momente ebenfalls nach vorne zu drängen.

Schon die drei Personen, die heute zwei Stunden lang auf der Bühne um ihr Leben spielen, sind alles andere als gewöhnlich. Der eine ist Ende 40, die anderen zwei höchstens Mitte 20 und Anfang 30. Manchmal wirken sie wie eine kleine, strange Familie. Papa, Tante und Sohnemann oder so. Auch das Konzert ist keine Standardware. Für das Intro und einen Song gegen Ende des nahezu ausgeglichen alle Alben berücksichtigenden Sets begleitet das Trio ein achtköpfiges Bläser-Ensemble. Pompös. Kann man aber für sein bislang größtes eigenes Konzert mal machen. Andere Stücke erweitern Fortuna Ehrenfeld um ausufernde Ausbrüche oder tanzbare Elektro-Ausflüge. Auf den ganzen Zugaben-Quatsch verzichtet die Band. Ebenfalls zurecht.

Location? Joa. Band? Auf jeden Fall!

Die Location sorgt zwar für ein besonderes Feeling, stellt sich ansonsten jedoch als gar nicht mal so beachtenswert heraus. Davon, dass man sich gerade auf einem tuckernden Schiff befindet, bekommt man nach Betreten kaum etwas mit – außer, dass der Boden zwei mal kurz schwankt und die Getränkepreise exquisites Touri-Niveau haben. Ganz ökologisch nachhaltig ist die ganze Aktion ja irgendwie auch nicht. Die Hauptattraktion sind aber eh Fortuna Ehrenfeld – wie immer in Höchstform. Das Licht stimmt, der Sound ist glasklar. Alles gut also.

Zum Schluss schmeißt Bechler seine Gitarre mit Schwung über die Bühne. Das Instrument landet in hohen Bogen auf dem Boden. Ob das gute Stück den Sturz überlebt oder Kolleteralschäden davonträgt, bleibt sein kleines Geheimnis. Was aber so offen wie nur weniges in dieser Welt scheint, sind die Zeilen, die Musiker und Fans zuvor durch den Raum schmettern: „In ein paar wenigen Minuten, an diesen ganz besonderen Tagen, ist die Welt gar nicht so scheiße, wie die alle immer sagen.“ Völlig korrekt. Location? Joa. Band? Auf jeden Fall!

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Foto von Jonas Horn.

 

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