Girl Friday – Androgynous Mary

Girl Friday

„Does the average man feel like he’s on the outside?“ fragen Girl Friday mehr rhetorisch als ernsthaft. Natürlich sind die Grenzen des Dazugehörens, die Machtverhältnisse, die Unterdrückungen unserer Gesellschaft immer noch stark von patriarchalen Grundzügen gezeichnet. Allem Wandel zum Trotz stehen weiße Männer auch 2020 noch am Hebel, fällen die wirklich wichtigen Entscheidungen. Gerade die kulturelle Repräsentation ist aber glücklicherweise vielseitiger als die Gesellschaft selbst, bietet gerade für marginalisierte Gruppen mehr und mehr Räume für Entfaltung und Stimmfindung. Mitten in diesen Kosmos hieven auch Girl Friday ihr Debüt „Androgynous Mary“, dessen Titel schon die tief verwurzelte Queerness des Quartetts andeutet. Was hier zelebriert wird, ist der Zusammenhalt einer Community, die das Gefühl kennt, immer außen vor zu sein. Die Fäuste gen Himmel, die Gitarren auf Anschlag, die 90er im Soundnebel.

Überschäumende Finsternis vs Hoffnungsfunken

So melancholisch das Album auch einsteigt, so krachend wird es dann auf dem Weg. Schon im Opener „This is not the Indie Rock I signed up for“ stellt das Quartett die richtigen Fragen – „How real are your words if you say them on the phone?“ – hinterfragt aber auch die eigene Unzufriedenheit, bedankt sich für den Support eines lieben Menschens. Ganz wichtig für das queere Manifest, das „Androgynous Mary“ am Ende ist: Girl Friday widmen ihre Songs nie einer zwingend romantischen Verbindung und schon gar nicht einem Mann. Vom hegemonialen Verständnis einer monogamen Hetero-Romantik distanziert sich dieser Punk-Entwurf ganz bewusst, entfernt sich vom zugleich ganz Riot-Grrrlig von der Vorstellung einer passiven Weiblichkeit. Mag diese Ästhetik zwar den rebellischen Texten inheränt sein, die musikalische Ursuppe von Girl Friday duftet dennoch weniger nach Bikini Kill und den Slits, dafür aber umso mehr nach sattem 90er Noise und einer sphärischen Pixies-Sonic-Youth-Mischung. So ziehen in der düsteren Stimmung von „Eaten Thing“ dichte Gewitterwolken auf, die Wellen vom genuschelten „Favorite Friend“ klatschen hingegen ganz sachte ans Ufer.

„I just wanna be an Earthquake“

…fauchen Girl Friday in „Earthquake“, nur um die Erde im Anschluss fraglos unentwegt beben zu lassen, während sich das Quartett das Mikro ganz paritätisch durch die Reihen wirft. Ohnehin eine weitere Stärke des neuen Projekts: Obwohl sich die vier Mitglieder Vera Ellen (Gitarre), Libby Hsieh (Bass), Virginia Pettis (Drums) und Sierra Scott (Gitarre) nicht nur Gesang, sondern auch Songwriting aufteilen, gerät „Androgynous Mary“ nicht ins Stocken, fließt hingegen mit einer spannenden Dynamik von Sound zu Sound. Neben grandiosen In-Your-Face-Hits wie „Gold Stars“ und „What We Do It For“, kommen daher auch Melancholiker*innen auf ihre Kosten („Clotting“). Gar nicht so heimlicher Star des Albums ist dann aber dennoch „Public Bodies“, aus dem auch die eingangs zitierte Frage stammt. Nach einigen Minuten in abgefucktem Indierock-Gestus macht dieser nämlich eine überraschende Kehrtwende und bricht in pumpenden Beats aus, die nach Selbstbestimmung schreien. Ja, Girl Friday sind angepisst, dass die Frage nach dem Außenseitertum bei weißen Männern weiterhin für Fragezeichen sorgt, während sich die queere Community täglich mit der Marginalisierung auseinandersetzen muss. Genau so enthusiastisch, wie sie gegen Unterdrückung ankämpfen, steht das Quartett aber eben auch für ihre Gemeinschaft ein, besingen im sanften Outro „I hope Jason is happy“ „My head is on your chest, in the end I’ll be happy if you do your best“. So gerät das Debüt der Band zu einer wohlig warmen Anlaufstelle für die LGBTQ*-Gemeinde, ballt die Fäuste aber vor böswilligen Eindringlingen. Ein Protestruf in Albumform, der es in sich hat.

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