Denzel Curry – ZUU

Denzel Curry - Zuu

Come take a look at my city and it’s culture.“ Kultur kennzeichnet eine Gesellschaft. Diese beeinflusst wiederum die in ihr lebenden Individuen und deren Verhalten. Nach dem grandiosen Konzept-Album „TA13OO“ aus dem letzten Jahr meldet sich Floridas Kritiker-Liebling Denzel Curry bereits zehn Monate später mit einem neuen Langspieler zurück. Der trägt den Titel „ZUU“ (steht vermutlich als Wortschöpfung für „Zoo“ und meint damit den gesamten Verwaltungsbezirk Miami) und beinhaltet neun neue Songs. Nach dem verkopften Vorgänger löst sich Curry diesmal von tiefergehenden Konzepten und liefert ein Album, das als Abbild einer anderen Welt einen vielschichtigen Einblick in die Kultur schwarzer Amerikaner im Süden des Landes gibt – und damit irgendwie doch über mehr zusammenhängenden Inhalt verfügt als die meisten Rap-Alben.

ZUU“ ist das wohl bislang eingängigste Werk des Amerikaners. Das beginnt bereits beim Titeltrack, der in die übergeordnete Thematik des Albums einleitet und mit seiner melodiösen Hook selbstbewusst neben Amirapgrößen wie Drake, Kanye und co. steht. Schon hier droppt der Rapper Lines, die das Leben und die Unterdrückung farbiger Menschen in Amerika zutreffender nicht beschreiben könnten. So wird aus dem Rechtsgrundsatz „innocent until proven guilty“ fix „guilty until innocent“ – in Gegenden, in denen Polizeigewalt regelmäßig auf der Tagesordnung steht, sind solche Behandlungen leider eher die traurige Regel als Ausnahme. Im nach seinem Vater benannten „Ricky“ blickt Denzel Curry nur wenig später auf seine Erziehung und Kindheit zurück – inklusive motivierender Lebensweisheiten seiner Eltern. Das zugehörige Video zollt seinem verstorbenen Bruder Tribut, der als Straßenkämpfer die Heimatstadt Currys unsicher machte.

Die Metapher des Tierparks zieht sich durch alle Tracks des Albums, das aus neun regulären Songs und drei kürzeren Interludes besteht. Die Südstaaten sind dafür bekannt viele Minderheiten anzuziehen – in Carol City, der Heimat des Rappers, machten Weiße mit europäischen Wurzeln im Jahr 2000 „nur“ etwa 6,5 Prozent der Bevölkerung aus. In Washington D.C. waren es im Vergleich dazu 2010 etwa 35 Prozent. Fast sechs mal so viel. Es ist also gut möglich, dass Curry mit dem Begriff auf die ethnische Vielfalt seiner Stadt anspielt, eine Mannigfaltigkeit, die mit all ihren schlechten Umweltbedingungen auch für die Tierwelt in Zoos vorherrscht. Denzel Curry beschreibt über die 30-minütige Spielzeit das Leben in einer solch anderen Kulturwelt, betont all deren schönen Aspekte, aber auch deren negativen Seiten. So widmet sich „Speedboat“ der Gangkriminalität, die sich in einer „City full of gangsters“ („Birdz“) breit macht und immer wieder auch Opfer nach sich zieht. Einer der populärsten Todesfälle der Art war das Ableben des zurecht umstrittenen XXXTentacion vor einem knappen Jahr, auf den sich der Track unter anderem bezieht.

Musikalisch untermauern Curry und sein Team die stets zwischen gut und böse wandelnden Inhalte mit deutlich weniger Trap- und mehr Südstaaten-Hip-Hop-Vibes, die „TA13OO“ vor allem nach hinten raus immer häufiger misste. Die Musik des Rappers bekommt dadurch einen melodischeren Anstrich und lässt sich leichter verdauen als die teilweise geschrieenen Parts des Vorgängers. Spätestens beim Closer „P.A.T.“ dröhnt dann aber wieder eine knarzende Bass-Line durch die Boxen, die die Trommelfelle bis zum Zerbersten gen Gehirnmasse presst. Als Feature-Gäste lädt der 24-Jährige vorrangig junge, noch unbekannte Acts aus Miami und Umgebung ein (Kiddo Marv, Ice Billion Berg, PlayThatBoiZay, Sam Sneak). Damit steht „ZUU“ von vorne bin hinten repräsentativ für die kulturellen Einflüsse der Gegend, die den Künstler so sehr prägte.

Von der Strip-Club-Kultur („Shake 88“) über Erziehung („Ricky“) bis hin zur Sprache („Yoo“) und Kriminalität („Speedboat“) – „ZUU“ gibt ein deutliches Abbild einer gespaltenen Gesellschaftsschicht, die zwischen der eigenen Sozialisation und den Repressionen der dominanten weißen Minderheit steht und in einer Welt aus Ungleichheiten, Drogen und Gewalt aufwachsen und leben muss. Aus der Perspektive des Verfassers – eines weißen, überprivilegierten europäischen Mannes – steht das als historisches Kulturdenkmal zunächst komplett für sich. Hinzu weiß „ZUU“ unabhängig seines kulturellen Werts über seine gesamte Spielzeit hinweg zu unterhalten. Damit steht dem Weg nach oben nun wirklich nichts mehr im Wege.

Das Album “ZUU” kannst du dir hier kaufen.*

Tickets für die Tour im Dezember gibt es hier.*

Und so hört sich das an:

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Denzel Curry live 2019:

08.12. – Tilburg, O13 (NL)
10.12. – Brüssel, AB Brussels (BE)
11.12. – Köln, Carlswerk Victoria
13.12. – Hamburg, Docks
17.12. – Esch-Zur-Alzette, Rockhal Club (LUX)

Die Rechte für das Cover liegen bei PH Recordings / Loma Vista Recordings.

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