Counterfeit, Luxor Köln, 14.08.2019

Counterfeit sind gut, ja. Die Band um Schauspieler und Schönling Jamie Campbell Bower ist primär aber nicht der tollen Musik wegen innerhalb kürzester Zeit so gewachsen, dass Clubs wie das Kölner Luxor in Windeseile ausverkauft sind. Der Großteil der Fans wurde auf das Projekt um den Mann mit dem großen Ego aufmerksam, weil der in Filmen wie der Twillight-Saga oder Harry Potter mitgespielt hatte – etwas anderes muss man sich nicht vormachen. Dementsprechend durchmischt sahen die Konzerte in den Anfangstagen Counterfeits dann auch aus: da trafen Mitvierziger-Muttis auf kreischende Teenager und die paar Handvoll Leute, die von dem Schauspieler Bower wenig, dafür aber umso mehr von der Musik dessen Band hielten. Im vergangenen Jahr zogen die Briten sich dann zurück, um an ihrem zweiten, noch unveröffentlichten Studioalbum zu arbeiten. Auf einer kleinen Europa-Tour spielt man seinen Fans dieses Album nun ohne vorherige Ankündigung in Gänze vor. Doch gelingt der unkonventionelle Move insgesamt nur einen alten Songs zu spielen, weil die Band das Unorthodoxe perfekt beherrscht oder aber weil die Musik eh nur Nebensache ist?

Erstmal der Reihe nach: Da wäre zum einen der Entertainer und Alleinunterhalter Bower, der seine vierköpfige Band klar in den Schatten stellt. Der 30-Jährige erzählt zwischen den Songs Anekdoten aus seinem Leben und geht humorvoll auf Zurufe der Fans ein. Die Liebe, die ihm diese in „I love you“-Rufen entgegenbringen, erwidert er – zumindest verbal. Ansonsten lebt Bower sein Rockstartum voll und ganz aus. Immer wieder begibt er sich vor die Absperrung in der ersten Reihe, sucht Augenkontakt mit den treuen Anhängern und klettert gleich mehrfach über die Fans, die sich ihren Platz ganz vorne gegen einen kleinen Aufpreis in Form von VIP-Paketen erkaufen konnten, hinweg in die Mitte des Raums. Dort geht er auf Tuchfühlung mit allen Anwesenden, tanzt gemeinsam mit der Menge und klettert zum Schluss auf das Geländer, das den Club in seiner Mitte zweiteilt. Vorher entblößt er seinen nackten Oberkörper – es folgt ein Kreischansturm aus dem Publikumsraum -, bloß um wenige Minuten später wieder in den Backstage zu stürmen und mit einem neuen T-Shirt zurückzukehren. Bei all dem Theater ist der Gedanke doch nicht abwegig, dass viele heute nur anwesend sind, um ihrem großen Star einmal ganz nah sein zu können.

Da wäre aber auch die Musik, die eigentlich viel zu hart und authentisch ist, um auf eine Mainstream-Zielgruppe zugeschnitten zu sein. Auch die neuen Songs – elf Stück sind es heute, man spielt ja die komplette neue Platte – sind von intimen Geschichten durchzogen. Die Ballade „Pictures Of You“ spielt Bower nur von Akustik-Gitarre begleitet für seine Freundin Ruby Quilter, die auch anwesend ist. Der Mental-Health-Empowerment-Song „It Gets Better“ scheint die erste Single des Albums zu sein und ist der wohl poppigste Song, den die Band bislang geschrieben hat. Dem steht das wütende „11:44“ gegenüber, das einen dicken Mittelfinger in Richtung Trump, Johnson und andere fragwürdigen Rechtspopulisten richtet. Auch „Paralysed“, das zwischenzeitlich an eine härtere Version von Placebo zu ihren Anfängen erinnert, gesellt sich zu den energetischeren Songs des Abends. Der Frontmann betont immer wieder, dass das Gesamtwerk, einem Menschenleben gleich, von harten und seichten Momenten, Aufs und Abs durchzogen sei. Den Eindruck können die gut 50 Minuten des Hauptsets bestätigen, in dem Counterfeit alle elf Songs des noch unbetitelten, von Star-Produzent Rob Cavallo produzierten Albums spielen.

Nur für einen weiteren Song, für das populäre „Enough“, kehren Counterfeit auf die Bühne zurück.  Die Stimmung ist hier erstmals so wie es sich für ein Rock-Konzert gehört: Arm-Wackeln und Im-Takt-Klatschen weichen einem angenehm rücksichtsvollen Moshpit. Danach, nach nicht mal einer Stunde Konzert, ist Schluss. Man hat heute eine Band zu Augen bekommen, von der noch großes zu erwarten ist. Ob das an ihrer Musik oder der Persona ihres Frontmannes liegen wird, muss die Zukunft zeigen. Die Wahrheit liegt da vermutlich irgendwo in der Mitte.

Und so hört sich das an:

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Foto von Yvonne (minutenmusik).

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