Ende März veröffentlichten sie ihr lange erwartetes Debütalbum “Beautiful Sadness”, seit Ende April sind sie damit unterwegs durch ganz Europa und befinden sich gerade in den letzten Zügen ihrer Tour. Fil Bo Riva sind die aktuellen Durchstarter der Indie-Szene und im Sommer auch auf zahlreichen Festivals anzutreffen. Wir haben uns mit Filippo Bonamici und Felix Remm vor ihrer Show im Dortmunder FZW getroffen und uns über die Tour, die neue Platte, Songwriting und Europa unterhalten.
minutenmusik: Ihr seid ja schon seit einigen Wochen auf Tour durch Europa, wie ist es so bislang?
Filippo: Eigentlich sehr schön insgesamt. Das schöne ist, dass bei jeder Tour, die wir bisher gemacht haben, die Clubs immer größer werden und wir immer mehr wachsen. Aber jetzt nicht so extrem, sondern immer nur so ein paar Hundert mehr. Was ganz geil ist, um das auch für sich selbst wahrzunehmen, das ist eine schöne Entwicklung.
minutenmusik: Du meinst also, dass man nicht plötzlich so einen Sprung hat und auf einmal die großen Hallen ausverkauft?
Filippo: Genau. Und dass man auch die Möglichkeit hat, eigentlich alle Clubs spielen zu können, die man spielen sollte.
minutenmusik: Gab es denn schon besondere Erlebnisse auf der Tour oder eine Stadt, die euch auf irgendeine Weise überrascht hat?
Felix: Amsterdam vielleicht?
Filippo: Da müsste ich kurz überlegen…Aber ja, Amsterdam war geil.
Felix: Es waren einfach krass viele Leute da und wir haben da ein sehr gutes Gefühl gehabt.
Filippo: Ja, voll. Das letzte Konzert war im Oktober, das war unser erstes in Amsterdam. In einer Bar. Und jetzt haben wir im Paradiso gespielt, das war schon deutlich größer.
minutenmusik: Apropos Europatour. Wenn man jemanden als Europäer bezeichnen kann, dann ja wohl dich, Filippo: In Rom geboren, italienischer Vater, deutsche Mutter, zwischendurch in Spanien und Irland gelebt, bis du schließlich für das Studium in Berlin gelandet bist. Würdest du dich als überzeugten Europäer bezeichnen?
Filippo: Gute Frage für den heutigen Tag auf jeden Fall.
Felix: Du kannst ruhig sagen, dass du die AfD wählst (lacht).
Filippo: Ja, tatsächlich… (lacht). Nein, aber ich glaube schon. Ich bin zwar kein Prototyp, aber ich glaube, dass der Grundgedanke und die Grundprinzipien natürlich so bleiben sollten. So viel zu meiner politischen Äußerung. Ich bin da eher neutral.
minutenmusik: Ihr habt es schon angedeutet, heute waren ja Europawahlen. Habt ihr denn auch gewählt oder vorher schon Briefwahl gemacht?
Filippo: Ich enthalte mich.
Felix: Ich habe Briefwahl gemacht, ja.
minutenmusik: Fühlst du dich denn in irgendeinem Land ganz besonders zu Hause oder besonders verwurzelt, auch in Bezug auf so ein „Heimatgefühl“?
Filippo: Italien und Deutschland sind auf jeden Fall vom Gefühl, wo ich bisher gelebt habe, mein Zu Hause. Also ich würde es eher auf diese beiden Länder beziehen, als auf eine bestimmte Stadt, denn in den beiden Ländern fühle ich mich schon zu Hause.
minutenmusik: Zu „Fil Bo Riva“ gehören ja neben euch, Filippo und Felix, auch noch einige Musiker, manchmal wirst aber auch nur du, Filippo, als Fil Bo Riva bezeichnet – als was seht ihr euch, als Solokünstler, Duo, Band oder etwas ganz anderes, wenn man überhaupt in diesen Schubladen denken möchte?
Filippo: Also da ist so ein Kasten…
Felix: So ein IKEA-Schrank, ne?
Filippo: Genau. Und unten ist Schublade 1, das ist Solo. Schublade 2 ist dann Duo. Dann kommt das Trio und ganz oben ist die Band. Das heißt, wenn man möchte, kann man jeden Tag eine andere Schublade aufmachen und sagen: „Okay, heute benutze ich die“. Das heißt, ich glaube wir sind ein IKEA-Schrank, den man beliebig konstruieren kann. (lacht)
minutenmusik: Ihr seid da also eher flexibel (lacht). Nervt es euch denn manchmal, dass ihr immer wieder anders bezeichnet werdet, oder findet ihr das eher cool?
Filippo: Ich glaube das ist ganz unterschiedlich. Ich finde es ehrlich gesagt nicht uncool, sondern eigentlich ganz lustig. Es hat sich einfach so entwickelt, denn wir haben jetzt nicht überlegt, dass wir eine Band sein müssen. Das ist eher einfach so gekommen.
Felix: Wir kriegen das ja auch gar nicht so krass mit.
minutenmusik: Kommen wir zu eurem Debütalbum. Nach einer ersten EP ist vor zwei Monaten euer Debüt „Beautiful Sadness“ erschienen, wie ist denn so die bisherige Resonanz?
Felix: Im Durchschnitt relativ gut. Also jetzt nicht ultra krass gut, aber im Großen und Ganzen schon positiv.
Filippo: Ja, voll. Also wir kriegen jetzt keine Fanpost. Wir kriegen nur immer so Social-Media-Nachrichten, wo Leute dann sagen: „Hey, cool dass das Album jetzt draußen ist und man die Songs auf Konzerten auch mitsingen kann“. Denn wir haben einen Großteil der Songs des Albums ja vorher auch schon live gespielt. Das sind so die hauptsächlichen Kommentare. Und besonders wenn man dann bei einer Show ist und sieht und hört, dass die Leute die Songs erkennen und mitsingen, wenn das alles gut läuft, dann ist das schon die größte Rückmeldung, dass das Album gut ankommt. Im Großen und Ganzen sind das also alles positive Zeichen.
minutenmusik: Der Titel „Beautiful Sadness“ klingt für mich im ersten Moment etwas widersprüchlich. Gehören Traurigkeit und Schönheit für euch zusammen? Kann Trauer schön sein?
Filippo: Ja, Trauer kann schön sein. Ganz besonders, wenn daraus etwas entsteht. Auf dem Album zum Beispiel sind die meisten Songs aus traurigen oder melancholischen Momenten entstanden. Das ist in meinen Augen schon das beste Beispiel, was Trauer schön macht. Nämlich, dass aus Traurigkeit schöne Dinge entstehen, wie Musik oder Songs. Deswegen ist auch der Albumtitel ganz passend, das ist glaube ich die Erklärung dafür.
minutenmusik: Nutzt du das Songwriting also auch als eine Art Therapie und verarbeitest persönliche Gefühle und Erfahrungen darin?
Filippo: Ja, natürlich. Also als unbewusste Therapie. Ich setze mich jetzt nicht hin und sage: „Ich bin traurig, ich schreibe jetzt“. Aber ich tendiere schon dazu, viele Sachen, die ich erlebe, dann auch sehr theatralisch umzusetzen und melancholisch zu verpacken. Man verpackt schon viele Sachen, die man erlebt, in Songs.
minutenmusik: Du suchst dir diese Themen also auch nicht bewusst aus, sondern es ergibt sich beim Songwriting dann einfach?
Filippo: Ja, es kommt dann einfach so, je nach dem wie ich mich gerade fühle.
minutenmusik: Ist bei dir denn meistens erst der Text da oder erst die Idee für die Musik?
Filippo: Das ist oft unterschiedlich. Aber die Grundkonzeption entsteht aus einer Melodie, die von Akkorden begleitet wird und über diese Melodie entwickeln sich meistens direkt in den ersten Minuten auch Lyrics. Also sehr simple Sachen, die dann aber trotzdem meistens am Ende im Song vorkommen. Ob es zum Beispiel „Go Rilla“ ist, der Song war direkt da oder „Different But One“ oder „Like Eye Did“, das war auch direkt da. Das heißt, die Hauptthemen entwickeln sich oft in den ersten paar Minuten. Und der Text entwickelt sich dann entweder ein paar Tage oder sogar ein paar Monate später.
minutenmusik: Ihr experimentiert auf der Platte ja auch ein bisschen – zum Beispiel mit Autotune in „L’impossibile“, wo du den Refrain auf deiner Muttersprache Italienisch singst. Allgemein hört man viele verschiedene Einflüsse aus dem Album heraus. Habt ihr da einen gewissen Anspruch an euch selbst, innovativ zu sein oder auch mit dem Zeitgeist zu gehen, oder kommt das einfach so, weil es euch Spaß macht, neue Dinge auszuprobieren?
Felix: Wir haben glaube ich noch nie so drüber nachgedacht, das kam auch einfach so natürlich. Da haben wir etwas ausprobiert und dachten dann, dass das ganz cool ist und dann haben wir es so gelassen.
minutenmusik: Merkt ihr denn auch, dass euch vielleicht die Musik, die ihr gerade hört, auf eine Art beeinflusst?
Felix: Man wird denke ich immer ein bisschen beeinflusst, auch wenn man es gar nicht will. Das ist ja das Prinzip von Kunst, dass man andere Sachen kopiert und seine eigene Kunst daraus macht. Ohne die Sachen, die schon da sind, könnte man das ja gar nicht machen.
minutenmusik: Ihr hattet „Different but One“ gerade schon angesprochen. Das ist ja auch ein ganz besonderer Song auf der Platte – zum einen wegen seiner Länge von über 9 Minuten, zum anderen aber auch, weil in ihm so viele verschiedene Genres vereint werden und Motive aus anderen Songs des Albums, wie „Go Rilla“, wieder aufgegriffen werden. Gibt es eine Geschichte zu dem Song und seiner Entstehung?
Filippo: Also „Go Rilla“ ist eigentlich nachdem wir „Different But One“ fertig aufgenommen haben entstanden. Das heißt, „Go Rilla“ war schon eine Songskizze, die ich lange Zeit hatte. Genau wie die meisten Parts, die in Different But One vorkommen, das waren auch unterschiedliche Songskizzen. Das waren vielleicht so drei oder vier verschiedene Ideen, die zueinander passten. Dann war es einfach so, dass der Song immer länger wurde. Weil viele Dinge noch zusammenpassten und sich einfach gut angefühlt haben. Das heißt, nachdem der Song fertig war, hab ich mir noch überlegt, dass Go Rilla eigentlich ja eine separate Skizze war und ich fand es irgendwie schade, das nur in „Different But One“ vorkommen zu lassen und nicht als alleinstehender Song. Und dann habe ich einfach gedacht, warum nicht diesen Teil einfach nochmal rausziehen und als eigenen Song machen.
minutenmusik: Also war es quasi genau anders herum?
Filippo: Ja, genau! Das ist die Geschichte (lacht).
minutenmusik: Habt ihr auf dem Album denn einen persönlichen Favoriten oder einen Song, der euch besonders viel bedeutet oder eine besondere Geschichte hat?
Filippo: Also mein Favorit ist „L’impossibile“. Genau aus den Gründen, die du auch vorhin schon genannt hast. Weil wir da auch ziemlich viel rumgespielt haben, rumexperimentiert haben und weil es auch mein erster Song auf Italienisch ist. Deswegen finde ich persönlich es immer sehr schön den Song zu hören. Wenn ich einen Song auswählen muss, nenne ich oft den, der gefällt mir.
Felix: Bei mir wechselt das immer so im zwei-Monats-Takt. Wir kennen die Songs ja schon ein bisschen länger. „L’impossibile“ mag ich auch gern und „Radio Fire“.
Filippo: Und heute? 26. Mai. Ist heute der 26. Mai?
Felix: Heute… „Time Is Your Gun“.
minutenmusik: Du hast es gerade schon angesprochen, das Album ist ja immer schon lange vor dem Release fertig. Ist es denn so, wenn ihr euch so viel mit den Songs beschäftigt habt, dass ihr da erstmal ein bisschen Zeit und Abstand zu braucht?
Felix: Man hört sich das ja selbst sowieso eher selten an. Es stört einen aber auch nicht, wenn es irgendwo läuft, aber man macht es ja nicht selbst an.
Filippo: Ja, das sehe ich auch so. Trotzdem ist das bei jeder Show nochmal eine andere Sache, die Songs zu spielen, da sie ja relativ ähnlich sind, aber doch dann etwas anders von uns gespielt werden. Es hat aber nie gestört, also alles gut.
minutemusik: Und als das Album dann fertig war, hattet ihr da später nochmal so einen Drang etwas im Nachhinein zu ändern oder wart ihr komplett zufrieden damit?
Filippo: Ich bin der Meinung, dass man nie an einen Punkt kommt, wo man total überzeugt ist. Nach Abschluss war ich zufrieden, aber ich war während der Produktion in einer Phase, wo ich noch sehr viel an den Songs machen wollte und irgendwann dann aber dachte: „Eigentlich musst du das nicht.“ Und dann war auch das Mastering schon fix und irgendwann muss man Sachen ja auch mal abgeben. Und ich glaube die Songs sind auch schon genug produziert. Wenn man das noch mehr gemacht hätte, wäre es glaube ich nicht besser geworden.
minutenmusik: Wart ihr vor dem Release denn dann aufgeregt, was so für Reaktionen kommen und wie das Album so aufgenommen wird?
Filippo: Ehrlich gesagt gar nicht. Für uns war der Releasetag ein ganz normaler Tag, unser Manager wollte dann ein Abendessen machen und dass wir uns in einer Bar treffen. Aber es wäre wahrscheinlich das Gleiche gewesen, wenn wir alle alleine zu Hause gewesen wären.
Felix: Ich glaube der Tag, an dem wir das Album fertig gemischt haben, war krasser. Als wir aus dem Studio rauskamen und realisiert haben: „Okay, jetzt bleibt alles so, wie es gerade war“. Das war gefühlt ein krasserer Moment als der Release.
minutenmusik: Und als ihr die Songs das erste Mal nach Release live gespielt habt, war das dann krasser auch das erste Mal live die Reaktionen vom Publikum mitzubekommen?
Filippo: Ja, das war lustig. Mailand, Italien, Anfang April. Eine sehr kleine Show. Aber wir haben zum ersten Mal zu fünft gespielt, haben zum ersten Mal die neuen Songs gespielt und wir haben davor nicht so viel geprobt. Das heißt, es war sehr sehr sehr sehr aufregend und komisch, aber geil. Das war glaube ich die größte Aufregung.
minutenmusik: Aufregung, weil ihr dachtet, nicht genug geprobt zu haben oder wegen der neuen Songs und der Reaktionen?
Filippo: Alles zusammen! (lacht) Eigentlich eher, weil wir wenig geprobt hatten und nicht wussten, was passieren wird. Und natürlich, weil es die erste Show war und wir überhaupt lange nicht mehr auf der Bühne waren, dann auch noch das erste Mal zu fünft. Also das war eher ein Gesamtgefühl, wo alle Sachen zusammenkamen.
minutenmusik: Heute spielt ihr ja eines der letzten Konzerte der Tour, wie geht es danach weiter, habt ihr schon Pläne?
Filippo: Wir spielen einige Sommerfestivals und dann macht glaube ich jeder erstmal sein Ding. Unsere Band, die Jungs, haben eigene Projekte, einige fahren in den Urlaub. Aber wir werden denke ich schon eher was machen, als nichts zu machen. Denn nach der Tour kommt endlich die Zeit, wo man mal wieder was machen kann, außer abends zu spielen. Wenn man zu Hause ist, normal arbeiten kann, Songs schreiben und aufnehmen kann und einfach seinen Alltag hat.
minutenmusik: Bist du also schon dabei, neue Songs zu schreiben, ist das bei dir so ein kontinuierlicher Prozess?
Filippo: Ja, voll. Es ist nie so gewesen, dass ich eine Blockade hatte. Ich schreibe zwar mal mehr und mal weniger, aber ich habe schon gleichmäßig gute und schlechte Phasen und die Ideen kommen eigentlich immer. Ideen sammeln und Songs schreiben sind ja auch zwei unterschiedliche Sachen. Die Ideensammlung ist eigentlich immer sehr präsent, dann muss man sich aber ein bisschen zielstrebig hinsetzen und auch einen Song schreiben. Das ist dann der zweite Teil, aber am Anfang kommt das immer sehr entspannt und sehr natürlich.
minutenmusik: Sammelst du also auch schon für das nächste Album oder die nächste EP, auch wenn das wahrscheinlich noch etwas weiter in der Zukunft liegt?
Filippo: Wer weiß. Wenn wir dieses Jahr nicht sterben und ich 27 geworden bin, wenn alles gut läuft, vielleicht. Wir schauen mal. (lacht)
minutenmusik: Dann können wir also gespannt sein. Habt ihr denn einen bestimmten Wunsch für die Zukunft, was ihr noch machen oder erreichen wollt?
Filippo: Vielleicht Nummer 1 in den Billboard-Charts? Ist zwar ein utopischer Traum, das habe ich noch nie in einem Interview gesagt, ich wollte nur gerade irgendwas sagen (lacht).
Felix: Wir haben immer gesagt, wir wollen mal durch Asien touren… Erst Billboard-Charts und dann Asientour.
Filippo: Oder erstmal nur Billboard-Charts und dann sind wir so reich, dass wir nie wieder touren müssen.
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