Ab und an braucht es keine großen Worte. Manchmal spricht die Musik für sich. „Keep You“ heißt die vorletzte Platte der amerikanischen „The-Wave“-Bewegung Vertreter Pianos Become The Teeth. Auf dieser widmet sich Sänger Kyle Durfey begleitet von einem drastischen Stilwechsel gänzlich dem Tod seines geliebten Vaters. Einen ähnlich persönlichen Weg schlugen die Kollegen von Touché Amoré um Jeremy Bolm einige Jahre später ebenfalls ein. Etwa vier Jahre nach der Veröffentlichung des persönlichen Überalbums steht Durfey mit seinen vier Bandkollegen auf der kleinen Bühne des proppenvollen Kölner MTCs und spielt eine der wenigen Headline-Shows, die seine Band diesen Sommer nach Europa treiben. Wenn der hagere Mann über seinen Vater singt, wirkt es fast so, als habe er dessen Tod noch nicht wirklich verarbeitet. Nach einer Zeile tritt er einige Schritte vom Mikrofon weg und murmelt leise, kaum merkbar „no, you don’t“. Auch die aktuelle, bereits vierte Platte seiner Band, die den Titel „Wait For Love“ trägt, beschäftigt sich streckenweise, wenn auch indirekt, mit seinem verstorbenen Vorfahren – persönlich waren die Texte Durfeys eh schon immer.
Im Laufe des einstündigen Konzertes scheint die Screamo-Vergangenheit des Quintettes kein einziges mal durch. Nicht ein Song der ersten beiden Werke der Band hat es in das Set geschafft. Was man hier präsentiert ist energetischer, von post-rockigen Soundflächen durchtränkter, perfekt vorgetragener Indie. Die Stimme des Frontmanns gleitet kein einziges mal ins Schreien über. Wenn er singt, spürt man jedoch förmlich, wie sie immer wieder wegzubrechen droht. Trotzdem sitzt jeder Ton. Steht der Sänger nicht an seinem Mikrofonständer und hebt seine Arme theatralisch über seinen Kopf, tritt er näher an die ersten Reihen heran und singt mit halb verschlossenen Augen, während seine Hände wie in einem stummen Ausdruckstanz durch die Luft schwirren. Mehr als ein kurzes „Thank you“ kommt in den wenigen Pausen nicht zwischen seinen Lippen hervor.
Für Erzählungen lässt das verkopfte Set der Gruppe eh kaum Platz. Ist ein Song gerade zu seinem Ende gekommen, schwirrt bereits der nächste Gitarrenteppich durch den Raum und hüllt die Zuhörer in wohlig warme Arme. Tritt Bassist Zac Sewell ebenfalls ab und an singend an den Bühnenrand, so halten sich die beiden Gitarristen eher im Hintergrund, während sich Schlagzeuger David Haik an seinem Kit gänzlich verausgabt. Fand das energetische Getrommel Haiks auf „Keep You“ noch etwas im Hintergrund statt, so räumte man diesem nun auf „Wait For Love“ etwas mehr Platz ein. Auch in der Live-Situation trägt das verspielte Schlagzeugspiel maßgeblich dazu bei, dass es neben viel Atmosphäre auch genug Druck in den Sound der Band schafft.
Einmal kurz vor Ende scheint es für einen Moment so, als wolle Durfey doch noch etwas sagen. Eine gefühlte Ewigkeit steht er mit zitternden Lippen und geschlossenen Augen vor der Menge. Auch hier bleibt das Publikum höflich und schweigt. Dann tritt er wieder einige Schritte zurück und überlässt doch lieber seinen Kollegen an den Instrumenten das Sagen…
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Foto von Jonas Horn.
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