The World of Hans Zimmer – A Symphonic Celebration, König-Pilsener-Arena Oberhausen, 10.11.2018

Hans Zimmer Oberhausen

Wenn Komponisten es schaffen, Konzertsäle zu füllen, die über die typische städtische Opernhausgröße hinausgehen, ist man wohl mit seinen Kreationen im Mainstream angekommen. Wenn man es dann noch schafft, nicht mal selbst anwesend sein zu müssen, damit die Säle voll sind, dann ist man ein Star. Diesen gewaltigen Einfluss besitzen wahrscheinlich nur vier Lebende: Ennio Morricone, John Williams, Danny Elfman und Hans Zimmer. Alles Filmkomponisten. Offensichtlich ein Genre, das durch das Zusammenspiel von Ton und Bild besonders großen Eindruck in den letzten 50 Jahren hinterlassen konnte. Dass mit Hans Zimmer dazu noch ein Deutscher so weit gekommen ist, macht natürlich besonders stolz – immerhin ist ansonsten der Einfluss deutscher Musik auf die restliche Welt eher überschaubar.

Herr Zimmer hat aber seinen Ruhm mehr als verdient. Der gebürtige Frankfurter, der letztes Jahr 60 wurde, verbucht mittlerweile 60 Millionen verkaufte Einheiten von Werken, an denen er mitschrieb. Die Liste mit seinen Kompositionen ist schier endlos. Regelmäßig kann man Zimmer mit Bands und Chören unterschiedlichster Größenordnung auf der Bühne sehen. Dabei spielt er gern selbst Instrumente oder dirigiert die Truppe. Nun sollte es aber einen Tick gigantischer werden. Viele seiner Stücke sind angelegt, damit ein Orchester sie spielt. Zimmer hat sich häufig gegen die Aufführung einiger seiner Scores gewehrt, da eine Band ihnen nicht würdig wird. Schluss damit! Jetzt wird alles aufgefahren, was nur möglich ist. Die aktuelle Tour „The World of Hans Zimmer – A Symphonic Celebration“ verspricht neben einem ganzen Symphonieorchester und einem im Vergleich eher überschaubaren Chor von 16 Personen aus Weißrussland noch zwei Handvoll Solisten, einen hervorragenden Dirigenten, eine elektrisierende Lichtshow und meterhohe, stilsichere Bildschirme. Nur ein Detail fehlt, wie bereits angedeutet: Hans Zimmer selbst.

Trotzdem strömen 9000 Besucher in die König-Pilsener Arena in Oberhausen und machen den bestuhlten Innenraum, den Unter- und sogar Oberrang restlos voll. Höchstens zwei Blöcke hätten noch zusätzlich aufgemacht werden können, aber auch so ist es ein beeindruckendes Bild. Das Alter der Zuschauer ist der Show entsprechend breit aufgestellt, durchschnittlich wahrscheinlich aber um die 40. Schon zu Beginn ist der Saal in dunkle Farben gehüllt, auf der Leinwand steht breit der Titel des Programms. Davor stehen Instrumente und Stühle für Instrumentalisten, die kaum zählbar sind. Und wie es sich für ein Konzert mit Anspruch gehört: hier wird pünktlich begonnen! Auf die Minute genau betritt um 20:00 das Orchester die Bühne und stimmt die Instrumente. Dirigent Gavin Greenaway ist die einzig konsequente Wahl für diese Aufgabe – er arbeitet seit 25 Jahren mit Zimmer zusammen und kennt die Stücke wie kaum ein anderer. Um 20:05 wird das erste Mal der Taktstock geschwungen und die Show beginnt mit einem erschlagenden Tutti, das viele Zuschauer kurz aufschrecken lässt.

Dann gibt es für insgesamt drei Stunden (inklusive knapp 30minütiger Pause) ein buntes Potpourri aus den besten Filmen, bei denen Hans Zimmer mitgewirkt hat und bei denen ein Ensemble dieser Größe von Nöten ist. Zimmer und Greenaway persönlich haben in kleinschrittiger Arbeit einige Werke umarrangiert, damit auch jedes Orchestermitglied auf seine Kosten kommt und das Talent unter Beweis stellen darf. Die dafür komponierten Suiten geben manchen Filmscores einen neuen Anstrich. Gerade das Opening mit „The Dark Knight“ hält sich größtenteils zurück und sorgt stattdessen für eine wohlige, gut aufbauende, aber nicht zu aufdringliche Atmosphäre in Oberhausen. Das Publikum entscheidet sich bereits zu Anfang, die Handys größtenteils in der Tasche zu lassen – gefilmt und fotografiert wird nur vereinzelt. Stattdessen lauscht man dem Sound und richtet seinen Blick auf den Bildschirm, der nicht auf berechenbarem Wege eine Filmszene nach der nächsten zeigt, sondern viel mehr mit einer Collage aus ruhigen Landschaften, verspielten Farbeffekten und eben prägnanten Filmbildern genau den richtigen Ton trifft. Kitschig wird es nur selten – ein Glück. Zwischen den Stücken darf Zimmer dann aber doch die volle Aufmerksamkeit bekommen: er moderiert seine Kompositionen selbst an, plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen, zeigt sein Studio in L.A. und lädt Gäste ein, die bei den Soundtracks tragende Rollen spielten, um mit ihnen in Erinnerungen zu schwelgen. Zimmer feiert sich natürlich hier ganz schön selbst und lässt mit „Den nächsten Song habe ich morgens um 6 in Australien komponiert“ ein wenig Dekadenz hervorscheinen, kriegt aber immer noch mit genug Sympathie gut die Kurve.

Das Bolschoi Orchester ist über die beachtliche Konzertlänge stets on time, wirklich selten fallen minimale Ungereimtheiten auf. Aufgelockert wird das Bühnenbild durch kleinere solistische Auftritte, die vor dem Orchester präsentiert werden dürfen. Dabei sind sogar einige Originalinterpreten zu hören, wie der Flötist Pedro Eustache, der mit seinem Können einen wichtigen Teil zum Erfolg des „Fluch der Karibik“-Scores beigetragen hat und Lisa Gerrard, die für ihre gesangliche Leistung in „Gladiator“ für den Oscar nominiert wurde. Diese Special Guest-Riege sorgt dafür, dass sowohl Abwechslung vorkommt als auch das Fehlen von Hans Zimmer nicht zu stark ins Gewicht fällt. Das größte Highlight neben der Musik ist aber eindeutig die faszinierende Lichtshow: Über dem Orchester hängen Spots in den Initialen H und Z angeordnet, die gesamte Leinwand lässt sich in einzelne Parts beweglich trennen und zig weitere Scheinwerfer ergeben gemeinsam eine genauso tolle Komposition fürs Auge wie die Musik fürs Ohr – Blitzlichtgewitter oder ruhige Blautöne wechseln sich ab.

Tatsächlich gibt es bereits in der ersten Hälfte von den vorderen Reihen stehende Ovationen. Für den Eintrittspreis wird wirklich was Ordentliches geboten. Bis zur Pause sind die größten Themen aus dem oben genannten „The Dark Knight“, „King Arthur“, „Mission: Impossible 2“, „Pearl Harbor“, „Rush“ und „The Da Vinci Code“ zu hören – letztes ist auch das erste große Highlight in den beginnenden 60 Minuten. Akt 2 ist mit neun Stücken und 90 Minuten Länge nicht nur quantitativ überlegen, sondern auch qualitativ. Hier gibt es zunächst Melodien aus vier Animationsfilmen zu bestaunen („Madagascar“, „Spirit“, „Kung Fu Panda“, „The Lion King“), anschließend eher unbekannte Titel („Liebe braucht keine Ferien“, „Hannibal“) und zum großen Finale ein schieres Hitfeuerwerk („Gladiator“, „Inception“, „Fluch der Karibik“). Eine leicht andere Verteilung wäre besser gewesen – man wird an Eindrücken dann doch erschlagen. Da es sich eben um ein Konzert handelt, bei dem konzentriert auf die Bühne geschaut wird, wären zwei Stücke in der ersten statt in der zweiten Hälfte von Vorteil gewesen. Wäre ein Film komplett weggefallen (z.B. „King Arthur“ oder „Spirit“), wäre auch das zu verschmerzen. Wenig zu verschmerzen hingegen: Das komplette Fehlen von „Interstellar“.

Dennoch bleiben beim Gesamteindruck fast nur gute bis sehr gute Erinnerungen hängen. Ein Hans Zimmer-Konzert ohne Hans Zimmer mag erst komisch klingen, ist aber nach wenigen Minuten vergessen. Versprochen.

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Und so hört sich das an:

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The World of Hans Zimmer – A Symphonic Celebration live 2019:

29.03. – Dortmund, Westfalenhalle
30.03. – Halle (Westfalen), Gerry Weber Stadion
10.04. – München, Olympiahalle
12.04. – Wien, Stadthalle (AU)
13.04. – Graz, Stadthalle (AU)

Foto von Christopher.

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