Vampire Weekend, Carlswerk Victoria Köln, 21.11.2019

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Mit leidenschaftlichen Musikfans verhält es sich ja meist so: Die einen feiern komplexe Arrangements und anspruchsvolle Instrumentalparts, die anderen mögen es lieber locker, simpel und eingängig. Die jenigen, die beiden Optionen etwas abgewinnen können, haben dann bandtechnisch meist die Qual der Wahl, im Bereich der Gitarren-Musik nämlich: Indie und Alternative vs Prog und Mathrock. Von einigen Gratwander*innen mal abgesehen können sich die meisten Acts nämlich in diese – natürlich ziemlich simplifizierte – Dichotomie einordnen lassen. Nicht so aber bei Vampire Weekend: Die Indie-Helden konnten mit ihren luftigen Songs schon seit ihrem Debütalbum die Massen von Instrumentalsnobs und Festivalmeuten gleichermaßen begeistern. Zum Anlass ihrer exklusiven Deutschland-Show 2019 im Kölner Carlswerk Victoria – die erste seit sechs (!) Jahren in Deutschland übrigens – bringt das Gespann die großen Klassiker, aber auch das aktuelle, vielerorts gefeierte Album “Father Of The Bride” mit. Was nun folgt, verdient nur ein Prädikat: Weltklasse.

Von Virtuosen in Badeshorts

Ezra Koenig trägt eine kurze Badehose. Bei fünf Grad Außentemperatur. Wenn ein Bild als perfekte Analogie für den heutigen Abend herhalten kann, dann wohl der schelmisch grinsende Frontmann in lupenreiner Sommermontur. Mit ihrer 120-minütigen Show gehören die US-Amerikaner nämlich klar auf die großen Sommerfestivalbühnen, doch auch in der hohen Industriehalle scheint die Sonne für diesen Abend ganz hell. Schon bei der sympathisch-schüchternen Vorband Liss lugt sie zwischenzeitlich hinter den Wolken hervor, wenn der soulige Indie-Entwurf seine leidenschaftlich tanzbare Seite präsentiert. Doch dann: Die Zäsur! Anstatt nämlich den Fahrtwind des Supports im klassischen Sinne zu nutzen und mit einem deftigen Hitfeuerwerk in den Abend zu starten, lassen Vampire Weekend den Opener “Sunflower” vom aktuellen Album in eine waschechte Jamsession ausarten. Dass sich Koenig, Bassist Chris Baio und Tour-Gitarrist Brian Robert Jones die Finger bei diesen wilden Riffs nicht verknoten, grenzt an ein Wunder und auch Drummer Chris Thomson und Tour-Perkussionist Garrett Ray trommeln sich zu wüsten Rhythmen die Seele aus dem Leib. Dennoch – so in eine Show zu starten, muss man als Indiepartyliebling auch erstmal machen. Den Proggern gefällt’s.

Kleine Mittel, große Wirkung

Was jetzt aber nicht heißen soll, dass sich die Band ganz rebellisch gegen die Erwartungshaltungen der Fans stellen möchte, um mackerhaft ihr Können zur Schau zu stellen. Gelegenheit zum Tanzen gibt es nämlich noch genug, was bei der recht langen Spielzeit vor allem dank des phänomenalen Songwritings viel Freude bereitet. Obwohl Koenigs Stimme selbst kein sonderlich breites Spektrum (aber diese Kopfstimme!) abdeckt, können die Songs auch live von den sehr variationsreichen Klängen profitieren: Wo “Harmony Hall” noch große Folk-Töne anstimmt, geht es in “Diane Young” plötzlich in waschechte Rock’n’Roll-Manieren über, “Unbearably White” ist gleichermaßen wunderschön und tieftraurig, “Step” ein hauchzartes, sanftes Erlebnis, “A-Punk” macht seinem Namen alle Ehre und “Sympathy” befeuert die Breitwand-Synthies mit Stoff. So viele Soundmöglichkeiten ergeben einen Sinn, wenn man auf rein optischer Ebene einen Blick auf die Band wirft: Zwischen Metalhead, trendigem Hipster-Style, Hüfte schwingendem 80s-Look und eben Koenigs Sommeroutfit ist alles vertreten, was die Band auch bei den Fans abdecken kann. Gesangstechnisch macht dieses Septett ebenfalls einiges her – mit Harmonien und Akzenten gleichermaßen.

Auch in Punkto Fanservice kann die Band voll abliefern: Neben gemeinsamem Beatboxen, Tanzen und Klatschen sorgt vor allem die außergewöhnliche Zugabe für Begeisterung. Um circa 22:40 Uhr fragt Koenig das Publikum nach Songwünschen, denn die eigentliche Setlist wäre nun vorbei. Aus den zahlreichen lautstarken Zwischenrufen pickt sich der Frontmann schließlich zwei Pappschilder mit Vorschlägen aus – und kurzerhand spielt sich die Band durch den Song “Mountain Brews” der gleichnamigen Band und einem Doors-Cover. Außerdem wird der Fanwunsch des Songs “Finger Back” erfüllt, der wiederum die Lyrics “I don’t wanna live like this, but I don’t wanna die” für den aktuellen Song “Harmony Hall” vorgelegt hatte. Somit schließt sich der Kreis und die Rückkehr einer der größten Indie-Bands des Jahrzehnts wurde mit einem phänomenalem Konzert zelebriert, da sind Indiefans und Musikpuristen sich wohl einig. Einzig die Lichtshow bleibt weit hinter dem restlichen Niveau zurück – aber das bleibt bei so viel sonstiger Qualität nebensächlich.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Julia.

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