Mauli – autismus x autotune

Mittlerweile sind bereits knapp zwei Wochen vergangen seit Mauli (eigentlich Marius Schwesig) sein zweites Studioalbum „autismus x autotune“ (VÖ: 20.04.2018) veröffentlicht hat. Erfolgreich, wie man meinen könnte, denn das Werk des jungen Rappers stieg in der ersten Woche prompt auf Platz 10 der Deutschen Albumcharts ein – und das ohne jegliches Marketingteam und -konzept. Wie ist das möglich?

Ein Blick auf Maulis musikalischen Anfänge zeigt, dass der Berliner Musiker im Rap-Geschäft kein Neuling ist und seine Wurzeln vor allem – wie zugegeben nicht selten im Rap-Business – in Auftritten diverser Battlerap-Turnieren wurzeln: 2012 nahm der mittlerweile 24-Jährige unter dem Künstlernamen DirtyMaulwurf erstmals beim VBT (Videonattleturnier) von rappers.in teil. Sein Erkennungs-Merkmal: Eine Klonkrieger Star-Wars-Maske, die häufig durch diverse Lichteffekte gekonnt in Szene gesetzt wurde. Vor allem seine markante Stimme, die eine besondere Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt und etwas kehlkopflastig klingt, erhielt von der Jury fortlaufend positive Zustimmung. Dennoch – für einen Sieg reichten seine Auftritte nicht, weshalb er 2013 seine Battleturnier-Karriere an den Nagel hängte.

Bevor der Berliner mit 93er-Baujahr sich aber tatsächlich dem eigentlichen Rappen zuwendete, hatte er bereits einige Jahre zuvor Beats unter dem Namen Mah-Jah-Beats für das Format „Rap am Mittwoch“ produziert. Kein Wunder also, dass Mauli – seit der Veröffentlichung seines Debütalbums “Spielverderber” (2015) tritt er nicht mehr als „DirtyMaulwurf“ auf und hat auch seine Maske abgelegt – bei seiner aktuellsten Platte auch diesmal die Regler in die Hand genommen und sein Album selbst produziert hat.

Während er auf „Spielverderber“ noch frech-gewitzt die Entwicklung des Deutschraps persiflierte und entsprechende Interpreten beziehungsweise Rapper mit ironischen Seitenhieben auf den Prüfstand nahm, verzichtet er auf dem aktuellsten Werk auf jegliches Namedropping. Auch sein Sound ist im Vergleich zum Vorgängerwerk ein völlig neuer: Vor allem die Verwendung von Autotune – der Name des Albums ließ den übermäßigen Gebrauch des Tonhöhen-korrigierenden-Effekts bereits vermuten – steht im Fokus des Werks. (Der Zusatz Autismus ist dabei, wie er in diversen Interviews selbst erklärt, nur eine stimmige Ergänzung des Titels. Die Alliteration klingt eben schön und außerdem hatte Mauli zuvor einen Beitrag über “Autismus” im Fernsehn gesehen.)

Obwohl Mauli auch auf seinem zweiten Studioalbum seinen Witz und seine Häme beibehält, erweitern die teils an die 80er erinnernde Synthiewave-Klänge sowie die nach-wie-vor mit Vorliebe eingebauten Elemente des Traps mit ihren dumpfen Bässen das Klangbild des Rappers auf seinem neusten Werk hörbar. Auch stimmlich ist eine deutliche Veränderung zum Vorgängerwerk zu hören: Fast wie ein melancholisch-melodischer Faden zieht sich Maulis ‚Gesang‘ durch die insgesamt zehn Tracks des Albums.

Der Song „Detox“ erklärt dem Zuhörer dabei, warum Mauli so lange von der musikalischen Bildfläche verschwand und sich einem neuen Sound angenommen hat: Eine Überdosierung beziehungsweise Überkonsum von seinem allseits geliebten Rap und Hip-Hop („Ich musste raus, ging kalt in den Entzug / Zwei Jahre keine Juice, kein Interview mit Rooz“) führte dazu, dass er sich entgiften („Entgifte mich“) und neu finden musste. Denn zugegeben: Wer als Deutschrap-Sympathisant die Entwicklung der Musikrichtung in den vergangenen Jahren beobachtet hat, wird bemerkt haben, dass Deutschrap zuletzt immer häufiger an Innovation und Einfallsreichtum verlor.

Vor allem gesellschaftskritische Passagen sind in Maulis Tracks immer wieder herauszuhören: Während sich der Opener „Sturm“ gegen die in der heutigen Zeit nahezu unvermeidbare, scheinheilige Influencer- und Hipster-Szene wendet (“Auf Instagram sind alle reich / Bilder reichen als Beweis / Tausend Euro um den Bauch / Was du siehst, willst du auch/ … Denkst du, die erste Million / Beendet die Herbstdepression?“), die auf Teufel-komm-raus ihr gesponsertes Luxus-Leben in Szene setzt und in jeglichem Follower ein Gefühl der Unvollkommenheit auslöst, bietet Mauli auf „Klepto“ einen moralisch-fragwürdigen Gegenentwurf zur aktuell kapitalistisch-orientierten Gesellschaft.

Mit Robin Hood-Vergleichen und gekonnt-positionierten Parallelen zwischen den Bridges („Ich hab mir geschworn‘, sobald ich laufen kann / Fang ich zu klauen an“ … „Einmal kam Alarm und ich bin raus gerannt / Gut, dass ich laufen kann“) versucht er dem Zuhörer dabei seine eigenen rebellischen Ideale nahezubringen. Ein Rapper muss nicht ständig mit seinen neu-erworbenen Designerstücken protzen. Schließlich spart man sich viel Geld, wenn man solch-teure Stücke einfach heimlich in die Tasche steckt.

Nur auf eine „Rolex“ kann er gut verzichten, wie er gleich im folgenden Song verrät. Zugegeben, die Reihenfolge der Songabfolge ist thematisch etwas verwirrend, hatte Mauli doch erst auf dem vorherigen Lied über seinen Drang zur Kleptomanie philosophiert. (Der Song „Rolex“ startet schließlich mit den Worten: „Ich kauf mir alles, was es gibt / Aber niemals eine Uhr“). Sei’s drum. Mauli möchte keine Uhr haben, denn selbst die Zeit als solche ist ihm ein Dorn im Auge. („Nur ihr macht Termine, die ich dann verschiebe“.)

Mit dem Zusatz „Ein Geschenk von eurem besten Freund an euch und eure Liebe. Verbreitet es. Gibt nichts, was glücklicher macht“, veröffentlichte Mauli kurz nach dem Albumrelease das Musikvideo zu „Licht“. Ein Lobgesang des jungen Berliners an das womöglich größte Gefühl, das einem Menschen widerfahren kann: die Liebe. Das Video zeigt dabei Ausschnitte aus bekannten Film-Liebesszenen, die insbesondere untermalt vom nostalgischen Retro-Synthie-Sound des Werks beim Hören so einige Glücksgefühle hervorrufen. Vermutlich – trotz seiner einfachen Lyrik – einer der besten und treffendsten Songs des Albums.

Alles in allem kreiert Mauli auf „autismus x autotune“ einen Sound, der sich von der Masse abhebt und textlich sowie musikalisch in tiefer-gelegene Sphären dringt. Zugegeben: Autotune ist bei weitem keine Innovation mehr und derzeit nahezu allenthalben anzutreffen. Dennoch wird besonders durch die Mischung des 80er-Synthie-Klangs mit Trap-Elementen ein Klangbild erzeugt, was so in der Deutschrap-Landschaft noch nicht existiert und neugierig macht. In der kommenden Woche startet Maulis „Ewig Tour 2018“, bei welcher der Berliner sowohl neue wie alte Songs vor Publikum präsentieren wird. Wir dürfen gespannt sein, ob dies dem 24-jährigen gelingen wird – und werden hierüber natürlich wieder berichten!

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Und so hört sich das Ganze an:

Tracklist
  1. Sturm
  2. Kugeln
  3. Detox
  4. Klepto
  5. Rolex
  6. Manchmal
  7. Halbe Molly
  8. Licht
  9. Vielleicht
  10. Geheimrezept
EWIG Tour 2018
  • 13.05.18 Wien, Flex
  • 15.05.18 München, Kranhalle
  • 16.05.18 Stuttgart, Schräglage
  • 17.05.18 Hamburg, Waagenbau
  • 18.05.18 Köln, Yuca
  • 26.05.18 Berlin, Kesselhaus

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Coverrechte liegen bei Mauli (Soulfood).

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