Es ist eine verbreitete Bitte unter Hardcore-Punk-Nostalgiker*innen: Rise Against mögen wieder in die rauen Gewässer zurückkehren, in denen sie einst vor über zwei Dekaden in Richtung Festival-Headlinertum ablegten. Mit dem neunten Album der Chicagoer erfüllt sich dieser Wunsch zwar nicht, alte Muster werden aber dennoch bedient.
Runterskalieren
Als Radio-Punks galten Rise Against spätestens seit dem dreckig-gelben Anti-Krieg-Manifesto „Appeal To Reason“. Drei Jahre später trieb „Endgame“ diesen Versuch den leicht hardcore-lastigen Punk-Rock mit Pop-Sensibilität und großen Gesten zu untergraben noch weiter. Mit Erfolg: Die Album-Verkäufe stiegen, die Ticket-Absätze ebenso. Doch der kreative Output litt unter dem Erfolg. Es folgte eine Phase der Mittelmäßigkeit: Sowohl das wüstentrockene „The Black Market“ als auch das unspektakuläre „Wolves“ unternahmen das Experiment, das Niveau der Studioalben an das der oft durchwachsenen Live-Auftritte anzupassen. „Nowhere Generation“ nun holt alte Größe aus dem Instrumentenschrank, wird dadurch zumindest an vielen Stellen weniger egal und weiß gar zu gefallen.
„The Numbers“ steigt gut ein. Von seinem Working Class-Einspieler über die antreibenden Strophen, den weitläufigen Refrain hin zu den kleinen Breaks ist der Fünf-Minüter genau der opulente Einstieg, den ein Rise Against Album im Jahr 2021 benötigt – und tatsächlich der stärkste Song der Band in den letzten zehn Jahren. „Sudden Urge“ tauscht im Anschluss die bandtypischen mittenlastigen Gitarren für dickere Sounds, bekommt mit dem Stolper-Bass und Tremolo-Effekt in den Strophen jedoch auch die nötige Offenheit. Und auch „Nowhere Generation“ vermag – man missachte den pathetischen Text – mit seinem „Endgame“-Hitfaktor an alte Hochzeiten anknüpfen.
Der Lack bröckelt
Im Anschluss beginnt die Glanzlackierung etwas von den Stücken abzubröckeln. „Forfeit“ reiht sich als obligatorisches Akustik-Versatzstück mit Streicher, Klavier und Drum-Einsätzen in die lange Liste der Rise Against Balladen. In der hochklassigen Gesellschaft geht der Song jedoch in Mittelmäßigkeit verloren. Und auch „Talking To Ourselves“ sowie „Sounds Like“ gelingt es nicht aus der schieren Masse an antreibenden Hymnen herauszustechen: Die flotten Strophen, die Steigerung im Pre-Chorus und dann die Energie-Entladung im Refrain – das Rezept nutzt sich ab.
„Sooner Or Later“ zeigt kurz vor Schluss noch einmal, dass diese Formel auch funktionieren kann, wenn sie denn nur etwas aufgeweicht wird. Die durchkühlten Keys sind erfrischend, die halligen Gitarren ungewohnt – dieses Soundbild steht der Band. Und auch „Monarch“ offenbart sich mit seinen knapp 200 Sachen pro Minute als mitreißender Sturm auf der Punk-Autobahn.
Leider ist ist der Aufwärtstrend nur vorübergehend und auch der Abschluss nicht das große Finale, das das Album sich gerade nach dem opulenten Einstieg verdient hätte. Die ausfadende Akustik-Gitarre vom abschließenden „Rules To Play“ winkt höchstens schüchtern zum Abschied, statt sich voller Inbrunst zu verabschieden. „Nowhere Generation“ ist daher weder die von Fans ersehnte Rückkehr zu alter Härte, noch durchgängig gelungener Mainstream Punk-Rock. Vielmehr ist das neunte Album der US-Amerikaner ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung mit vielen gelungenen, aber auch einigen zu unspektakulären Auswüchsen. Das reicht dennoch, um mit weitem Abstand das beste Rise Against Album seit „Endgame“ zu sein.
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