Lewis Capaldi – Divinely Uninspired To A Hellish Extent

Lewis Capaldi Divinely

Bei Lewis Capaldi läuft’s. Anders kann man das nicht bezeichnen. Als Support bei etablierten Musikern wie Rag’n’Bone Man, Milky Chance und Sam Smith machte er eine so gute Figur, dass die Fanschar stets wuchs und er als erster Künstler ohne Plattenvertrag 25 Millionen Klicks bei Spotify einsackte – und das mit lediglich einem Song. „Bruises“ war also das erste große Ding des 22-jährigen Schotten. Wer dachte, da geht nicht mehr, war nicht auf „Someone You Loved“ vorbereitet – das wurde bis heute über 180 Millionen Mal auf dem gleichen Streamingportal gehört, bevor das Debütalbum in den Regalen steht. Obendrein gab’s die Pole Position in den UK-Charts und Platin. Hut ab.

Jetzt ist es aber an der Zeit, der Welt den ersten Longplayer zu zeigen. Der extrem ungünstige, verschachtelte, kaum auszusprechende und noch weniger zu merkende Titel Divinely Uninspired To A Hellish Extent bleibt schon mal nicht so im Ohr wie der Überhit. Außerdem muss der als neuer Sam Smith gehandelte Star erstmal beweisen, dass er mehr kann als nur eine große Pianoballade. Leider erreicht tatsächlich keiner der zwölf selbstgeschriebenen (nein, nicht im Alleingang) Titel die Intensität eines „Someone You Loved“. Trotzdem muss sich das Debüt keinesfalls verstecken.

Bei dem Album mit dem unmöglichen Namen handelt es sich um ein sehr klassisches Popalbum, dessen Sound stets zwischen seichtem Up-Tempo und getragenen Nummern wechselt. Viele Streicher, ordentlich Klavier, ab und zu auch mal eine E-Gitarre, ein Hauch Kitsch, eine Spitze Pathos, genug Herzeleid. Instrumental reißt das nicht groß vom Hocker und kommt kaum über „nett“ hinaus. Aber letztendlich macht Lewis mit seiner berührenden, schmachtenden und rockig anmutenden Stimme, die gerne nach obenhin mal bricht, einen entscheidenden Teil der Qualität aus. Gerade in wahnsinnig gelungenen Werken wie „One“, das immerhin fast einem „Someone You Loved“ Konkurrenz macht, trifft der Gesang, dem es nie an Emotion mangelt, genau da, wo’s am meisten wehtut. Musik für die schlechten Zeiten im Bett, in denen man zur Seite schaut und jemanden vermisst.

„Bruises“ ist ein weiteres großes Klavierlied, das hängen bleibt. Unter den flotteren Tracks geht besonders „Hollywood“ gut durch. Das klingt 100% nach Ohrwurmrefrain a la Ed Sheeran, gepaart mit dem unverkennbaren, mitreißenden Stil von Mumford & Sons und steuert somit ganz konsequent auf Radio zu. Leider schafft es Lewis trotzdem nicht individuell genug und vor allen Dingen nicht abwechslungsreich genug zu sein. Besonders störend ist der meist sehr ähnliche Aufbau zwischen ruhigen Strophen in tiefer Lage und den manchmal fast schon gebrüllten Refrains, die einem häufig ein wenig zu dominant und aufdringlich ins Gesicht springen („Fade“). Das ist schlichtweg einfach too much im Gesang und too less im Rest – konsequent leise Töne oder ein paar elektronische Spielereien hätten nicht geschadet. „Don’t Get Me Wrong“ traut sich dank eines schleppenden R’n’B-Beats kurz über den Tellerrand hinauszuschauen. Viel mehr Überraschungen gibt es aber auch nicht. So heben sich Songs wie „Hold Me While You Wait“, „Maybe“ oder „Lost On You“ untereinander zu wenig ab und sind auch nach wiederholtem Hören sofort vergessen.

Trotzdem machen eine ganze Hand voll gelungener Tracks die 42 Minuten zu einem recht angenehmen Erlebnis, das mit Sicherheit viele Abnehmer finden wird und genügend Material für sämtliche Radiostationen, melancholische Playlists und andere tägliche Angelegenheiten bietet.

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