Die Nerven haben sich einen denkbar unglücklichen Namen in Zeiten von sozialen Netzwerken ausgesucht. Ihrem Erfolg schien das bisher jedoch nicht im Weg zu stehen, denn mit ihren vier bisher veröffentlichten Alben hat sich das Trio schon längst einen ganz eigenen Platz im deutschen Punk-Business erkämpft. Ganz eigen? Nun ja, mit dem wilden Genre-Mix kann wohl momentan kaum eine andere Band mithalten. Punk ist hier vor allen Dingen die Attitüde, musikalisch ist das so viel mehr – wie auch das neueste Werk “Fake” zeigt.
Mit “Neue Wellen” startet das Album ganz zaghaft und schielt eindeutig in Richtung Post-Punk, den Instrumentals wird ganz viel Platz eingeräumt und das Lied schwillt nahezu wellenartig auf und ab. Im Anschluss die bisher veröffentlichten Singles “Niemals” und “Frei” – während der erste den Post-Punk langsam in Richtung Tanzfläche mit ganz viel Sehnsucht führt, explodiert im dritten Track alles im Noise-Gewitter mit durchweg wechselnden Rhythmen. Und dabei diese Texte: “Lass alles los, gib alles frei, nichts bleibt” – was für ein Nihilismus! In “Roter Sand” und “Alles Falsch” übernimmt dann auch mal der Bass eine Hauptrolle und zieht den Rest des Songs mit sich. Generell ist die instrumentale Arbeit hervorzuheben, selten werden so verschiedene Stimmungen bei angenehmer Spiellänge erzeugt, ohne dabei an Eingängigkeit einzubüßen. Zwischen Verzweiflung und Melancholie hin- und hergerissen, weiß man wohl nie so ganz, wo man sich gerade befindet – aber man wünscht, diese Reise würde so schnell nicht aufhören. Alleine “Dunst” – wie sanfte Atmosphäre mit brachialen Gitarren zusammenfinden kann, ist unglaublich beeindruckend. Textlich gesehen findet das Album weit entfernt von Eskapismus, aber eben auch weit entfernt von klaren Parolen à la “Nazis raus” statt. Die Nerven schaffen es, durch die unbehagliche Stimmung, die ihre Texte erzeugen, zum Nachdenken anzuregen: “Es bricht über uns herein, die Explosionen – wir war’n dabei”. Aber vor allen Dingen die Verbindung aus der Dringlichkeit der Musik und der Texte macht dieses Album so einzigartig – der einfache Satz “Kann’s nicht gestern sein” wird erst durch den repititiven Aufbau des gleichnamigen Songs dramatisch, sowohl durch die hämmernden Gitarren, als auch durch die immer dringlicher vorgetragenen Worte.
Zwischen wahnwitzigen Rhythmenwechsel, atmosphärischen Gitarrenwänden, reinsten Noise-Gewittern, melancholischen und anklagenden Songtexten schaffen Die Nerven hier erneut ein wahres Meisterwerk, das sich nahtlos in den bisherigen Katalog einreiht. Ganz seicht klingt das Album mit dem Song “Fake” aus – und der Vergänglichkeit der Gesellschaft. “Her mit euren Lügen, her mit eurem Land”. Leichte Kost sieht anders aus, aber das überlassen Die Nerven eh anderen. So entsteht ein Album, das noch lange nachhallen wird und wohl zu den beeindruckendsten des bisherigen Jahres gehört.
Das Album “Fake” kannst du hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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Die Nerven live 2018:
- 19.04.2018 Schlachthof Wiesbaden
- 20.04.2018 Conne Island Leipzig
- 21.04.2018 Festsaal Kreuzberg Berlin
- 22.04.2018 Hafenklang Hamburg
- 23.04.2018 Gebäude 9 Köln
- 27.04.2018 Manufaktur Schorndorf
- 28.04.2018 Strom München
- 29.04.2018 Fluc Wien
Rechte am Albumcover liegen bei Glitterhouse Records.
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