Blood Red Shoes – Get Tragic

Blood Red Shoes . Get Tragic

Jaja, Indie-Rock ist tot. Deshalb geben sich die Wombats belanglosem Synthie-Pop-Geplänkel hin, spuken die Arctic Monkeys irgendwo in der Leere zwischen Lounge-Musik und Jazz umher und betouren Bloc Party ihren Klassiker „Silent Alarm“ gleich in einer zweiten Rutsche, nachdem der Experimental-Griff „Hymns“ vollkommen ins Klo ging – mit dem alten Kram fährt es sich eben noch gut. Dass man sich als Indie-Rock-Band gar nicht allzu weit von seinem Kern entfernen muss, um interessant sowie relevant zu bleiben, sondern eine Selbstschulung in Sachen Songwriting helfen kann, beweisen die Blood Red Shoes aus Brighton seit nunmehr anderthalb Jahrzehnten. Das Debütalbum „Box Of Secrets“ spielte im Jahr 2008 noch jegliche Register der „Class Of 2005“ aus – flotte, tanzbare Grooves, eingängige Melodien, Geschrammel. „Fire Like This“ entwickelte diesen Sound dann leicht weiter, gab sich bisweilen jedoch etwas sperriger. Diese etwas unzugänglichere Seite zeigte das Duo dann auf dem düsteren „In Time To Voices“ noch deutlicher. Ähnlich bedrückend, dafür etwas treibender und härter, kam schlussendlich im Jahr 2014 der selbstbetitelte vierte Langspieler daher, der eindrucksvoll aufzeigte, dass die Band mittlerweile wohl relevanter denn je ist – ein Attribut, das sich nicht viele Acts nach vier Studioalben teilen. Der Kern des Duo blieb im Zuge dieser Entwicklung immer erhalten: dominierend ist stets das stimmlich hervorragende Zusammenspiel von Schlagzeuger Steven Ansells und Gitarristin Laura-Mary Carter, sowie die gitarrengetriebenen Instrumentals.

Knapp vier Jahre haben sich die beiden Kreativköpfe hinter Blood Red Shoes nun Zeit für den Nachfolger gelassen. Nach den Tourneen zu der Platte ist man sich gegenseitig satt – zumindest behauptet das der Pressetext von „Get Tragic“, wie das fünfte Album des Projektes nun heißt. Es dauert also einige Zeit, bis man wieder zusammenkehrt, Material wird geschrieben, verworfen, umgeschrieben. Bereits im Jahr 2017 veröffentlicht die Band mit „Eye To Eye“ eine erste Single – der Song findet in einer leicht anderen Aufnahme auch auf dem Endprodukt Platz. Es folgen weitere Songs. Zwei im letzten Jahr veröffentlichte Lieder landen nun nicht auf dem fertigen Album, das zehn Stücke, sowie ein Interlude enthält. In Singleform sind vor Albumveröffentlichung bereits fünf davon bekannt. Während der Aufnahmen zu „Get Tragic“ will die Band mit Synthesizern und elektronischen Elementen experimentiert haben, die aktuellen Live-Auftritte absolviert man erstmals zu viert. Ist das fünfte Blood Red Shoes Album bei so viel Wandel also das erste, das den Kern der Band misst?

Also nun der Blick in das Album. Das beginnt mit „Eye To Eye“, „Mexican Dress“ und „Bangsar“ gleich mit drei Vorabauskoppelungen, die sich allesamt als wahre Indie-Ohrwürmer entpuppen und auch gar nicht mehr aus den eigenen Ohren verabschieden wollen. Klar, in der Produktion stößt man auf deutlich mehr Synthesizer, die altbewährten tanzbaren Beats und groovigen Gitarren findet man jedoch ebenfalls. Bei „Nearer“ umschließen einen dann erstmals deutlich elektronischere Elemente. Die tragen den sich stets steigernden Song jedoch so gut, dass erst nach einigen Durchläufen auffällt, wie viel die Band hier herumexperimentiert haben muss. „Beverly“ und „Find My Own Remorse“ fahren dann erstmals das Tempo zurück und geben sich melancholischer. Carter säuselt, Ansell klingt fast wie ein hochnäsiger Alex Turner. Auffällig ist hier auch die vermehrte Verwendung elektronischer Drumcomputer.

„Howl“ stellt dann eine Symbiose der zwei Blood Red Shoes-Welten dar, wird von einer verspielten Bass-Line getragen, wurde in der Produktion jedoch von einer Vielzahl Synthies angefettet, was erstaunlich gut funktioniert. Der Band gelingt es stets, nicht in den EDM-Pop-Mainstream zu gleiten, sondern neue Einflüsse perfekt in ihren ganz eigenen Sound einzuarbeiten. Gerade deshalb kann ein Song wie das riffige „Anxiety“ auch neben sperrigen Stücken wie dem Closer „Elijah“ stehen.

Auf ihren Social-Media-Profilen sprach das Duo davon mit „Get Tragic“ aus persönlichen Krisen etwas Gutes geschaffen zu haben – ganz getreu dem Motto „embrace your midlife crisis“. Der Platte hört man den frischen Wind, der durch das Projekt weht, deutlich an. Wo andere Acts jedoch vergessen, worin ihre Stärken liegen, zimmern Blood Red Shoes ihre neuen Einflüsse derart geschickt um ihre wertvolle Geheimrezeptur herum, dass dem unaufmerksamen Hörer die Innovation gelegentlich gar nicht auffallen könnte. Das muss man erstmal schaffen. Hut ab!

Das Album “Get Tragic” kannst du dir hier kaufen.*

Und so hört sich das an:

Website / Facebook / Twitter / Instagram

Blood Red Shoes live 2019:

02.02. – Brüssel, Le Botanique (ausverkauft!) (BE)
03.02. – Gröningen, Vera (auverkauft!) (NL)
04.02. – Hamburg, Molotov (ausverkauft!)
05.02. – Berlin, Privatclub (ausverkauft!)
06.02. – Amsterdam, Bitterzoet (ausverkauft!) (NL)
01.06. – Dortmund, Way Back When Festival

Die Rechte für das Cover liegen bei Jazz Life (Rough Trade).

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.